Tarifstreit bei der Bahn:Diesmal drohen die anderen

Tarifkonflikt bei der Bahn

Bald redet Deutschland vielleicht eher über ihn als über GDL-Chef Claus Weselsky: Der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, droht der Bahn mit Streik.

(Foto: Henning Kaiser/dpa)
  • Die Gespräche zwischen Bahn, GDL und EVG führten zu keinem Ergebnis. Jetzt kann sich auch die EVG vorstellen zu streiken.
  • Am Freitag soll es getrennte Tarifgespräche geben.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Nach dem erfolglosen Spitzengespräch zwischen der Bahn, der Eisenbahngewerkschaft EVG und der Lokomotivführergewerkschaft GDL schließt die EVG einen Streik nicht mehr aus. "Das hängt vom Verhandlungsverlauf mit der Deutschen Bahn ab", sagte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner am Mittwoch in Köln. "Wenn wir da konstruktiv weiterkommen, ist von unserer Seite kein Streik nötig." Andernfalls sei eine Arbeitsniederlegung nicht auszuschließen. "Das ist aber kein Mittel, das wir leichtfertig ausrufen", versicherte er.

Am Abend zuvor hatten sich Spitzenvertreter von Bahn, EVG und GDL zu sechst in einem Kölner Hotel getroffen, um in dem völlig verfahrenen Tarifkonflikt einen neuen Weg für Verhandlungen auszuloten. Ziel war, das sogenannte 3G-Verfahren zu vereinbaren, das sich im öffentlichen Dienst bewährt hat. Es sieht vor, dass der Arbeitgeber Tarifverhandlungen mit zwei Gewerkschaften am gleichen Ort zur gleichen Zeit führt, also beispielsweise zwischen zwei nebeneinanderliegenden Räumen hin- und herpendelt.

Die GDL, die ihre Mitglieder seit September bereits sechs Mal zum Streik aufgerufen hat, wäre dazu auch bereit gewesen, diesmal aber spielte die EVG nicht mit. Zwar plädierte auch sie für gemeinsame Verhandlungen, allerdings müsse von vornherein vereinbart werden, dass dabei am Ende für jede Berufsgruppe nur ein Tarifvertrag herauskommen dürfe. Das wiederum lehnte die GDL ab, weil sie befürchtet, bei dieser Vorgehensweise von der größeren EVG übervorteilt zu werden.

Vier Stunden mit der EVG, vier mit der GDL

Die für Freitag anberaumten Tarifgespräche werden daher nun getrennt stattfinden. Erst wird die Bahn vier Stunden mit der EVG verhandeln, dann weitere viereinhalb Stunden mit der GDL. Auch sie will verhindern, dass künftig innerhalb einer Berufsgruppe unterschiedliche Tarifverträge und somit unterschiedliche Regeln für Löhne, Wochenarbeitszeiten und Schichten gelten. Doch setzt Personalvorstand Ulrich Weber nun notgedrungen darauf, die getrennten Verhandlungen mit den beiden Gewerkschaften so zu führen, dass am Ende identische Ergebnisse dabei herauskommen. "Wir stehen in der Verantwortung für unsere Mitarbeiter, die bisher nach einheitlichen Regeln gut arbeiten", sagte er.

Hintergrund ist ein Streit der beiden Gewerkschaften darüber, wer für welche Berufsgruppe Tarifverträge abschließen darf. Bislang hatte die GDL nur für die Lokomotivführer verhandelt, von denen sie etwa 80 Prozent vertritt. Für alle anderen Berufsgruppen schloss die weitaus größere EVG die Tarifverträge ab. Doch weil die GDL unter ihren Mitgliedern auch ein paar Zugbegleiter hat, hat die Gewerkschaft beschlossen, bei den jetzt laufenden Tarifgesprächen auch für diese Berufsgruppe einen Tarifvertrag abzuschließen.

Umgekehrt will die EVG diesmal auch für Lokführer verhandeln. Dieser Streit über Verfahrensfragen dominiert die Tarifrunde bislang. Über Inhalte wurde fast noch gar nicht gesprochen. Die GDL fordert für ihre Mitglieder unter anderem fünf Prozent mehr Lohn und eine reduzierte Wochenarbeitszeit. Die EVG dagegen fordert sechs Prozent mehr Lohn, mindestens aber 150 Euro mehr im Monat.

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