Tarifstreit:Verdi bestreikt DGB

Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist schnell dabei, hohe Löhne zu fordern. Bei einer Tochterfirma zeigt sich der DGB aber knausrig. Nur 0,9 Prozent mehr Gehalt soll es dort geben. Das ist den Angestellten zu wenig. Deshalb haben die Gewerkschaft Verdi und weitere Arbeitnehmervertreter zum Streik aufgerufen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Wenn der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, über die Tarifrunde 2013 redet, geizt er nicht mit starken Worten. "Wir brauchen eine weitere Stärkung der Massenkaufkraft", sagt er und kündigt an, dass die Gewerkschaften die neuen Verhandlungen "sehr selbstbewusst führen, falls nötig auch mit aller Konsequenz." Für IG Metall, Verdi und Co., die dieses Jahr bis zu 6,5 Prozent mehr Geld fordern, ist die Bescheidenheit schon länger zu Ende.

Was für die Metaller oder öffentlich Bediensteten gut sein soll, gilt aber nicht für die eigenen Beschäftigten des Arbeitgebers DGB. Sie sollen Maß halten. Den 730 Angestellten in der DGB-Rechtsschutz GmbH, einem Tochterunternehmen des Dachverbands, wurde nur eine Gehaltserhöhung von 0,9 Prozent angeboten.

Deshalb kommt es an diesem Dienstag zum ersten Mal seit 1999 wieder zu einem Warnstreik innerhalb des DGB, samt Kundgebung vor der Berliner Zentrale. Dazu aufgerufen hat - neben dem bei den DGB-Oberen verpönten Verband der Gewerkschaftsbeschäftigten (VGB) - die Gewerkschaft Verdi, die selbst Mitglied im DGB ist.

Verdi-Verhandlungsführer Gerd Denzel ist empört: "Dieses Angebot ist völlig unzureichend und eine Provokation", sagt er. Verdi fordert stattdessen 6,5 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Genauso sieht es Martin Lesch vom VGB: Mit 0,9 Prozent Plus werde "wieder einmal die Inflationsrate deutlich unterschritten und das Realeinkommen erneut gesenkt", kritisiert er.

Verdi glaubt nicht an knappe Kassen

Der DGB-Rechtsschutz ist in 111 Büros bundesweit tätig. Er vertritt Gewerkschaftsmitglieder bei Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichten. 1997 war die Abteilung in eine selbständige Gesellschaft ausgelagert worden - nach einem Muster, wie es Arbeitgeber bevorzugen, wenn sie Löhne sparen oder Tarifverträge aushebeln wollen. Zugleich wurde damals vereinbart, dass 40 Prozent der jährlichen Beitragseinnahmen des DGB die Rechtsschutztochter erhalten sollen.

In Wirklichkeit floss nach Angaben des VGB aber meist weniger in die Kasse der Rechtsschützer. Der Vorwurf des Verbands: Der DGB habe nur 40 Prozent der geplanten und nicht der tatsächlichen Einnahmen überwiesen und so die Basis für die Finanzierung künstlich herunterrechnet, um mehr Geld für eigene Kampagnen übrig zu haben. Der VGB ist daher überzeugt, dass genug Geld für eine kräftigere Einkommenserhöhung da wäre. Verdi-Mann Denzel glaubt auch nicht an die knappen Kassen. Er weist darauf hin, dass die meisten Einzelgewerkschaften den Mitgliederrückgang gestoppt und höhere Beitragseinnahmen erzielt hätten, wovon der DGB wiederum jeweils 12 Prozent erhält.

Die IG Metall zahlt besser

Um mehr Geld ringen auch die 776 anderen Beschäftigten des DGB, die nicht zur Rechtsschutz-Tochter gehören. Für sie fordert der zuständige Gesamtbetriebsrat 6,5 Prozent plus bis Ende des Jahres. Der sparsame Gewerkschaftsbund will jedoch nur 1,5 Prozent rückwirkend vom 1. Januar und noch einmal so viel ein Jahr später obendrauf legen. Zu wenig finden die Betriebsräte. Zum Streik auffordern dürfen sie allerdings nicht. Sie haben die paritätisch besetzte Einigungsstelle angerufen. Doch auch dabei sind die DGB-Beschäftigten auf das Wohlwollen ihres Arbeitgebers angewiesen. Der DGB-Bundesausschuss kann sich über einen Mehrheitsbeschluss der Einigungsstelle hinwegsetzen.

Der DGB wollte die Tarifgespräche nicht näher kommentieren. Ein Sprecher der Rechtsschutz GmbH sagte, es habe 2012 eine Erhöhung um 2,9 Prozent gegeben. Da 2013 die Einnahmen nicht gestiegen seien, "können wir nicht mehr draufsatteln". Dass es auch anders gehen kann, zeigt die IG Metall. Sie hat 2012 ihren Beschäftigten 4,3 Prozent mehr bezahlt - so viel, wie die Gewerkschaft für die Metaller herausgeholt hat.

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