Süddeutsche Zeitung

Tanken:Benzinpreise könnten steigen wie lange nicht mehr

  • Auf Autofahrer kommen sehr wahrscheinlich höhere Kosten zu: Die Öl- und Spritpreise könnten so deutlich steigen wie lange nicht mehr.
  • Grund sind die anstehenden weiteren Sanktionen der USA gegen Iran, die den Ölmarkt empfindlich treffen dürften.
  • Schon jetzt überprüfen viele Kunden die Benzinpreise über Apps - doch seit das möglich ist, ändern Tankstellen auch noch öfter ihre Preise.

Von Caspar Busse und Jan Willmroth

Die Botschaft der US-Regierung ist unmissverständlich: Noch knapp drei Monate bleiben Zeit, dann werden weitere Sanktionen gegen Iran in Kraft treten - mit Folgen für die ganze Welt. Ziel sei, das gaben Vertreter des Außenministeriums in Washington wiederholt zu Protokoll, die iranischen Öl-Exporte auf null zu senken. Kein Zweifel: Die Sanktionen würden den Markt für den wichtigsten Energierohstoff empfindlich treffen - offen ist allenfalls, wie schnell und in welchem Ausmaß. Viel hängt zudem davon ab, ob Iran seine Drohung wahr macht und die Straße von Hormus blockiert, die wichtigste Meerenge für den Öltransport auf See.

Auf Deutschlands Autofahrer und auf die Wirtschaft kommt damit für den Rest des Jahres ein kaum kalkulierbares Kostenrisiko zu. Die Öl- und Spritpreise könnten steigen, womöglich so deutlich, wie lange nicht mehr. Schon jetzt geht es nach oben. Der Preis für ein Fass (159 Liter) der wichtigen Nordseesorte Brent ist binnen Jahresfrist um etwa 40 Prozent gestiegen. "Wir steuern auf einen sehr, sehr angespannten Ölmarkt zu", sagt Michele Della Vigna, Chefanalyst für den Energiesektor der US-Investmentbank Goldman Sachs. Die Gefahr kurzfristig steigender Preise ist so hoch wie seit Jahren nicht mehr.

Große Förderländer wie Saudi-Arabien und Russland produzieren bereits nahe am Rekordniveau, sie könnten einen Ausfall Irans also kaum ausgleichen. Die hohe Unsicherheit trifft damit auf einen ohnehin strapazierten Ölmarkt. Eineinhalb Jahre lang hatte das Ölkartell Opec zusammen mit zehn anderen Petrostaaten die Ölproduktion drastisch gekürzt, um die Preise zu stabilisieren. Durch unerwartete Ausfälle wurden die Kürzungen übererfüllt, die gute Weltkonjunktur treibt die Nachfrage an. Die Autofahrer in Deutschland bekommen das längst zu spüren. Seit dem Frühjahr sind die Spritpreise nach Angaben des ADAC deutlich gestiegen. Lag der Preis für einen Liter Benzin im März noch unter 1,30 Euro, muss jetzt 1,47 Euro oder mehr bezahlt werden.

Da tröstet wenig, dass die Autofahrer die Preisentwicklung an den Zapfsäulen inzwischen per Smartphone minutengenau verfolgen können. Seit 2013 müssen die Tankstellenbetreiber auf Druck des Bundeskartellamts jede Preisänderung innerhalb von fünf Minuten an eine sogenannte Markttransparenzzentrale für Kraftstoffe melden. Diese leitet die Informationen an die Betreiber von Infodiensten wie clever-tanken.de oder ADAC- Spritpreise weiter. Der Spritmarkt, so viel steht fest, ist dadurch transparenter geworden: "Die Signale deuten darauf hin, dass durch die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe der Wettbewerb gefördert wird", teilte nun das Bundeswirtschaftsministerium mit und empfiehlt, die Preisüberwachung fortzuführen. Die Verbraucher könnten so gezielt dort tanken, wo es günstiger ist. Außerdem seien, anders als früher, "keine wesentlichen Anhebungen der Preisniveaus zu Ferienzeiten" mehr zu beobachten, notierte das Ministerium in einem Bericht für den Bundestag.

Über den Tag hinweg werden nun immer öfter die Preise geändert

"Rund ein Drittel der Autofahrer hat schon einmal eine Preis-App genutzt", sagt Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts. Die Bereitschaft der Kunden, auf Preise zu reagieren und die Tankstelle zu wechseln, sei auf einem hohen Niveau. "Je mehr Autofahrer die App nutzen und die Preisunterschiede ausnutzen, desto mehr erhöht sich auch der Druck auf die Anbieter, darauf zu reagieren", sagt Mundt. Aber die Sache hat eine Kehrseite: Über den Tag hinweg werden nun immer öfter und mehrmals die Preise geändert. Insbesondere am späteren Abend, wenn Autofahrer dringend tanken müssen und weniger Stationen als tagsüber geöffnet haben, aber auch mittags steigen die Spritpreise um teilweise mehr als zehn Cent je Liter. Laut ADAC tankt man zwischen 15 und 17 Uhr sowie zwischen 19 und 22 Uhr am günstigsten.

Hier zeigt sich die Schattenseite der Transparenz. Gerade die großen Tankstellenbetreiber können die Preise mit Algorithmen nun besser steuern und den Autofahrern so das Maximale abnehmen. Dabei hilft ihnen, dass der deutsche Markt von wenigen Anbietern dominiert wird: Die britische BP mit ihrer Marke Aral, Royal Dutch Shell, die Jet-Tankstellen des US-Konzerns Conoco Phillips, der französische Total-Konzern sowie Exxon Mobil mit Esso erreichen zusammen einen Marktanteil von mehr als zwei Dritteln.

Allerdings haben die großen Ölkonzerne die schwierigste Zeit seit vielen Jahren hinter sich. Im Sommer 2014, als ein Fass Rohöl (159 Liter) etwa 115 Dollar kostete, stürzten die Ölpreise regelrecht ab - Grund waren ein anhaltendes Überangebot und eine schwache Nachfrage. Zeitweise fiel damals der Preis auf unter 30 Dollar je Fass. Doch längst sind wieder gute Zeiten für die Firmen angebrochen. Nach jahrelangem Sparkurs veröffentlichen sie inzwischen wieder satte Gewinne.

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SZ vom 14.08.2018/vit
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