Der Schock bei der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) nach dem Verbot ihres Lufthansa-Streiks sitzt tief. Und so tut die Gewerkschaft nun plötzlich das, wozu sie zuletzt nicht mehr bereit war: mit der Arbeitgeberseite verhandeln. VC bot Lufthansa am Donnerstag, und damit nur einen Tag nach dem für sie verheerenden Gerichtsurteil, Gespräche zum Thema Übergangsversorgung an. "Dieser Tarifvertrag hat für uns hohe Priorität und wir freuen und auf konstruktive Verhandlungen", sagte ein Sprecher. Lufthansa begrüßte den Vorstoß.
Zuletzt hatte die Auseinandersetzung geradezu groteske Züge angenommen: In vielen Fragen, um die es offiziell ging, hatten sich Lufthansa und VC in den vergangenen Monaten stark angenähert. Der neue Gehaltstarifvertrag ist praktisch unterschriftsreif, auch in Sache Übergangsversorgung hatten sich die beiden Seite angenähert. Und doch eskalierte die Sache immer mehr, weil die Piloten bei dem Thema, das nur inoffiziell auf der Tagesordnung stand, mit den Zugeständnissen von Lufthansa-Chef Carsten Spohr nicht zufrieden waren.
Nachdem das hessische Landesarbeitsgericht den Pilotenstreik für illegal erklärt hat, ist eine völlig neue Lage eingetreten und es ist deutlich spürbar, dass alle Beteiligten eine Pause zum Nachdenken brauchen. Klar ist, dass die Pilotengewerkschaft nun massiv geschwächt ist, mit dem Angebot, wieder zu verhandeln, scheint sich die von Lufthansa erhoffte Wende in dem Konflikt zu konkretisieren.
Kaum eine Handhabe, wenn das Management nicht von selbst einknickt
Die Vereinigung Cockpit hat sich jahrelang als einzige Mitarbeitervertretung nicht an Spar- und Effizienzprogrammen beteiligt, deren Notwendigkeit mittlerweile auch intern kaum mehr jemand bestreitet. Sie verweigerte sich beim noch von Spohr-Vorgänger Christoph Franz initiierten "Score"-Programm. Sie machte nicht bei "Jump" mit, einem Projekt, das nur einige wenige Langstreckenflugzeuge betraf. Und als sie im Juli plötzlich mit gut klingenden eigenen Vorschlägen kam, machte sie einen sofortigen Stopp für Eurowings zur Voraussetzung für weitere Verhandlungen, obwohl niemand im Ernst damit rechnen konnte, dass Spohr dies akzeptieren würde.

Pilotenstreik bei Lufthansa:Kurz Luft holen
Der Streik der Lufthansa-Piloten ist per Gerichtsbeschluss gestoppt worden. Für den Konzern und die Reisenden bedeutet das eine Atempause - viel mehr aber vermutlich nicht.
Doch der Glaube, aus einer Position der Stärke heraus zu agieren, hat sich als irrig erwiesen. Denn Spohr beschloss einfach Mitte 2014, mit Eurowings parallel zur Marke Lufthansa eine neue und deutlich günstigere Sparte hochzuziehen. Spätestens das Frankfurter Urteil vom Mittwoch hat noch einmal deutlich gemacht, dass es dagegen kaum eine Handhabe gibt, wenn das Management nicht von selbst einknickt.
In Kombination mit der Entscheidung Spohrs, Lufthansa, Lufthansa Cargo und Germanwings bis zu einem sinnvollen Kompromiss in Sachen Kosten im klassischen Geschäft schrumpfen zu lassen, ist dies aus Pilotensicht verheerend: Es wird immer weniger Jobs auf dem alten Gehalts- und Versorgungsniveau geben, die Karrierechancen gehen gegen null. Je weniger kompromissbereit ihre Unterhändler sein werden, desto schneller wird Eurowings wachsen.
Wenn es ganz dumm läuft, dann wird die VC sogar irgendwann kein Verhandlungsmandat mehr für die Piloten haben ( siehe unten). Angesichts der Niederlage vor Gericht und ihrer dramatischen Konsequenzen ist es nun eine der entscheidenden Fragen, wie sehr die Führung der VC und der Lufthansa-Konzerntarifkommission bei den eigenen Leuten unter Druck gerät. Seit Längerem gab es Spekulationen über schwindenden Rückhalt, doch bisher haben sich immer noch sehr viele Piloten den Streikaufrufen angeschlossen.
Zugeständnisse sollten den Streik verhindern, der jetzt rechtswidrig ist
Doch auch die Gegenseite hat zuletzt deutlich nachgegeben. So hat Lufthansa noch am Wochenende weitreichende Zugeständnisse angeboten, die die Wettbewerbsfähigkeit von Eurowings ernsthaft infrage stellen würden. So sollte die zu teuer fliegende Konzerntochter Germanwings, die eigentlich dichtgemacht werden soll, plötzlich doch mindestens 55 Flugzeuge behalten dürfen und das Jump-Projekt, mit dem ein Teil der eigentlich unökonomischen Airbus- A340-Langstreckenflotte noch ein paar Jahre weiterfliegen sollte, auf drei Maschinen reduziert werden.
Die Konzessionen waren dem Vernehmen nach intern heftig umstritten, denn sie dienten trotz inhaltlicher Bedenken lediglich dem Ziel, einen Streik zu verhindern, der nun sowieso als rechtswidrig erklärt worden ist. Wenn es bald wieder Verhandlungen geben sollte, dürfte es nicht ganz einfach sein, sich wieder hinter die einst gemachten Vorschläge zurückzuziehen.

Doch wenn Lufthansa ein Durchbruch bei Kosten und Effizienz gelingen soll, dürfte sie nicht nur nicht beim Thema Eurowings einknicken, sie müsste auch im Kerngeschäft auf weit gravierendere Einschnitte drängen, als dies ihre eigenen Kompromissvorschläge zulassen.