Tank & Rast:Die Rastplätze und die Heuschrecken

Benzinpreise

Tank & Rast ist zum Spielball von Finanzinvestoren geworden.

(Foto: Christian Charisius/dpa)
  • Seit die Autobahn-Raststätten des Unternehmens Tank & Rast privatisiert wurden, werden sie von einem Finanzinvestor zum nächsten gereicht.
  • Die Privatunternehmer hinterlassen Schulden, das drückt auf die Löhne.
  • Tank & Rast rettet nur, dass die Autohöfe keine Konkurrenten haben.

Von Karl-Heinz Büschemann

Der Hamburger-Brater McDonald's kann es kaum erwarten, endlich den Konkurrenten Burger King auf der Autobahn einzuholen. Stolz meldet die Deutschland-Tochter des US-Konzerns, sie werde demnächst an ungefähr 100 Autobahnraststätten zwischen Rostock und Rosenheim vertreten sein. Heute ist McDonald's dort nur zwölfmal vertreten, und der Konkurrent Burger King ist der Marktführer am Fernstraßenrand. Noch. "Die Autobahnraststätten sind ein hochattraktives Geschäft", sagt ein McDonalds-Sprecher zum bislang größten Expansionsprogramm des Unternehmens in Deutschland.

Gerade zeigt es sich wieder im sommerlichen Reiseverkehr. Die Fahrzeugschlangen vor den Tanksäulen an den Autobahnen sind lang, die Parkplätze besetzt, die Restaurants gut besucht. Das Geschäft scheint zu brummen, und trotzdem ist das Unternehmen Tank & Rast (T & R), das an den deutschen Autobahnen die meisten Tank- und Raststätten betreibt, ein Krisenfall. T & R ist überschuldet. Es ist eine Unternehmensgeschichte, wie sie merkwürdiger kaum sein kann. Ein Fast-Monopol, das eine Goldgrube sein könnte und dennoch am Rande des Abgrunds steht.

Raststätte Lichtendorf Nord und Süd an der Autobahn A1 Lenkzeiten LKW Parkplatz Schwerte Ruhrgeb

Teurer Stopp: An der Autobahn - hier der A1 - kosten Benzin und Kaffee mehr als abseits der Rennstrecken.

(Foto: Hans Blossey/imago)

Seit der Privatisierung 1998 kommt das ehemalige Staatsunternehmen nicht zur Ruhe. Immer wieder wurde die Firma, die 390 Raststätten, 350 Tankstellen und 50 Hotels an Autobahnen betreibt, weitergereicht, von einem Finanzinvestor zum nächsten. So auch jetzt: Der Allianz-Konzern wird über seine Finanztochter Allianz Capital Partners (ACP) demnächst die Hälfte der Raststättenkette übernehmen, die anderen 50 Prozent gehen an drei weitere Investmentfirmen. In Finanzkreisen wird ein Kaufpreis von 3,5 Milliarden Euro genannt. Viel Geld für ein Unternehmen, dass bei gut 500 Millionen Euro Umsatz hohe Verluste macht.

Es zeigt aber auch, dass rund um T & R eine wilde Blasenwirtschaft entstanden ist. Und der Staat selbst hat dazu beigetragen.

Die erste "Heuschrecke" kam 2004

Der deutsche Steuerzahler hat 1998 für T & R von privaten Investoren, darunter die Allianz und die Lufthansa, rund 600 Millionen Euro bekommen. Offizieller Verkäufer war das Verkehrsministerium unter seinem damaligen Chef Franz Müntefering (SPD), der für clevere Finanzinvestoren den Begriff "Heuschrecken" prägte. Einem dieser Aggressiv-Investoren, die Unternehmen auf Pump kaufen, ihnen dann die Schulden aufhalsen und sich nach kurzer Zeit mit stattlichem Gewinn aus dem Staub machen, fiel T & R 2004 in die Hände: dem Briten Guy Hands und seiner Gesellschaft Terra Firma. Hands zahlte für die Raststättenfirma 1,1 Milliarden Euro, zum beachtlichen Teil mit Schulden. Der Kaufpreis war fast doppelt so hoch wie der Erlös, den Müntefering sechs Jahre zuvor erzielt hatte. Guy Hands ließ sich noch eine üppige Dividende mithilfe von Krediten bezahlen, die T & R zu tragen hatte, und nach zwei Jahren hatte der clevere Brite sein investiertes eigenes Kapital von 300 Millionen wieder zurück.

Im Jahr 2007 verkaufte Guy Hands die Hälfte seiner Beteiligung an eine Finanz-Gruppe um die Deutsche Bank. Da wurde die Firma schon mit über zwei Milliarden Euro bewertet, und noch vor dem Jahresende 2015 werden die Allianz und Konsorten Guy Hands das Dreifache von dem zahlen, was er selbst für T & R berappt hat. Es wird das Sechsfache dessen sein, was der Staat vor 17 Jahren für T & R bekommen hatte; eine üppige Wertsteigerung für ein Unternehmen, das von Schulden in Höhe von über zwei Milliarden erdrückt wird.

