Süddeutsche Zeitung

Talente: Carsten Schneider und Steffen Kampeter (1):Ein seltsames Paar

Lesezeit: 4 Min.

Carsten Schneider und Steffen Kampeter trennt mehr, als sie verbindet - und doch harmonieren sie als Spar-Duo der großen Koalition.

Guido Bohsem

Carsten Schneider (SPD) und Steffen Kampeter (CDU) sind eines dieser odd couples, dieser seltsamen Paare, die die große Koalition hervorbringt. Nichts, so scheint es, passt zusammen. Schneider ist schlank und sportlich. Kampeter geht die Treppe allenfalls runter. Der Ossi Schneider ist leise, der Wessi Kampeter laut. Kampeter kann nur schlecht stillsitzen, Schneider angelt gern. Schneider hat Haare auf dem Kopf, Kampeter auf den Wangen.

Die beiden Männer verkörpern die große Koalition im Kleinen. Die äußerlichen Unterschiede sind riesig, und doch funktioniert das politische Zusammenspiel erstaunlich gut, weil die inhaltlichen Überzeugungen gar nicht so weit auseinander reichen. Kampeter und Schneider sind die obersten Haushalts-Experten der beiden größten Bundestagsfraktionen.

Hart in der Sache

Der Haushaltsausschuss gilt als das mächtigste Gremium im Bundestag. Die Haushälter halten den Daumen auf die Kassen des Bundes. Ohne sie kann Kanzlerin Angela Merkel (CDU), kann Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), kann der ganze Bund keinen Cent seines 283,2 Milliarden Euro schweren Etats ausgeben. Das sorgt dafür, dass sie von ihren Kollegen, von Ministern und Staatssekretären gefürchtet und umschmeichelt werden.

Kampeter und Schneider haben Einfluss durch Sachpolitik, in den großen strategischen Diskussionen der Koalition spielen sie eine untergeordnete Rolle. Noch sind sie Politiker der zweiten Reihe. Obwohl sie regelmäßig und häufig in den Zeitungen auftauchen, kennen die meisten Bürger ihre Namen nicht. Hinterbänkler sind sie aber nicht mehr.

Lokal gut verankert

Da es eines der wichtigsten Ziele des Regierungsbündnisses aus Union und SPD ist, mit der Schuldenmacherei aufzuhören, sitzen Schneider und Kampeter zudem an einer strategisch wichtigen Stelle. Gelingt es der Koalition, 2011 zum ersten Mal seit gut 40 Jahren keine neuen Kredite mehr aufzunehmen, hat das auch mit Schneider und Kampeter zu tun.

Damit es gelingt, müssen sie die Ministerien immer wieder daran hindern, zu viel Geld auszugeben. Sie müssen ihren Kollegen im Parlament deutlich machen, dass Sparen angesagt ist, obwohl die Kassen des Staates wegen der guten Wirtschaftsentwicklung gut gefüllt sind. Für diese Position, für diese Aufgabe sind beide noch ziemlich jung. Schneider sowieso, er ist seit kurzem 32. Aber auch Kampeter zählt mit seinen bald 45 Jahren noch zu den Nachwuchstalenten im Politikbetrieb. Schneider hat seinen Wahlkreis in Erfurt dreimal gewonnen, der in Minden geborene Kampeter zog fünfmal über die nordrhein-westfälische Landesliste in den Bundestag ein.

Viele ihrer Vorgänger sitzen heute in zentralen Position. Michael Glos (CSU) ist Wirtschaftsminister, Peter Struck (SPD) Fraktionschef, um nur zwei zu nennen. Kampeter und Schneider werden noch Politik machen, wenn Struck und Glos schon in Rente sind. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob der Sparkurs tatsächlich gelingen kann, ob sich die Arbeit der vergangenen Jahre ausgezahlt hat.

An der Wand hinter Carsten Schneider hängt ein Bild von Willy Brandt. Es ist 3,5 Meter hoch und vier Meter breit. Neben ihm und vor ihm hängen drei weitere, wenn auch kleiner. Schneider sitzt in einer Bar am Willy-Brandt-Platz, in seinem Wahlkreis in Erfurt. Er trägt einen modernen anthrazitfarbenen Anzug und nippt an einem Milchcafe. Im Hintergrund läuft leise Lounge-Musik. Die Kellnerinnen sind hübsch. Der Laden heißt Willy B.. Hier ist es jung, cool, sexy und sozialdemokratisch. Seit Brandts Zeiten gibt es solche Orte eigentlich nicht mehr.

Von der Macht verführt

Schneider schaut konzentriert, weil er gerade eine heikle Frage beantworten soll. Sie lautet: "Warum tut sich ein junger Mensch die Politik an?" Er antwortet wie ein Alter. Er sagt: "Es geht es um Anerkennung, um die Möglichkeit Dinge zu beeinflussen." Natürlich genießt Schneider das Spiel um die Macht. Ex-Vizekanzler Franz Müntefering, der Schneider an diesem Tag in seinem Wahlkreis besucht, wird später von Eitelkeit reden. Doch um so etwas offen auszusprechen, muss man wahrscheinlich schon Franz Müntefering sein. Und ja, der Haushaltsausschuss ist nützlich für die Karriereplanung. Wieder sagt Schneider es anders: "Es würde nicht halb soviel Spaß machen, wäre ich nicht Haushälter."

Die routinierte Pflege des Wahlkreises gehört zu den Grundlagen des politischen Erfolgs, zum Weg nach oben. Schneider ist gut darin, Kampeter steht ihm nicht nach. Der CDU-Politiker steht hinter einer Kochzeile im Porsche-Design in einem Ausstellungsraum des ostwestfälischen Luxus-Küchenherstellers Poggenpohl. Um ihn schart sich die Prominenz der ostwestfälischen Möbelindustrie. Einige der Männer sind Millionäre, sie führen weltweit tätige Unternehmen. Kampeter fühlt sich in ihrer Mitte sichtlich wohl und klopft Sprüche in der Art wie sie auch Thomas Gottschalk auf dem Wetten-Dass-Sofa bringt. Sie klingen frech, sind aber letztlich harmlos. Die Gruppe lacht, die Fotografen der lokalen Presse sind zufrieden. "Politik hat für einen Bundestagsabgeordneten eine lokale, eine regionale und eine nationale Dimension", sagt Kampeter später. "Lokal ist am wichtigsten."

Lobbyarbeit für den Wahlkreis

Dass es dabei oft um Geld geht, kommt den Haushältern gelegen. Am Nachmittag moderiert Kampeter eine Diskussionsrunde über die lokale und nationale Verkehrsplanung. Alles in allem fordern die Teilnehmer den Haushälter auf, in den nächsten 15 Jahren dafür etwa 40 Milliarden Euro locker zu machen. Geld, das der Bund nach Kampeters fester Überzeugung nicht hat und erst ausgeben sollte, wenn er wieder schwarze Zahlen schreibt. Kampeter äußert Verständnis, verspricht, sich darum zu kümmern, um im gleichen Atemzug auf die Sparzwänge im Etat zu verweisen.

Vor ein paar Wochen brachte der Spiegel eine Geschichte über Kampeter und Schneider. Darin wurde ihnen vorgeworfen, sie hätten ihre Position ausgenutzt, um kulturellen Projekten in ihrem Wahlkreis die ein oder andere Million aus dem Haushalt zuzuschanzen. Keiner von beiden bestreitet das. Im Gegenteil. "Meine Wähler erwarten das doch. Ich habe überlegt, Kopien des Artikels in Erfurt und Weimar zu verteilen", sagt Schneider.

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Quelle:
SZ vom 7.4.2008/sme
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