Süddeutsche Zeitung

Tagebau: Vattenfall schlägt Lausitzer Braunkohlegeschäft an Tschechen los

  • Die Braunkohletagebaue und -kraftwerke des Energiekonzerns Vattenfall gehen an den tschechischen Versorger EPH.
  • Ob sich damit noch Geld verdienen lässt, ist unklar. Beobachter warnen, dass die Kosten für die Renaturierung letztlich am Steuerzahler hängenbleiben könnten.

Von Michael Bauchmüller und Varinia Bernau

Der Poker um die Braunkohletagebaue und -kraftwerke in der Lausitz ist entschieden: Der schwedische Energiekonzern Vattenfall verkauft sein Geschäft an den tschechischen Versorger EPH (Energetický a průmyslový holding).

Der EPH-Konzern verdient den größten Teil seines Geldes mit Gasgeschäften. Dem Unternehmen gehört in Deutschland bereits das Bergbauunternehmen Mibrag, wodurch die Tschechen mit den energiepolitischen Debatten in Deutschland vertraut sind. Nun sichert es sich den Zugriff auf vier Kohlegruben und drei Kraftwerke in Deutschlands zweitgrößtem Braunkohlerevier nahe der polnischen Grenze.

Umstrittene Altlasten

Der Deal ist vor allem wegen der jahrzehntelangen Verpflichtungen sensibel, die Region nach dem Ende des Braunkohleabbaus zu rekultivieren. Über die Frage, wie teuer die Altlasten wirklich werden, gehen die Meinungen auseinander. Die etwa 1,2 Milliarden Euro, die Vattenfall bisher für die Rekultivierung der Tagebaue zurückgestellt hat, halten Experten für zu wenig. Schätzungen zufolge könnte mindestens das Doppelte nötig sein. Manche Schäden sind zudem heute womöglich noch gar nicht absehbar.

Vattenfall bringt nun 1,7 Milliarden Euro an Barmitteln in das Unternehmen ein; die Tschechen übernehmen dafür nicht nur die Anlagen, sondern auch Verbindlichkeiten für die Rekultivierung, aber auch Pensionsverpflichtungen. Dafür sind etwa zwei Milliarden Euro vorgesehen, die EPH nun erst in der Lausitz erwirtschaften wird. Weil sich derzeit kaum etwas mit Kohlekraftwerken verdienen lässt, haben sich die Tschechen verpflichtet, für eine gewisse Zeit keine Gewinne abzuschöpfen - etwa in Form einer Dividendenzahlung.

Unklare Aussichten für Braunkohle

Es gibt derzeit europaweit eher zu viel als zu wenig Strom. Obendrein rückt seit der Klimakonferenz in Paris das Ende der Braunkohle näher, auch in Deutschland. Dass EPH der einzige Bieter war, der öffentlich Interesse gezeigt hatte, zeigt, wie wenig Spielraum Vattenfall bei der Suche nach einem Käufer blieb. Der tschechische Energiekonzern ČEZ war kurz vor Ende der Bieterfrist abgesprungen.

Das deutsch-australische Konsortium von Steag und Macquarie hatte zwar kein offizielles Gebot vorgelegt, aber eine Stiftung ins Gespräch gebracht. Diese sollte das Vermögen verwalten und vor Ort in Projekte für erneuerbare Energien investieren - und so die Kosten für die Rekultivierung erwirtschaften. Allerdings verlangten sie dazu etwa zwei Milliarden Euro als Einlage von Vattenfall. Etwas zu viel, wie sich nun zeigt.

Strompreise am Boden

Wie viel Geld sich mit der Braunkohle in der Lausitz wirklich verdienen lässt, hängt vor allem davon ab, wie lange dort noch gebaggert werden darf - und wie sich die Strompreise entwickeln. Alle Bieter hatten sich vorab mit den Landesbehörden in Verbindung gesetzt. Die genauen Konditionen, zu denen sie die Tagebaue weiterführen können, erfuhren sie aber nicht. Seit die Koalition offen über ein Enddatum für die Braunkohle in Deutschland debattiert, sind auch die Aussichten für die Lausitzer Tagebaue schlechter geworden.

Weil immer mehr Ökostrom ins Netz fließt, ist der Großhandelspreis an der Strombörse stark gesunken. Derzeit liegt er knapp über 20 Euro pro Megawattstunde. EPH spekuliert darauf, dass der Preis spätestens 2022, wenn der letzte Atommeiler in Deutschland vom Netz geht und damit wieder weniger Strom eingespeist wird, steigt - und aus der Braunkohle in der Lausitz wieder ein lohnenswertes Geschäft wird. Doch ob diese Rechnung aufgeht, ist alles andere als gewiss. Denn nicht nur die Überkapazitäten in der Erzeugung haben den Strompreis gedrückt, sondern auch die derzeit niedrigen Preise für Kohle und Gas.

Auch deshalb halten es Beobachter wie Patrick Graichen, Chef des Berliner Thinktanks Agora Energiewende, für "schlicht unrealistisch, dass EPH jemals die Kosten für Rekultivierung und Betriebsrenten wieder einspielt". Er warnt davor, dass am Ende die Steuerzahler und Beschäftigten das Nachsehen haben könnten.

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