Tauschgeschäft:Wie eine heiße Kartoffel

Tauschen statt Zahlen: Mittelständler entdecken die Vorzüge von Tauschringen - sie bezahlen nicht mit Geld, sondern mit Leistungen.

Eva-Maria Simon

Der Lkw ist kaputt, aber für die Reparatur muss Lutz Wenger kein Geld bezahlen. Denn seine Firma, der Bürofachhandel S+B in Dessau, ist Mitglied im Mitteldeutschen Barterring. Rund 250 kleine und mittlere Unternehmen in Sachsen-Anhalt gehören zu diesem Netzwerk und handeln über eine Internet-Plattform untereinander mit ihren Produkten und Dienstleistungen. Dabei fließt kein Geld: Das aus dem Englischen stammende Wort "Barter" steht für eine spezielle Art von Tauschgeschäften.

Tauschgeschäft: Tauschen macht schon im Kindesalter Spaß.

Tauschen macht schon im Kindesalter Spaß.

(Foto: Foto: dpa)

Die Unternehmen tauschen nicht direkt Ware gegen Ware, sondern jedes hat ein Verrechnungskonto, das mit fiktiven Geldeinheiten geführt wird. Für die Reparatur seines Betriebs-Lkw beispielsweise wurde Lutz Wengers Konto mit einem virtuellen Betrag belastet, die Werkstatt bekam ein entsprechendes Guthaben. Damit kann sie wiederum bei anderen Mitgliedsunternehmen einkaufen. So bezahlen alle Teilnehmer mit ihrer Leistung. Die Vorschriften über Gewährleistung, Schadenersatz und Steuern gelten dabei genau wie bei anderen Geschäften.

"Man kennt sich, man macht Geschäfte"

Der Handel ohne Geld kann sich lohnen: "Die Teilnehmer machen Geschäfte, die sonst nie zustande kämen", sagt Hugo Godschalk, Experte für bargeldlosen Zahlungsverkehr bei der Unternehmensberatung Pay-Sys. Denn Geschäftsleute seien eher zum Handeln bereit, wenn sie mit ihren eigenen Produkten zahlen könnten statt mit Geld - das gelte besonders für Mittelständler, die oft mit wenig Liquidität auskommen müssten.

Zwischen großen Unternehmen sind Tauschgeschäfte schon lange üblich, oft mit nur zwei Partnern. Den kleineren dagegen fehlt oft ein passendes Gegenüber, wenn Angebot und Bedarf nicht direkt zueinander passen. Barternetzwerke machen die Suche leichter. Der Bürofachhändler Wenger zum Beispiel sagt, er habe im vergangenen Jahr durch das Bartern 18 Aufträge von neuen Geschäftspartnern bekommen: "Man kennt sich, man macht Geschäfte."

250.000 Unternehmen in Europa

Fast ein Dutzend Barterorganisationen wie den Mitteldeutschen Barterring gibt es in Deutschland. Sie verwalten die Konten, stellen die Internet-Plattformen bereit und vermitteln Geschäfte zwischen den Mitgliedern. Dafür verlangen sie eine Jahresgebühr oder eine Provision für jedes Geschäft. Und ihre Mitgliederzahlen steigen, "Bartergeschäfte setzen sich immer mehr durch", sagt Reiner Husemann. Er ist Vertriebsleiter bei der Barterorganisation Euro Barter Business Germany (EBB).

Das Unternehmen ist seit fast 20 Jahren europaweit aktiv und kooperiert auch mit anderen Netzwerken, dadurch können 250.000 Unternehmen in Europa miteinander Geschäfte machen. Gerade im Zuge der Finanzkrise stiegen die Mitgliederzahlen, sagt Husemann, da viele Unternehmer fürchteten, schwerer an Kredite zu gelangen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Tauschringe in Deutschland bisher noch nicht so beliebt sind.

Wie eine heiße Kartoffel

Der größte Vorteil der Handelssysteme: Barterguthaben können nur im Netzwerk ausgegeben werden. Die Kaufkraft ist somit an das Barterkonto gebunden und kann nicht anders verwendet werden. Das Guthaben bringt auch keine Zinsen - es nützt den Unternehmern also nichts, wenn sie es nicht ausgeben. Deshalb wollen alle ihr Guthaben schnell loswerden, sie machen mehr Geschäfte und damit mehr Umsätze. "Das ist wie eine heiße Kartoffel", sagt Unternehmensberater Godschalk.

Längere Suchzeiten

Doch das Einkaufen im Barterring ist nicht einfach, diese Erfahrung hat Christian Eckl gemacht. Der Zeitschriftenverleger aus Bedburg bei Köln hat sich mit seinem Unternehmenspresse-Verlag dem Netzwerk EBB angeschlossen. "Es ist manchmal schwierig, im Barterring passende Angebote von Druckereien zu finden", sagt er. Er nehme aber die längeren Suchzeiten gerne in Kauf, denn seine Umsätze seien dank der Kontakte im Tauschring gestiegen.

Entscheidend bei der Wahl der Barterorganisation ist auch die Sicherheit. In den meisten Ringen können die Teilnehmer ihr Verrechnungskonto überziehen. Geht ein Unternehmen mit einem Minus in Insolvenz, dürfen die anderen nicht auf dem Schaden sitzenbleiben: Seriöse Barterorganisationen verlangen deshalb Bankbürgschaften oder legen Sicherungskonten an, sodass das Soll in bar ausgeglichen wird. Für den Fall, dass eine Barterorganisation selbst insolvent wird, gibt es oft Vereinbarungen mit anderen Barterringen. Diese übernehmen dann die Konten.

Auch wenn Mittelständler vermehrt Interesse an den Tauschringen zeigen, haben die deutschen Barterorganisationen bislang nur einige Tausend Mitglieder - anders als etwa in den USA, wo mehrere Hundert Barterringe aktiv sind. Handel ohne echtes Geld gelte in Deutschland oft noch als unseriös, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Schneider. Die Tauschklubs müssen also noch viel Überzeugungsarbeit leisten.

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