An der Wand hinter Carsten Schneider hängt ein Bild von Willy Brandt. Es ist 3,5 Meter hoch und vier Meter breit. Neben ihm und vor ihm hängen drei weitere, wenn auch kleiner. Schneider sitzt in einer Bar am Willy-Brandt-Platz, in seinem Wahlkreis in Erfurt. Er trägt einen modernen anthrazitfarbenen Anzug und nippt an einem Milchcafe. Im Hintergrund läuft leise Lounge-Musik. Die Kellnerinnen sind hübsch. Der Laden heißt Willy B.. Hier ist es jung, cool, sexy und sozialdemokratisch. Seit Brandts Zeiten gibt es solche Orte eigentlich nicht mehr.
Von der Macht verführt
Schneider schaut konzentriert, weil er gerade eine heikle Frage beantworten soll. Sie lautet: "Warum tut sich ein junger Mensch die Politik an?" Er antwortet wie ein Alter. Er sagt: "Es geht es um Anerkennung, um die Möglichkeit Dinge zu beeinflussen." Natürlich genießt Schneider das Spiel um die Macht. Ex-Vizekanzler Franz Müntefering, der Schneider an diesem Tag in seinem Wahlkreis besucht, wird später von Eitelkeit reden. Doch um so etwas offen auszusprechen, muss man wahrscheinlich schon Franz Müntefering sein. Und ja, der Haushaltsausschuss ist nützlich für die Karriereplanung. Wieder sagt Schneider es anders: "Es würde nicht halb soviel Spaß machen, wäre ich nicht Haushälter."
Die routinierte Pflege des Wahlkreises gehört zu den Grundlagen des politischen Erfolgs, zum Weg nach oben. Schneider ist gut darin, Kampeter steht ihm nicht nach. Der CDU-Politiker steht hinter einer Kochzeile im Porsche-Design in einem Ausstellungsraum des ostwestfälischen Luxus-Küchenherstellers Poggenpohl. Um ihn schart sich die Prominenz der ostwestfälischen Möbelindustrie. Einige der Männer sind Millionäre, sie führen weltweit tätige Unternehmen. Kampeter fühlt sich in ihrer Mitte sichtlich wohl und klopft Sprüche in der Art wie sie auch Thomas Gottschalk auf dem Wetten-Dass-Sofa bringt. Sie klingen frech, sind aber letztlich harmlos. Die Gruppe lacht, die Fotografen der lokalen Presse sind zufrieden. "Politik hat für einen Bundestagsabgeordneten eine lokale, eine regionale und eine nationale Dimension", sagt Kampeter später. "Lokal ist am wichtigsten."
Lobbyarbeit für den Wahlkreis
Dass es dabei oft um Geld geht, kommt den Haushältern gelegen. Am Nachmittag moderiert Kampeter eine Diskussionsrunde über die lokale und nationale Verkehrsplanung. Alles in allem fordern die Teilnehmer den Haushälter auf, in den nächsten 15 Jahren dafür etwa 40 Milliarden Euro locker zu machen. Geld, das der Bund nach Kampeters fester Überzeugung nicht hat und erst ausgeben sollte, wenn er wieder schwarze Zahlen schreibt. Kampeter äußert Verständnis, verspricht, sich darum zu kümmern, um im gleichen Atemzug auf die Sparzwänge im Etat zu verweisen.
Vor ein paar Wochen brachte der Spiegel eine Geschichte über Kampeter und Schneider. Darin wurde ihnen vorgeworfen, sie hätten ihre Position ausgenutzt, um kulturellen Projekten in ihrem Wahlkreis die ein oder andere Million aus dem Haushalt zuzuschanzen. Keiner von beiden bestreitet das. Im Gegenteil. "Meine Wähler erwarten das doch. Ich habe überlegt, Kopien des Artikels in Erfurt und Weimar zu verteilen", sagt Schneider.