Süddeutsche Zeitung

Tarifstreit bei der Deutschen Bahn:Lokführer wollen "streiken bis zum Ende"

Reisende müssen sich auf massive Zugausfälle einstellen: Gewerkschafts-Chef Weselsky kündigt einen langen Arbeitskampf an. Der Bahn wirft er vor, sie eskaliere den Tarifstreit vorsätzlich - um Munition zu liefern für ein Gesetz, das die Macht kleiner Gewerkschaften beschneiden soll.

Von Detlef Esslinger

Die Deutsche Bahn und ihre Kunden müssen sich auf einen großen und langen Arbeitskampf einrichten. Dies kündigt der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, an. Er sagte der Süddeutschen Zeitung, seine Organisation werde "durchstreiken bis zum Ende".

Die GDL wird an diesem Donnerstag das Ergebnis einer Urabstimmung unter 20 000 Mitgliedern bekannt geben. Nachdem die Gewerkschaft bisher zweimal zu Warnstreiks aufgerufen hatte, sollen die Mitglieder nun entscheiden, ob sie "den weiteren Streikmaßnahmen" zustimmen - ihrer Führung also zubilligen, zu Arbeitskämpfen nach freiem Ermessen aufzurufen. 75 Prozent Zustimmung sind dazu erforderlich; es wird damit gerechnet, dass dies erreicht wird.

Kleine Gewerkschaften fürchten um ihre Macht

Weselsky sagte, das Zugpersonal werde von der Deutschen Bahn "absichtlich in den Streik getrieben". Die Lokführer, aber auch die Piloten der Lufthansa sollten "die Begründung liefern" für ein Gesetz zur Tarifeinheit, mit dem die große Koalition die Macht von Berufsgewerkschaften beschneiden will.

In dem Tarifkonflikt geht es zum einen um die Forderung der GDL nach fünf Prozent mehr Lohn sowie angenehmeren Arbeitszeiten. Lokführer erhalten derzeit ein Grundgehalt zwischen 2100 und 3400 Euro. Zum anderen geht es um die Frage, welche der beiden Bahngewerkschaften für welche Beschäftigten noch Tarifverträge aushandeln darf.

Weselsky sieht sich von Bahn-Vorstand Weber unter Druck gesetzt

Mehr Geld (und zwar sechs Prozent) fordert auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Sie will für sämtliche Beschäftigte bei der Bahn einen Tarifvertrag abschließen, auch für Lokführer. Die GDL will sich künftig nicht nur auf diese Gruppe beschränken, sondern auch für Zugbegleiter, Bordgastronomen, Disponenten und Trainer zuständig sein. Die Bahn wiederum will unbedingt vermeiden, für dieselben Berufsgruppen künftig zwei Tarifverträge zu haben. Deswegen verlangt sie vor eigentlichen Verhandlungen, dass GDL und EVG untereinander über eine Kooperation einig sind.

Im Interview mit der SZ erklärte Weselsky nicht nur, dass er dies ablehnt. Er gab auch an, Bahn-Vorstand Ulrich Weber habe ihm gegenüber eine Drohung ausgesprochen: Entweder er unterschreibe ein Papier zur Kooperation mit der EVG, "oder die Regierung macht ein Gesetz zur Tarifeinheit". Die Bahn gehört zu 100 Prozent dem Bund. Dem Aufsichtsrat gehören Staatssekretäre sowie EVG-Chef Alexander Kirchner als Vize an.

Der Gesetzentwurf zur Tarifeinheit soll im November stehen

An dem Gesetz zur Tarifeinheit arbeitet die Bundesregierung seit Monaten. Ein Eckpunktepapier des Arbeitsministeriums war im Juli von der Tagesordnung des Kabinetts genommen worden. Nun arbeiten mehrere Ministerien an einem Gesetzentwurf, der wohl im November fertig sein soll.

Das Gesetz will erreichen, dass in einem Betrieb diejenige Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern einen Tarifvertrag für alle aushandelt. Das wären in der Regel die großen DGB-Gewerkschaften, im Falle der Bahn: die EVG. Berufsgewerkschaften wie die GDL müssten sich diesem Tarifvertrag fügen. Mit dem Streik will die GDL auch zeigen, dass sie sich von den Plänen nicht beeindrucken lässt.

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SZ vom 02.10.2014/zoch
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