Tankflugzeug-Auftrag für EADS:Transatlantische Muskelspiele

Der US-Kongress rechnete - und plötzlich war das Angebot des US-Konkurrenten Boeing doch günstiger als das von EADS. Washington jubelt - und EADS macht den geplanten Bau eines US-Werks jetzt vom Zuschlag für die Tankflugzeuge abhängig.

Michael Kläsgen

Das Bieterverfahren um den fast 40-Milliarden-Dollar-Auftrag der amerikanischen Luftwaffe für 179 neue Tankflugzeuge wird neu aufgerollt. "Die Soap Opera um die Tankflugzeuge wird 2009 eine Neuauflage sehen", heißt es in einem Vermerk der Morgan-Stanley-Analystin Heidi Wood an Investoren.

Tankflugzeug-Auftrag für EADS: Fehler bei der Auftragsvergabe könnten dazu führen, dass das ganze Verfahren noch einmal neu aufgerollt wird. EADS will sich in jedem Fall an einer neuen Ausschreibung beteiligen.

Fehler bei der Auftragsvergabe könnten dazu führen, dass das ganze Verfahren noch einmal neu aufgerollt wird. EADS will sich in jedem Fall an einer neuen Ausschreibung beteiligen.

(Foto: Foto: AP)

Schwere Niederlage für EADS

Für den europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS und seinen US-Partner Northrop Grumman ist das eine schwere Niederlage. EADS hatte den Zuschlag im Februar als "Jahrhundertauftrag" gefeiert. Seit 2003 hatte der Konzern darum gerungen.

Doch die Rechenschaftsbehörde des amerikanischen Kongresses (GAO) befand am Mittwochabend, dass bei der Auftragsvergabe sieben Fehler begangen worden seien. Umgerechnet auf die gesamte Vertragsdauer sei das Angebot des US-Konkurrenten Boeing doch günstiger als das von EADS, lautete das Fazit. Northrop hatte vorher schon "kleinere Rechenfehler" bei den Betriebskosten eingeräumt. Das politische Washington jubelte. Der Auftrag geht damit zwar nicht automatisch an Boeing, aber das Verfahren ist wieder offen.

Die US-Airforce hat keine andere Wahl

"Das Ganze muss noch mal überarbeitet werden", sagt Loren Thompson, Verteidigungsexperte des Lexington Instituts. Boeing sei rehabilitiert. Mit der Einschätzung steht er nicht allein: "Selbst wenn die Beschlüsse der GAO nicht bindend sind und nur empfehlenden Charakter haben, schätzen wir, dass die US Air Force wegen des Wahlkampfs keine andere Alternative haben wird, als den Vertrag zu annullieren", schreibt Yan Derocles, Analyst des französischen Brokerhauses Oddo Securities, in einer Vorlage an Investoren.

Tatsächlich erwies sich in der Vergangenheit, dass die US-Regierungen den Empfehlungen der GAO in aller Regel folgten, schrieben die Analysten von ABN Amro. Erschwerend kommt der Umstand hinzu, dass 2009 in den USA eine neue Regierung im Amt sein wird. Wer dann regieren wird, ist genauso offen wie die Frage, wie sich die neue US-Administration in der Tanker-Frage verhalten wird. Nur so viel dürfte feststehen: Der politische Druck auf die Entscheidungsträger seitens der Industrie wird bis zur Wahl zunehmen.

Die US-Luftwaffe hat 60 Tage Zeit, sich ihr weiteres Vorgehen zu überlegen. Tatsächlich aber rechnen Experten, dass sich der Prozess nun Monate, wenn nicht Jahre hinziehen wird. Den größten Druck hat das Pentagon selbst. Denn das Durchschnittsalter ihrer Tanker-Flotte liegt bei 47 Jahren.

EADS will sich beteiligen

An diese Flugzeuge können sich zum Beispiel Kampfjets zum Betanken in der Luft andocken. Bis zuletzt hat die Air Force deutlich gemacht, den EADS-Tanker zu bevorzugen. Dieser auf dem Airbus A330 basierende Tanker soll größer als die Abwandlung der Boeing 767 sein und mehr Treibstoff sowie Passagiere transportieren können.

Boeing begrüßte in einer kurzen Mitteilung den GAO-Beschluss. EADS-Chef Louis Gallois gab sich tapfer: "Wenn es eine neue Ausschreibung gibt, werden wir uns daran beteiligen", sagte er, so als sei die neue Ausschreibung schon beschlossene Sache.

Gallois lobte die bessere "Qualität" des EADS-Angebots und wies darauf hin, dass die GAO kein Urteil über eines der beiden Angebote gefällt, sondern Rechenfehler moniert habe. Auch die Bundesregierung zeigte sich optimistisch, dass EADS den Tankflugzeug-Auftrag behält. Man setze auf ein faires Verfahren in den USA.

Mehr Arbeitsplätze

Hinter den Kulissen hat das Kräftemessen der Konkurrenten derweil begonnen. EADS hatte stets darauf hingewiesen und betonte nun noch einmal, den Bau der Endmontagelinie in Mobile, Alabama, vom Tankerzuschlag abhängig zu machen. Die Zeremonie für die Grundsteinlegung des Werks war ursprünglich für Ende dieses Monats vorgesehen. EADS versandte dafür bereits Einladungen, wie ein Sprecher in den USA bestätigte. Vermutlich wird die Party nun vertagt werden müssen.

Auch darüber, wer mehr Arbeitsplätze schaffen werde, stritten EADS und Boeing bereits. EADS und Northrop kommen auf 48000 neue Jobs in den USA und damit auf 4000 mehr, als wenn Boeing den Zuschlag erhielte. Aber auch dort, so könnte der US-Rivale herausfinden, liegt vielleicht ein Rechenfehler vor.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: