Energiepolitik:Spritpreis-Entlastung ist das falsche Signal

Energiepolitik: Die Spritpreise dürften bald wieder runtergehen - und damit bleibt alles beim Alten.

Die Spritpreise dürften bald wieder runtergehen - und damit bleibt alles beim Alten.

(Foto: Wolfgang Maria Weber/Imago)

Weniger Steuern auf Benzin und Diesel: Die Ampelkoalition verpasst mit ihrem Entlastungspaket die Gelegenheit zum Energiesparen. Ein Tempolimit wäre die richtige Maßnahme gewesen.

Kommentar von Max Hägler

Wenn von einer "langen Nachtsitzung" die Rede ist, dann stecken darin verschiedene Botschaften. Mitunter sind die Standpunkte der Diskutanten so verschieden, dass es der Kraft der Müdigkeit bedurfte, um zu einer Einigung zu finden. Doch schwingt auch immer mit: Schaut, wir sind an Grenzen gegangen - und jetzt kommt das bestmögliche Ergebnis. Die fahle Gesichtsfarbe möge Zeuge sein. Oder überdecken, dass es halt doch ein schiefer Kompromiss ist.

In dieser Woche war dies zu beobachten bei der Diskussion um die Energiepreise. Wie sehr die gestiegen sind, kann jeder live an den Tankstellensäulen sehen und demnächst auf der Strom- und Heizrechnung zu Hause. In einer - genau - Nachtsitzung diskutierten SPD, Grüne und FDP deshalb ein Entlastungspaket, um Menschen und Wirtschaft vor allzu hohen finanziellen Belastungen zu schützen. Herausgekommen ist ein Programm, das für jeden etwas bietet. Aber das gerade beim momentan größten Aufreger, dem Spritpreis und der Mobilität, eben nicht das bestmögliche Ergebnis ist. Denn das Programm subventioniert manchen Unsinn weiter, anstatt endlich einmal zum Sparen anzuregen.

Der vermeintliche Gewinn für alle Bürger relativiert sich schnell

Auch wenn die Koalitionäre zu verschämt sind, das so zu nennen: Für die 50 Millionen Autofahrer in Deutschland wird ein befristeter Tankrabatt eingeführt. Die Regierung will die Energiesteuer auf Kraftstoffe senken, für Diesel um 14 Cent je Liter, für Benzin um 30 Cent. Das lässt nicht nur außer Acht, dass der derzeitige Aufschlag an den Tankstellen vor allem eine Gewinnmitnahme der Mineralölkonzerne ist - immerhin will die Regierung diese Unternehmen künftig genauer in den Blick nehmen. Auch der hübsche Vorteil für alle Bürger relativiert sich bei genauerem Hinschauen schnell: Es profitieren natürlich jene am meisten, die viel fahren (müssen), aber auch jene, die schnell oder sehr schnell fahren, zumal mit großen und schweren Fahrzeugen.

Gerade der Zusammenhang zwischen Tempo und Verbrauch ist eigentlich offensichtlich. Jeder kann ihn im eigenen Wagen auf dem Display sehen. Um es ins Extrem zu treiben: Wer mit 200 dahinrast, verbraucht durchschnittlich doppelt so viel Sprit wie derjenige, der 130 fährt.

Und doch hat sich die Regierung nicht durchringen können zu einer Maßnahme, die in diesen Krisenzeiten die meisten Deutschen verstehen würden, bis auf jene die ekelhaft fahren: ein Tempolimit für ein paar Monate, um Sprit zu sparen und das Klima zu schonen. Ein Symbol vielleicht, schließlich kann ja jeder selbst vom Gas gehen und sparen. Aber Symbole sind wichtig, um etwas Großes anzustoßen, das weiß eigentlich jeder, der mit Nachtsitzungen Politik macht. Doch stattdessen eben die Steuersenkung, die zudem eine andere gute Idee desavouiert. Die Ampelkoalition hat in der Nacht auch ein Öffi-Ticket für alle beschlossen: neun Euro pro Monat. Das hätte einige zum Umstieg auf Bus und Bahn bewegen können - aber nicht, wenn sich beim Autofahren eh nichts ändert.

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