Talente: George Osborne (21):Sozial, liberal, konservativ

Tory-Jungstar George Osborne ist in der eigenen Partei umstritten. Trotzdem könnte er bald britischer Finanzminister werden.

Andreas Oldag

Wenn sich zwei machthungrige Politiker als Traum-Duo loben, hat das mit der Realität meistens nur wenig zu tun. Jahrelang verbreitete das Gespann Tony Blair und Gordon Brown in Großbritannien den Eindruck, dass nichts sie trennen könne. Heute ist der ehemalige Finanzminister und amtierende Premier Gordon Brown froh, dass er Blair los ist.

Talente: George Osborne (21): George Osborne beim Parteitag der Tories in Blackpool im vergangenen Oktober: Von Steuersenkungen, die er damals forderte, will er jetzt nichts mehr wissen - so brüskiert er die Traditionalisten in der ehemaligen Thatcher-Partei.

George Osborne beim Parteitag der Tories in Blackpool im vergangenen Oktober: Von Steuersenkungen, die er damals forderte, will er jetzt nichts mehr wissen - so brüskiert er die Traditionalisten in der ehemaligen Thatcher-Partei.

(Foto: Foto: Getty)

Nun versuchen die jungen konservativen Oppositionspolitiker George Osborne und David Cameron eine Neuauflage einer solchen Kameraderie. Er verstehe sich bestens mit seinem Parteichef, behauptet Osborne, der Wirtschaftsexperte der Konservativen ist. Und er macht auch keinen Hehl daraus, dass er unter einem möglichen Premierminister Cameron als Finanzminister den Kurs der zweitgrößten europäischen Ökonomie bestimmen möchte.

Jungstar in der britischen Politik

Das zeugt für einen 37-Jährigen nicht gerade von Bescheidenheit. Kein Zufall, dass der Jungstar in der britischen Politik nicht nur von der regierenden Labour-Partei misstrauisch beäugt wird. Schließlich wirken Brown und sein Finanzminister Alistair Darling gegenüber dem ehrgeizigen Herausforderer wie zwei müde Polit-Opas. Aber auch im eigenen Lager sorgt Osborne für Wirbel. Die Tory-Granden, die sich noch immer am liebsten in Londoner Herrenklubs treffen und alten, glorreichen Zeiten nachtrauern, können nur schwer verwinden, dass der schneidige Aufsteiger einige ihrer heiligen Kühe geschlachtet hat.

Dazu zählt vor allem das seit Zeiten der eisernen Lady Margaret Thatcher geprägte Dogma, dass eine konservative britische Regierung kräftig die Steuern senken müsse. Mit ihm sei das nicht zu machen, stellt Osborne klar. Wie ein besserwisserischer Klassenprimus drängelt er sich auf den Oppositionsbänken im britischen Unterhaus nach vorn. Virtuos nutzt er die Medien, um den Bürgern zwischen Southampton und Inverness deutlich zu machen, dass Steuersenkungen nicht die Priorität einer künftigen Regierung sein werden.

"Die Tories werden sich nicht dazu hergeben, in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten verantwortungslos öffentliche Ausgaben zusammenzustreichen", erklärte Osborne vor kurzem in einem Interview der linksliberalen Tageszeitung Guardian. Damit hat er sein Credo für eine aktive, antizyklische Wirtschaftspolitik deutlich gemacht. Er sei ein "Sozial-Liberaler", bekannte er. Das wäre zu Zeiten Thatchers und ebenso ihres blassen Nachfolgers John Major noch als Art Hochverrat gegenüber den konservativen Idealen gewertet worden. Doch die Zeiten haben sich geändert.

Osborne setzt auf einen pragmatischen wirtschaftspolitischen Kurs. Großbritannien steht nach langen Jahren des Aufschwungs vor einer Rezession. Die Kredit- und Finanzkrise hat den Immobilienmarkt einbrechen lassen. Britische Großbanken, die noch vor kurzem als uneinnehmbare Festungen galten, werden zu Übernahmekandidaten, wie das Beispiel HBOS zeigt.

