Finanzbranche:Wie Banken mit teuren Krediten Geld verdienen

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Die Targobank mit Sitz in Düsseldorf hat ein lukratives Geschäftsmodell. (Foto: Maja Hitij/dpa)
  • Ratenkredite und Restschuldversicherungen sind für Banken besonders lukrativ. Bei der Targobank werden diese besonders offensiv an den Kunden gebracht, berichten ehemalige Mitarbeiter.
  • Damit verdient das kleine Kreditinstitut überdurchschnittlich gut.
  • Die Targobank zeigt beispielhaft, in welche Fallen Kunden beim Bankbesuch immer noch tappen können, trotz strenger Regulierung und Verbraucherschutz.

Von Heinz-Roger Dohms, Meike Schreiber und Jan Willmroth, Frankfurt

Im März beginnt an den Standorten der Targobank immer eine hektische Zeit. Mehrere Wochen lang treten Mitarbeiterteams im "Targo-Versicherungswettbewerb" gegeneinander an, und die meisten Filialen nehmen teil. Die 15 besten Teams, die am meisten Versicherungsverträge verkauft haben, gewinnen eine Wochenendreise. Manche von ihnen, erzählt ein langjähriger ehemaliger Mitarbeiter der Bank, verkaufen während des Wettbewerbs mehr als zehnmal so viele Verträge wie an normalen Tagen.

Zur Belohnung fliegen die Sieger dann auf Kosten der Targo-Versicherung nach Mallorca oder nach Split oder für ein Wochenende nach Lappland. Der Wettbewerb sei vom Betriebsrat der Bank abgesegnet, die Teilnahme freiwillig, aber fast jeder mache mit. Und jeder wolle den Hauptpreis haben. "Das ist das Allerextremste", sagt er. "Manche verlieren völlig den Fokus vor lauter Verkaufswut." Er ist einer von zwei Ex-Mitarbeitern der Bank, die der SZ einen Einblick in die Gepflogenheiten der Targobank gegeben haben. Aus Sorge vor Nachteilen bei ihren neuen Arbeitgebern möchten sie anonym bleiben.

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Der Wettbewerb verrät viel über die Kultur der vergleichsweise kleinen Bank, die zu großen Teilen vom Geschäft mit Ratenkrediten lebt. Im Mittelpunkt steht der Vertrieb. Tag für Tag treiben Filialleiter und Bereichsleiter ihre Untergebenen dazu an, noch mehr zu verkaufen. "Wir Targobanker sind anders als andere Banker", schreibt jemand anonym auf einer jener Internet-Plattformen, auf denen Angestellte ihren Arbeitgeber bewerten: "Wir können verkaufen." Das sei leider alles, was dort zähle. Die Führungskräfte bezeichneten das als das "Targobank-Gen". Einer der Ex-Mitarbeiter sagt: "Wenn es nicht so viele Menschen gäbe, die nicht mit Geld umgehen können, dann ginge es der Targobank nicht so gut." Man presse sie aus wie Zitronen - immer weiter, bis nichts mehr herausfließt.

Eigentümerin des Instituts ist der französische Crédit Mutuel, eine Art Riesen-Volksbank. Sie kaufte 2008 der Citibank ihre deutsche Privatkundentochter ab und firmierte sie in Targobank um. Inzwischen herrscht bei der Bank mit Sitz in Düsseldorf ein Vertriebsdruck, wie bei kaum einer anderen Bank in Deutschland. Das legen die Berichte der Ex-Mitarbeiter und von Verbraucherschützern nahe, so lässt es sich auch aus den überdurchschnittlich guten Geschäftszahlen herleiten. Es ist, als hätte es die Finanz- und Vertrauenskrise und die damit einhergehende strenge Regulierung nie gegeben. Oder anders ausgedrückt: Die Targobank zeigt beispielhaft, in welche Fallen Kunden beim Bankbesuch immer noch tappen können, strenge Regulierung und Verbraucherschutz hin oder her.

Während die Branche klagt angesichts Regulierung, Nullzinsen und hartem Wettbewerb, erwirtschaftet das Geldhaus seit Jahren beständig eine Eigenkapitalrendite von um die 40 Prozent vor Steuern. Die Commerzbank kommt allenfalls auf eine niedrige einstellige Rendite; selbst die ING, die noch nicht einmal Filialen unterhält, erreichte zuletzt auf vergleichbarer Basis 17 Prozent. Die Zinsmarge - also das, was die Bank an der Kreditvergabe verdient im Verhältnis zu ihrer Bilanzsumme - lag im Jahr 2017 bei im Branchenvergleich unglaublichen sechs Prozent. Die Konkurrenz schaffte im Durchschnitt laut Bundesbank etwas mehr als ein Prozent. Wie macht die Targobank das?

"Kreditgeschäft: läuft!", heißt es im Jahresbericht 2018, den die Bank Ende April veröffentlicht hat. Der ausführliche Jahresabschluss ist noch nicht veröffentlicht. Dank einer "attraktiven Produktpalette" sei der Bereich Privatkunden auf Wachstumskurs. Vor allem bei den Ratenkrediten ging es weiter aufwärts: Da schaffte die Bank ein Plus von 8,6 Prozent auf 12,35 Milliarden Euro, ein neuer Rekord, schon wieder. Die Ratenkredite haben am Kreditvolumen einen Anteil von 84 Prozent.

