Tägliche Verbindung frühestens 2015:Bahn erreicht London mit zwei Jahren Verspätung

Außerplanmäßiger Halt auf der Strecke nach London: Die tägliche Verbindung der Deutschen Bahn von Frankfurt in die britische Hauptstadt soll nach SZ-Informationen erst 2015 kommen - zwei Jahre später als angekündigt. Grund für die Verspätung: Probleme mit der Zulassung der vorgesehenen neuen Züge.

Daniela Kuhr

Der 19. Oktober 2010 war ein historischer Tag für die Deutsche Bahn: Erstmals hatte in der Nacht zuvor ein ICE den Eurotunnel von Frankreich nach Großbritannien durchquert und stand nun, auf Hochglanz poliert, im Londoner Bahnhof St. Pancras. Nicht nur Bahn-Chef Rüdiger Grube und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) waren angereist, um das denkwürdige Ereignis zu feiern, auch mehr als 160 Journalisten standen bereit.

Halbjahres- Pk  2010 Bahn

Das Projekt der Deutschen Bahn eine Stammstrecke zwischen Frankfurt und London einzurichten muss warten - die Züge fehlen. Bahn-Chef Grube ist verärgert.

(Foto: dpa)

Die Nachricht des Tages lautete: Vielleicht schon zu den Olympischen Spielen im Sommer 2012, spätestens aber von 2013 an will die Deutsche Bahn täglich dreimal von Frankfurt nach London fahren und wieder zurück. So war es damals geplant. Bahn-Chef Grube sprach feierlich von "einem neuen Zeitalter", an dessen Schwelle die Eisenbahn in Europa stehe. Doch inzwischen ist klar: Das wird vorerst nichts. Das neue Zeitalter lässt noch ein Weile auf sich warten.

Offiziell hat die Bahn noch nichts verkündet, doch wie die Süddeutsche Zeitung aus Konzernkreisen erfuhr, ist der Starttermin 2013 nicht mehr zu halten. Stattdessen geht man nun davon aus, dass es erst 2015 mit einer täglichen Verbindung nach London klappen wird. "Nach derzeitigem Stand rechnen wir mit einer Verschiebung um mindestens zwei Jahre", hieß in den Kreisen.

Grund dafür sollen die bereits bekannten Verzögerungen bei der Auslieferung 16 neuer ICE-Züge durch Siemens sein. Diese Züge der Baureihe 407 (Velaro) werden dank einer modernen Technik erstmals in der Lage sein, in fünf verschiedenen Ländern zu fahren. Ursprünglich wollte die Bahn die ersten Velaros von diesem Winter an auf der Strecke Frankfurt - Marseille einsetzen und später mit ihnen auch nach London fahren.

Doch weil Siemens Probleme mit einem Zulieferer hat, verzögert sich die Zulassung der Züge. Letzte Woche hatte deshalb bereits ein Krisengespräch zwischen Bahn, Siemens und Ramsauer stattgefunden. Herausgekommen war ein Kompromiss, nach dem nun immerhin acht bis zehn der neuen Züge vom Winter 2012/13 an in Deutschland zum Einsatz kommen sollten. Der Frankreich-Einsatz aber werde sich verschieben, hieß es nach dem Gespräch übereinstimmend aus Teilnehmerkreisen. Dass sich auch der London-Einsatz verschieben wird, war bislang allerdings nicht bekannt.

Die Bahn ist verärgert

Bei der Bahn ist man nun regelrecht verärgert über Siemens. Konzernchef Grube hatte sich von der Verbindung nach London einiges erhofft. Sein Ziel war, 15 Prozent der Flugreisenden auf dieser Strecke für die Schiene zu gewinnen. Er rechnete mit mehr als einer Million Fahrgäste pro Jahr. Zudem geht es ums Prestige. Zwar fährt die Bahn auch bislang schon in sechs europäische Länder, nämlich nach Österreich, Frankreich, Belgien, Dänemark, in die Niederlande und in die Schweiz. Doch all das findet in Kooperation mit Partnerbahnen vor Ort statt.

Nach London dagegen würde sie erstmals einen komplett eigenständigen Verkehr anbieten. Auch droht der Konzern nun gegenüber Eurostar weiter ins Hintertreffen zu geraten. Diese Bahn-Gesellschaft, die von der französischen Staatsbahn SNCF kontrolliert wird, ist bislang die einzige, die durch den Tunnel fährt. Sie hat bereits angekündigt, ihre Flotte demnächst auszubauen. Je länger aber Eurostar exklusiv auf der Strecke fährt, umso schwieriger könnte es für die Bahn werden, noch Marktanteile für sich zu gewinnen. Es sei "eine ausgesprochen unerfreuliche Situation", hieß es daher am Donnerstag in den Bahnkreisen.

Bei Siemens sieht man die Dinge etwas anders. Dass der Frankreich-Start nicht klappe, nimmt der Konzern auf die eigene Kappe. "London ist ein ganz anderes Thema. Die Züge sind für Fahrten durch den Eurotunnel nicht zugelassen und dafür auch technisch nicht vorbereitet", sagte ein Sprecher. Selbst wenn Siemens die neuen Velaros wie ursprünglich vereinbart schon für diesen Dezember geliefert hätte, so wären sie technisch nicht geeignet, um nach London zu fahren. "Dazu müssten sie erst aufgerüstet werden, doch diese Aufrüstung ist von der Bahn bislang nicht bestellt worden", sagte er. "Die Bahn hat bislang keine Züge bestellt, die nach London fahren könnten."

Diese Darstellung wiederum weist man bei der Bahn zurück. Der Zeitplan sehe vor, dass die Velaros zunächst in Deutschland, Frankreich und Belgien zugelassen würden und erst danach für die Tunneldurchfahrt, für Großbritannien sowie die Niederlande. "Es besteht überhaupt kein Zeitdruck, jetzt bereits die Aufrüstung der Züge für die Tunneldurchfahrt zu bestellen, wo noch nicht einmal die Zulassung für Frankreich oder Belgien vorliegt", war aus der Bahn zu hören. Zumal Siemens auch nie signalisiert habe, dass in der Hinsicht Zeitdruck bestehe. Nach derzeitigem Stand geht man im Konzern davon aus, dass die Velaros frühestens im August 2013 die Zulassung für Frankreich erhalten, im Lauf des Jahres 2014 die für Belgien und erst 2015 die für den Eurotunnel und für Großbritannien.

Ein Sprecher von Bundesverkehrsminister Ramsauer bedauerte die Verzögerung am Donnerstag: "Es ist sehr schade, dass der Terminplan nicht eingehalten wird, weil die ICE-Züge samt Zulassung nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen", sagte er. Für das Frühjahr 2012 habe Ramsauer erneut zu einem Spitzengespräch eingeladen,

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