Tarifstreit bei Lufthansa:Warum sich die Fronten verhärten

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In Abwehrhaltung: Piloten kämpfen um ihre Privilegien. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Die Gespräche zwischen der Lufthansa und ihren Piloten sind gescheitert. Nun droht mitten in den Sommerferien ein Streik - und der könnte ziemlich lange dauern.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Zwischendurch hieß es einmal, die beiden Seiten seien einer Lösung ziemlich nah gekommen. Mit Hilfe eines Schweizer Mediators und der vergleichsweise einfühlsamen Verhandlungsführung von Lufthansa-Personalvorstand Bettina Volkens schien es so, als könne es doch noch einen Kompromiss geben im Konflikt um die Übergangsversorgung für die Lufthansa-Piloten. Doch dann "platzte", so die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) in einem internen Rundschreiben, die Agenda des neuen Lufthansa-Chefs Carsten Spohr in die Runde - und die sei "ein frontaler Angriff auf unsere Arbeitsplätze".

Vorbei ist es also mit Harmonie und Einigung. Wenn nicht noch eine größere Überraschung passiert, dann werden die Lufthansa-Piloten schon in dieser Woche - mitten in den Sommerferien - wieder streiken. Schon Anfang April hatten sie in gleicher Angelegenheit drei Tage lang die Arbeit niedergelegt, so lange wie nie zuvor. Fast eine halbe Million Passagiere waren da betroffen, rund 3800 Flüge fielen aus.

Überbezahlte und überversorgte Mitarbeiter?

Der Konflikt wird wohl noch lange dauern, denn die Streitpunkte scheinen kaum lösbar zu sein. Viele im Management halten die Piloten für überbezahlte und überversorgte Mitarbeiter, die den Ernst der Lage nicht erkannt haben. Viele Piloten wiederum glauben an die These, dass die Lufthansa ihre machtvolle Stellung beschränken will. Das Problem ist: Beide haben irgendwie recht, und dem Unternehmen läuft die Zeit davon. Die hohen Kosten sind das Kernproblem der Lufthansa, die sowohl auf Kurz- als auch auf Langstrecken immer mehr an Boden zu verlieren droht. Gerade erst musste Spohr die Gewinnziele für 2014 und 2015 deutlich zurückfahren.

Es gibt zwei große Themenblöcke, die den Konflikt dominieren: Zum Ende des vergangenen Jahres hat die Lufthansa den Tarifvertrag zur sogenannten Übergangsversorgung gekündigt. Dieser regelte, dass Piloten ab 55 Jahren in Rente gehen können. Die Übergangsversorgung überbrückt die Zeit bis zum gesetzlichen Rentenalter und wird von der Lufthansa bezahlt. Das Unternehmen argumentiert, angesichts der eigenen Lage und externer Faktoren wie historisch niedriger Zinsen könne man sich ein solches Paket nicht mehr leisten. Es will, dass die Piloten in der Regel bis zum Alter von etwa 62 Jahren weiterfliegen, neu eingestellte Kollegen sollen sich auch an den späteren Kosten beteiligen.

"Agenda Spohr" sorgt für Ärger

Der zweite große (und neue) Konfliktherd ist das, was die VC die "Agenda Spohr" nennt. Der neue Vorstandschef hat im Juli Pläne angekündigt, Teile des Netzes an neue Billigableger auszulagern. Etwa 20 Flugzeuge der Airbus- A320-Baureihe sollen künftig beim bisherigen Regionalflieger Eurowings eingesetzt werden, darüber hinaus soll eine noch zu gründende Gesellschaft vom kommenden Jahr an auch Langstreckenverbindungen übernehmen.

Die Vereinigung Cockpit argumentiert, damit breche Lufthansa geltende Tarifverträge, und beruft sich auf Vereinbarungen aus dem Jahr 2004, die sogenannte "Konzertierte Aktion Cockpit" und die Änderungen am Konzerntarifvertrag (KTV). Damals machten die Piloten bei der Produktivität Zugeständnisse, um der Lufthansa bessere Chancen gegen die damals neuen Billiganbieter zu eröffnen. Im Gegenzug wurden die Besatzungen der Konzerntochter Germanwings in den KTV aufgenommen - sie genießen seither annähernd die gleichen Privilegien wie ihre Kollegen bei Lufthansa.

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Betrachtet man ihre Jahresgehälter, streiken die Piloten auf hohem Niveau. Dabei hat die früher erfolgsverwöhnte Lufthansa gerade wirkliche Probleme: Sie steckt in der Zwickmühle zwischen Billigfliegern und Luxuslinien. In dieser Situation gefährden die Piloten mit ihrem brachialen Arbeitskampf ihr Ansehen - und letztlich womöglich ihren Job.

Ein Kommentar von Marc Beise

In der Vereinbarung heißt es, die Tarifpartner beschlössen, "das Geschäftsfeld Low Cost in den Geltungsbereich der Geschäftsgrundlage zum Konzerntarifvertrag Cockpitpersonal zu integrieren". Weiter heißt es, es bestehe Einvernehmen, dass "mit den hier vereinbarten Bedingungen der Germanwings die wesentlichen Niveaufestlegungen für Low-Cost/No-Frills-Plattformen im Geltungsbereich des KTV vereinbart wurden."

Wie Lufthansa Kosten drücken will

Genau darauf pochen die Piloten jetzt, denn Eurowings-Piloten sind nicht im KTV und mithin auch deutlich schlechter bezahlt. Auch die neu gegründete Langstrecken-Airline wäre nicht vom Konzerntarifvertrag abgedeckt. Die VC argumentiert, die Einigung von damals gelte fort. Lufthansa hingegen argumentiert, sie könne sehr wohl Flüge nach außen verlagern, ohne Tarifverträge zu verletzen. Die Motivation liegt auf der Hand: Eurowings kommt nach Lufthansa-Angaben auf rund 40 Prozent niedrigere Stückkosten.

Ein großer Teil des Europaverkehrs wird derzeit an Germanwings übertragen, die insgesamt etwa 20 Prozent billiger fliegt als Lufthansa. Doch mit dem Versuch, einen Teil der Kurzstrecken auf Eurowings zu übertragen, räumt Lufthansa indirekt ein, dass auch der Germanwings-Plan nicht ausreicht. Deren eigene Flotte soll nun auch nicht mehr wie ursprünglich geplant rund 90, sondern nur noch etwa 60 Maschinen betragen. Stattdessen soll Eurowings einspringen.

© SZ vom 25.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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