Tarifkonflikt mit der Bahn:GDL lehnt Schlichtung ab

Rail Strike Looms As Talks Between GDL And Deutsche Bahn Break Down

Der größte Streik in der Geschichte der Bahn steht bevor

(Foto: Getty Images)
  • Die Deutsche Bahn will den längsten Streik in ihrer Geschichte doch noch verhindern. Zwei Schlichter sollen den Konflikt mit der Lokführergewerkschaft GDL lösen - doch die lehnt das Angebot ab.
  • Das Unternehmen prüft juristische Schritte gegen den Ausstand.
  • Mit Ersatzfahrplänen soll ein Drittel des normalen Zugverkehrs gewährleistet werden. Die deutsche Wirtschaft rechnet mit enormen Schäden - und sucht nach Alternativen zur Bahn.

Bahn schlägt Schlichtung vor

Die Deutsche Bahn hat der Lokführergewerkschaft GDL angeboten, den Tarifkonflikt durch ein Schlichtungsverfahren zu lösen. Beide Seiten sollten dazu jeweils einen unparteiischen Schlichter benennen, der zusammen mit dem Vertreter der Gegenseite einen gemeinsamen Vorschlag vorlegen solle, sagte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber. Voraussetzung sei, dass die GDL ihren Streik absage und dieses Angebot zur Schlichtung bis zum Mittwochabend um 20.00 Uhr annehme.

Die GDL will auf das Schlichtungsangebot allerdings nicht eingehen, wie Chef Claus Weselsky mitteilte. Der angekündigte Streik werde wie geplant verwirklicht. Es gehe um das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit, das die Bahn verletzen wolle, sagte Weselsky. Darüber könne man nicht verhandeln.

Mehr als 100 Stunden Streik

Der viertägige Ausstand ist der sechste Streik im laufenden Tarifkonflikt und der längste in der Geschichte der Deutschen Bahn. Die Lokführer wollen mehr als vier Tage die Arbeit ruhen lassen. Der Streik hat an diesem Mittwochnachmittag um 15 Uhr im Güterverkehr begonnen. Ab Donnerstag bis Sonntag sind dann bundesweit alle Fahrgäste des Nah- und Fernverkehrs und der S-Bahnen betroffen. Der Ausstand im Personenverkehr fängt am Donnerstag um 2 Uhr an und endet am folgenden Montag um 4 Uhr.

Die GDL begründet die Aktion mit der Weigerung der Bahn, über einen eigenständigen Tarifvertrag auch für Berufsgruppen zu verhandeln, die nicht Lokführer sind, wie Zugbegleiter oder Bordkellner. Ein Einigungsversuch beider Seiten war am Sonntag gescheitert. GDL-Chef Weselsky sagte, man wolle und müsse für alle Mitglieder Tarifverträge aushandeln: "Dieses Grundrecht ist in Gefahr und damit die Funktion von Gewerkschaften an sich."

Was die Bahn unternimmt

Die Deutsche Bahn will den Streik juristisch prüfen. Die Erfolgsaussichten schätzt das Unternehmen jedoch als gering ein. Man schaue sich "das natürlich auch von der juristischen Seite erneut an", sagte Personalvorstand Ulrich Weber. In der Vergangenheit hätten die Gerichte in aller Regel gegen den Arbeitgeber entschieden. Die Richter müssen in einem solchen Fall über die Verhältnismäßigkeit eines Streiks urteilen (mehr zu juristischen Fragen finden Sie hier).

Die Bahn will wie bei den vorherigen Streiks für die vier Tage Ersatzfahrpläne aufstellen. Sie strebt an, auf diese Weise wenigstens ein Drittel des normalen Zugangebots auf die Schiene zu bekommen. Auf ihrer Homepage informiert die Bahn über Ausfälle und Verspätungen.

Politiker reagieren gereizt

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die GDL ungewöhnlich scharf attackiert. Auch er forderte einen Schlichter. Der Wirtschaftsminister warf der GDL einen Missbrauch des Streikrechts vor. "Das Streikrecht wurde in den letzten 65 Jahren in Deutschland von den DGB-Gewerkschaften immer verantwortungsbewusst genutzt - und nur dann, wenn es um Arbeitnehmerinteressen ging", sagte er der Bild-Zeitung. "Die GDL hat sich von diesem Prinzip verabschiedet." Ein Schlichter müsse nun volkswirtschaftlichen Schaden vom Land abwenden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel appellierte an das Verantwortungsbewusstsein aller Parteien im Tarifstreit. Es müssten Lösungen gefunden werden, "die auch für uns als Land einen möglichst geringen Schaden haben", sagte sie. "Streiks sind eine Möglichkeit der tariflichen Auseinandersetzung, sie haben aber immer die Verantwortung auch verhältnismäßig zu sein." Merkel betonte, dass ein Streik bei der Bahn Millionen Bürger und auch die Wirtschaft treffe. "Es gibt eine Gesamtverantwortung", sagte die Kanzlerin.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die Bahn aufgefordert, gegen den Streik vor Gericht zu ziehen. "Eine Klage wegen Unverhältnismäßigkeit des Streiks ist im Interesse der Bahnkunden, der Beschäftigten und der Aufrechterhaltung der Güterversorgung in Deutschland geboten", sagte Dobrindt. Der viertägige Streik sei unverhältnismäßig, die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber Tarifauseinandersetzungen werde deutlich überstrapaziert. "Die Deutsche Bahn muss ihre Rechtsposition wahrnehmen und alle Rechtsmittel ausschöpfen", sagte Dobrindt.

Schaden für die Wirtschaft

Der Lokführer-Streik betrifft nicht nur Bahnreisende und Pendler im Nahverkehr. Da auch der Güterverkehr bestreikt wird, könnten die Arbeitskämpfe auch die Wirtschaft spürbar treffen. Nach einer Schätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), über die das Handelsblatt berichtet, könnten die Schäden ab dem vierten Streiktag von einstelligen Millionenbeträgen schnell auf über 100 Millionen Euro täglich steigen. Bei Streiks mit einer Dauer von mehr als drei Tagen sei demnach mit Produktionsunterbrechungen in der Industrie zu rechnen. Besonders betroffen seien die Auto- und Chemiebranche sowie Betreiber von Kohlekraftwerken.

Viele Unternehmen leiten ihre Transporte auf die Straße um. Vor allem Autokonzerne hätten schon vor Wochen versucht, sich vorsorglich Transportkapazitäten bei Speditionen zu sichern, sagte ein Sprecher des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und Entsorgung. Die Zahl der Lkw in Deutschland sei jedoch begrenzt. Daher wichen einige Firmen auf osteuropäische Spediteure aus. Dort seien wegen der Sanktionen gegen Russland noch Kapazitäten frei. Täglich rollen alleine für die Automobilindustrie rund 200 Züge durch Deutschland.

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