Der letzte komplette Jahresabschluss, den der verschwiegene Bonner Raststättenbetreiber veröffentlichen musste, ist der von 2013. Er weist bei 481 Millionen Euro Umsatz einen Verlust von 116 Millionen Euro aus. Die Zinsen sind fast so hoch wie die Hälfte des Umsatzes und machen jeden Gewinn unmöglich. Eigenkapital? Nicht vorhanden. Dafür hohe Schulden. Eine Horrorbilanz. Fragen der Süddeutschen Zeitung nach den Verlusten von 2014 beantwortete T & R nicht. Überschuldung ist oft der Grund für eine Insolvenz.

Die Firma überlebt nur, weil das Geschäft langfristig abgesichert ist

Die Firma kann nur überleben, weil die Geschäfte an der Autobahn so bequem und weil sie langfristig abgesichert sind. Autobahn-Raststätten müssen keine Konkurrenten fürchten, und die Verträge von T & R mit dem Staat haben lange Laufzeiten, die einen bequem planbaren Cash-flow erlauben. Die zuständigen Straßenbauverwaltungen haben mit T & R seit 1998 Verträge abgeschlossen, die eine Laufzeit bis zu 40 Jahren haben, plus zweimalige Verlängerungsoption von fünf Jahren.

Insolvenzexperten nennen so etwas eine "günstige Fortführungsprognose", sodass der Gang zum Insolvenzrichter vermieden werden kann. Der Staat macht es möglich, dass Finanzinvestoren dicke Gewinne abziehen und T & R in einem Maße mit Schulden befrachten können, das normale Unternehmen in die Pleite treiben würde.

Den Preis zahlen die Autofahrer, die an der Autobahn für den Liter Sprit mehr zahlen als an normalen Tankstellen. Auch die Preise für Kaffee oder Mahlzeiten sind gepfeffert. Autoreisende verbringen immer weniger Zeit in den Raststätten. Karl-H. Rolfes, der Chef von T & R, räumte im vergangenen Jahr ein, dass sie heute nur noch durchschnittlich 13 bis 15 Minuten bleiben. "Damit hat sich die Aufenthaltsdauer in den letzten 15 Jahren fast halbiert." Aber die Zahl der Gäste steige, sagte Rolfes. "Es werden nur schnell die nötigsten Bedürfnisse bedient: essen, trinken, auf Toilette gehen."

Druck auf die Löhne

Auch die Mitarbeiter bekommen zu spüren, dass ihr Arbeitgeber weit mehr verdienen muss als die Gewinnspanne für Benzin oder Buletten. Tim Lubecki von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) hat die Geschäfte von T & R in Augsburg beobachtet, wo die Gesellschaft zwei der wenigen Raststätten selbst betreibt, die sie nicht verpachtet hat. Dort beklagen die Beschäftigten einen ständigem Druck auf die Löhne. Noch 2006 habe T & R bei Neueinstellungen die Tarife des Gaststätten- und Hotelgewerbes bezahlt, sagt Lubecki. Mitarbeiter aus diesen Zeiten verdienen heute pro Stunde etwa zwölf Euro. Wer heute bei T & R anfängt, bekommt manchmal nur noch einen Cent mehr als den gesetzlichen Mindestlohn: 8,51 Euro.

Vor allem seit Guy Hands an den Autobahnen die Heuschrecken-Wirtschaft eröffnet hat, müssten die Partner von T & R zunehmend bluten. "Die Privatisierung ist eine Katastrophe für Pächter und Beschäftigte", sagt Lubecki. Der Gewerkschafter befürchtet, dass der Kostendruck bei T & R die Löhne noch weiter nach unten treibt. "Der Druck auf die Beschäftigen wird weiter wachsen." Schon zuletzt seien Pachten drastisch erhöht worden, berichten Unternehmenskenner. Vielen Betreibern seien die Verträge gekündigt worden. Pächter, die eine gut gehende Rastanlage unter Vertrag haben, würden von T & R gezwungen, auch noch eine weniger gut laufende hinzuzunehmen, heißt es.

Mitarbeiter und Pächter, aber auch die Aktionäre und Lebensversicherungskunden der Allianz fragen sich, warum sich der Finanzkonzern bei T & R noch eine Rendite erhofft. Eine Sprecherin von Allianz Capital Partners erklärt, man sei nicht mehr wie früher an kurzfristigen Engagements interessiert. ACP investiere langfristig und habe einen Planungshorizont von mehreren Jahrzehnten.

Die wird die Allianz brauchen, um an T & R verdienen zu können.

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