Süddeutsche Zeitung

Tata Motors Ltd.:Inder greifen nach Jaguar

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Die Globalisierung schreitet voran: Die klangvollste Marke im britischen Automobilbau ist wohl bald in der einstigen Kolonie zu Hause.

Andreas Oldag

Die traditionsreiche britische Automarke Jaguar soll schon bis Ende dieses Jahres einen neuen Eigentümer erhalten. Indiens Autohersteller Tata Motors Ltd. hat offenbar die besten Chancen, die Luxuswagenmarke vom amerikanischen Autokonzern Ford zu übernehmen. Für Ford-Chef Alan Mulally ist der Verkauf von strategischer Bedeutung, um die Sanierung des angeschlagenen US-Konzerns voranzutreiben.

Die Amerikaner wollen sich künftig auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Jaguar fährt seit Jahren Verluste ein. An Tata würde auch die bislang zum Ford-Konzern gehörende Marke Land Rover gehen. "Mulally steht unter enormem Druck. Er muss nach den monatelangen Verhandlungen endlich einen finanzkräftigen Käufer präsentieren", heißt es im Londoner Finanzviertel.

Medienberichten zufolge will der US-Autohersteller die Angebote für Jaguar und Land Rover in der nächsten Woche prüfen. Neben Tata bewerben sich die indische Gruppe Mahindra & Mahindra, die sich mit der US-Firma Apollo zusammengetan hat, sowie die amerikanische Beteiligungsgesellschaft One Equity, die der ehemalige Ford-Chef Jacques Nasser führt. One Equity gehört der US-Großbank JP Morgan Chase.

Experten schätzen den Wert der Marken Jaguar und Land Rover auf zusammen umgerechnet 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro. Während Land Rover in diesem Jahr einen kräftigen Gewinn erwirtschaften soll - Ford gibt keine exakten Zahlen bekannt - soll Jaguar zumindest seine Verluste reduziert haben. Der Hersteller setzt seine Hoffnungen auf seine neue Sportlimousine XF, die mit den Platzhirschen Mercedes, BMW und Audi im Nobelbereich konkurrieren soll.

Der Verkauf von Jaguar und Land Rover ist politisch gesehen ein heißes Eisen in Großbritannien. Nach einem schmerzvollen Abbau vieler Arbeitsplätze in der britischen Autoindustrie will die Labour-Regierung einen Kern von Jobs in der Branche erhalten. Sie wird dabei unterstützt von den Gewerkschaften, die eine Abwanderung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer unter allen Umständen verhindern wollen.

Ehrgeiziger Konzernchef

Bei vertraulichen Treffen zwischen Tata-Managern und Gewerkschaftsvertretern haben die Inder offenbar Zusicherungen für den Erhalt der Jobs gemacht. Jaguar und Land Rover haben zusammen 16.000 Beschäftigte in Werken in den West Midlands sowie in Halewood on Merseyside.

Das hoffnungslos veraltete Jaguar-Stammwerk in Coventry war vor drei Jahren geschlossen worden. Mehr als 1000 Beschäftigte verloren ihre Stelle. Doch auch die Fabrik in Halewood, in der auch der Land Rover Freelander vom Band rollt, ist dem Vernehmen nach noch lange nicht auf dem neuesten Technologie-Stand. "Tata hat zugesichert, Jaguar und Land Rover als Marke mit britischen Wurzeln zu erhalten", heißt es in Gewerkschaftskreisen.

Für Tata Motors ist die Akquisition mehr als ein Prestigevorhaben. Der Autoproduzent verfolgt eine ehrgeizige Expansionsstrategie. "Der gesamte asiatische Markt ist für uns interessant", heißt es bei Tata. So wollen die Inder, die bislang vor allem simple und billige Kleinwagen produzieren, mit Jaguar und Land Rover auch die kaufkräftigere Oberschicht in Schwellenländern bedienen. Dabei sollen aber die traditionellen Märkte in Europa und die USA weiterhin eine zentrale Rolle spielen.

Die Pläne werden offenbar vom ehrgeizigen Konzernchef Ratan Tata vorangetrieben, der das Familienunternehmen in den vergangenen Jahren zu einem weit diversifizierten Mischkonzern umgebaut hat. In diesem Jahr hat die Tata-Gruppe den britisch-niederländischen Stahlkonzern Corus sowie im Jahr 2000 die britische Teemarke Tetley Tea übernommen. Die Tochtergesellschaft Tata Tea ist der weltweit größte Teehersteller. In einer Analyse von Credit Suisse wird jedoch kritisch angemerkt, dass der Cash-flow des Konzerns in diesem Jahr "unter enormen Druck" geraten könnte. Ursache ist der Einbruch im Lastwagen-Absatz - einer der Säulen des 1945 gegründeten Unternehmens. Zudem belastet die starke indische Rupie das Exportgeschäft. Dies könnte die Finanzierung der Jaguar- und Land-Rover-Übernahme viel schwieriger gestalten als erwartet.

Ford hatte Jaguar 1989 für 2,5 Milliarden Dollar und Land Rover im Jahr 2000 für 2,75 Milliarden Dollar übernommen und dann zusammen mit Volvo in seinem Nobel-Segment geführt. Beim jetzt bevorstehenden Verkauf von Jaguar und Land Rover müssen noch knifflige Details gelöst werden. So beharrt offenbar Ford-Aufsichtsratschef Bill Ford im Gegensatz zu Vorstandschef Mulally darauf, einen Minderheitsanteil an den beiden Marken zu behalten. Ein ähnliches Modell hat Ford in diesem Jahr beim Verkauf der britischen Sportwagenmarke Aston Martin an eine Investorengruppe praktiziert. Zudem wollen die Amerikaner die britischen Luxuswagen weiterhin mit Motoren ausstatten.

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SZ vom 07.12.2007/woja
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