Projekt "New Tories"

Osborne hält nicht viel davon, wenn dem Staat durch übereilte Steuersenkungen der wirtschaftliche Handlungsspielraum genommen wird. Insofern unterscheidet er sich nur wenig von seinem Gegenspieler Darling. Diesem zollte er sogar Respekt, als der Labour-Politiker vor kurzem von der schwierigsten wirtschaftlichen Lage seit 60 Jahren sprach. Gleichwohl wirft Osborne der Regierung vor, die Staatsausgaben über alle Maßen aufgebläht zu haben.

Das Projekt "New Tories", für das Osborne steht, sieht dagegen eine effizientere Ausgabenpolitik vor. Für eine teure und schwerfällige Bürokratie, etwa beim maroden staatlichen Gesundheitssystem NHS, soll kein Platz mehr sein. Auf der Basis einer "soliden Haushaltspolitik" sollen mehr Mittel für die Bildung bereitgestellt werden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Osborne eigentlich nicht George, sondern Gideon heißt.

Sozial, liberal, konservativ

Beherzt setzt sich Osborne als Vorkämpfer für mehr soziale Gerechtigkeit in Szene und wirft Labour vor, zu wenig gegen die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich getan zu haben. Was er nun allerdings konkret anders machen will, bleibt im Nebulösen. Kritiker aus der eigenen Partei werfen ihm denn auch vor, sich vor allem mit politischen Schnellrezepten zu profilieren, denen es an Substanz fehle.

So machte sich Osborne nicht gerade beliebt auf der Insel, als er im vergangenen Jahr unter dem Schlagwort "grüner Himmel" eine Erhöhung der Flugsteuer forderte. Damit entfachte er prompt einen Proteststurm unter den reisefreudigen Briten. Schnell rückte Osborne von seinem Plan ab, an den er heute am liebsten nicht mehr erinnert werden will. Vieles an seinen steuerpolitischen Ideen sei Stückwerk, mäkelte der konservative Daily Telegraph.

Umbenennung in der Elite-Schule

Das alles konnte Osborne allerdings nicht bremsen. Ehemalige Klassenkameraden erzählen, dass sich der junge George in der Londoner Jungen-Eliteschule St. Paul's stets als einer der Besten gefühlt habe. Dies war auch die Zeit, als sich der Teenager, der eigentlich den Taufnamen Gideon trug, kurzerhand in George umbenannte. Ihm habe Gideon einfach nicht gefallen, erzählte er später. Als Sohn eines Adeligen und schwerreichen Londoner Raumausstatter-Unternehmers (Osborne & Little) wuchs Osborne in einer Familie auf, in der gerne und lebhaft über Politik diskutiert wurde. Sein Geschichtsstudium schloss er in Oxford ab. Nach einem kurzen Abstecher in den Journalismus entschied sich Osborne für die Politik.

1994 stieß er zu den Tories und arbeitete im Agrarministerium, unter anderem bei der Bekämpfung der BSE-Krise. Später profilierte er sich als Redenschreiber des damaligen Parteichefs William Hague. 2001 ergatterte Osborne bei der Unterhauswahl einen Parlamentssitz und suchte die politische Nähe Camerons, von dem er 2004 in seinem Schattenkabinett zum Finanzminister in spe gekürt wurde. Osborne ist mit der Autorin Frances Howell verheiratet und hat zwei Kinder.

Kokainparties und Saufgelage

Mehr als alle fachliche Kritik an seinen steuer- und finanzpolitischen Plänen müssen den Tory-Star allerdings die Querschüsse aus der britischen Boulevardpresse treffen. So schien seine steile Karriere im Oktober 2005 sogar vor einem Ende zu stehen, als der Sunday Mirror eine gewisse Jennifer Shackleton präsentierte. Die Dame berichtete von einer illustren Kokainparty, an der Osborne einst als Student teilgenommen und sich angeblich das weiße Puder in die Nase gezogen habe. Osborne dementierte umgehend.

Auch Vorhaltungen, dass er in Oxford zu einem der elitären Saufgelage-Vereine mit dem Namen "The Bullingdon Club" gehörte, ließ er an sich abprallen. Das sei seine Sturm-und-Drang-Zeit gewesen, erklärte er. Und schließlich verkehrte auch einst sein Kumpel Cameron in diesem Klub. So entstehen Männerfreundschaften.

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