An Ratenkrediten verdienen Banken ohnehin gut. Die Targobank aber holt alles raus: Einer der Ex-Mitarbeiter erzählt, dass Kreditkunden zum Beispiel mit günstigeren Zinskonditionen in neue Darlehen gelockt werden. "Viele leihen sich dann immer mehr und geraten in eine Schuldenspirale", sagt der Berater. Noch attraktiver wird das Geschäft, weil die Bank gleichzeitig Restschuldversicherungen verkauft, eine Produktklasse, die - wenn überhaupt - nur für einen winzigen Anteil der Kunden empfehlenswert ist. Mit ihnen sichert die Bank das Risiko ab, dass der Kunde etwa wegen eines Unfalls oder Jobverlusts seine Raten nicht mehr zahlen kann. "Mit Restschuldversicherungen wälzen Banken Kreditausfallrisiken auf ihre Kunden ab und lassen sich das auch noch von ihnen bezahlen", sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Eigentlich müssten sie aufgrund des geringeren Risikos weitaus günstigere Zinsen anbieten, so Nauhauser.

Verkaufen Banken Kredite und dazu Restschuldversicherungen, verdienen sie dreifach: Neben der Zinsmarge aus dem Ratenkredit erhalten sie noch eine Provision für den Verkauf der Versicherung - und eine Zinsmarge aus der finanzierten Versicherungsprämie, die oft mit geliehenem Geld und auf einmal bezahlt wird.

Frühere Mitarbeiter der Bank sagen, die Versicherungen würden Kunden oft als alternativlos dargestellt, als Bestandteil des Kredits. Die "Bürgerbewegung Finanzwende", eine Initiative des früheren grünen Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick, bestätigt das. Sie hat im November und Dezember stichprobenartig die Beratungsqualität von Banken untersucht. Von zehn Terminen bei der Targobank hat sie in acht Fällen Kreditangebote erhalten. Bei allen acht Tests, schreiben die Experten, habe in mindestens einem der Angebote der Effektivzins inklusive Restschuldversicherung 100 Prozent über dem von der Bundesbank errechneten Marktzins gelegen. Ein weiteres Problem: Wie kreditwürdig die Testkunden waren, hat die Bank Schick zufolge nur oberflächlich geprüft. "So kann man sehr schnell den Eindruck gewinnen, dass notfalls die finanzielle Überforderung in Kauf genommen wird, Hauptsache die Gesamtrendite stimmt", sagt Schick. "Das ist meines Erachtens ein unanständiges Geschäftsmodell."

Die Bundesregierung berät diese Woche über eine Deckelung der Provisionen

Zugute kommt den Banken dabei, dass sie die Kosten für die Versicherung nicht zwingend in den Kreditzins einberechnen müssen: Sie sagen, die Versicherung sei ein separat und freiwillig abgeschlossener Vertrag. In vielen Fällen, so fand die Bafin vor bald drei Jahren heraus, kassieren Banken 50 Prozent der Versicherungsprämie als Provision, in manchen sogar bis zu 70 Prozent. Damit soll nach dem Willen der Bundesregierung bald Schluss sein. In dieser Woche soll nach SZ-Informationen ein Referentenentwurf für einen Provisionsdeckel bei Lebens- und Restschuldversicherungen im Kabinett beraten werden. Der Entwurf sieht vor, dass Banken und Kreditvermittler künftig nur noch 2,5 Prozent des Darlehens als Provision kassieren dürfen, wenn sie Restschuldversicherungen verkaufen. Provisionsexzesse wären damit nicht mehr möglich.

Der Entwurf enthält allerdings eine Lücke: Verzichten die Versicherer ganz auf eine Provision, dürfen sie die Banken laut Entwurf anderweitig für deren Vertrieb bezahlen. Transparent ist das nicht. Ohnehin: In einer Stellungnahme des Verbraucherzentrale Bundesverbandes heißt es, die Initiative zum Abschluss einer Restschuldversicherung gehe "grundsätzlich nicht vom Kunden aus". Die Forderung der Verbraucherschützer, den Verkauf von Krediten und Versicherungen zeitlich zu entkoppeln, so wie in Großbritannien, bleibt unberücksichtigt.

Die Targobank sagt zur Kritik an ihrem Geschäftsmodell, die Genehmigung eines Darlehens "sei völlig unabhängig" von dem Abschluss einer Kreditlebensversicherung. Diese Form der freiwilligen Absicherung werde von vielen Kunden gewünscht. Darüber hinaus vergebe man Kredite "nur an Kunden, bei denen wir zum Zeitpunkt der Kreditbeantragung sicher sind, dass sie den Kredit zurückzahlen können". Die Targobank bestätigt zudem das Anreizsystem für die Mitarbeiter, bezeichnet es aber als "völlig übliches und unverwerfliches Mittel der Mitarbeiter-Motivation".

Einer der ehemaligen Berater sieht das anders. "Man vergisst, dass man es mit Menschen zu tun hat. Man erfüllt einfach Vertriebsziele", sagt er. Die Bank wird daher wohl einen Weg finden, ihre Ergebnisse zu steigern und weiterhin "zu den erfolgreichsten Banken in Deutschland" zu gehören, wie es Vorstandschef Pascal Laugel im Geschäftsbericht formuliert. Die Gesetzesnovelle jedenfalls dürfte der Bank nicht wirklich weh tun.

© SZ vom 03.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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