Süddeutsche Zeitung

Armut:20 Prozent mehr Rentner gehen zur Tafel

  • Die rund 940 gemeinnützigen Tafeln haben in diesem Jahr rund 1,65 Millionen Menschen mit Lebensmitteln versorgt.
  • Das ist ein Wachstum von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders stark wuchs die Gruppe der Rentner mit knapp 20 Prozent.

Immer mehr Menschen in Deutschland holen sich ihre Lebensmittel bei den Tafeln. Die rund 940 gemeinnützigen Hilfsorganisationen haben nach eigenen Angaben zuletzt 1,65 Millionen Menschen versorgt. Das seien zehn Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr, sagte Jochen Brühl, der Vorsitzende des Bundesverbandes der deutschen Tafeln der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). Die Gruppe der älteren Menschen und Rentner wüchse dabei überproportional. Hier sei die Zahl der Bedürftigen um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, so Brühl.

Die rund 430 000 Betroffenen hätten oftmals nicht mehr die Kraft ihre Armut zu verstecken, mutmaßt der Verbandsvorsitzende, denn das koste viel Energie. Allerdings haben viele Tafeln mit speziellen Senioren-Nachmittagen ein neues Angebot gestartet. "Das senkt vielleicht die Hemmschwelle" und sei auch ein Beitrag gegen Einsamkeit im Alter, so Jochen Brühl. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung, die die soziale Gerechtigkeit in der Europäischen Union vergleicht, kam zu dem Ergebnis, dass das Armutsrisiko, also die Wahrscheinlichkeit in die Bedürftigkeit zu rutschen, in Deutschalnd gestiegen ist. Als armutsgefährdet gelten dabei Menschen die weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens eines Landes verdienen.

Viele der betroffenen Rentner beantragen allerdings meist aus Scham auch keine Grundsicherung oder andere staatliche Unterstützung. 62 Prozent würden nach Auswertungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) so vorgehen. Senioren machten demnach ihre Ansprüche besonders häufig nicht geltend. Im Schnitt könnte das Haushalteinkommen der Betroffenen mit den berechtigten Ansprüchen um 28 Prozent gesteigert werden.

Da die steigende Altersarmut in Deutschland ein bekanntes Problem ist, wurde bereits in Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung eine neue Grundrente vereinbart. Sie soll vor allem Rentnern helfen, die lange eingezahlt haben und dennoch ein geringes Alterseinkommen haben. Inzwischen hat die Große Koalition diese eine Maßnahme gegen die Altersarmut beschlossen. Nach dem Konzept von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erhalten die Menschen einen Zuschuss zu regulären Altersrente, die mindestens 35 Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung vorweisen können. Dabei werden auch Kindererziehungs- und Pflegezeiten angerechnet, sowie Arbeit in Teilzeit. Der Zuschuss soll die Rente auf ein Niveau von über zehn Prozent der Grundsicherung heben und beläuft sich auf bis zu 447 Euro monatlich. Finanziert wird die Rente aus Steuermitteln. Sie soll ab 2021 ausgezahlt werden.

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