Wer die Ifa nicht kennt, kann sich einfach aneinandergereihte Elektronikgeschäfte vorstellen. Viele, große Elektronikgeschäfte: Das gedruckte Verzeichnis der Aussteller umfasst 103 Seiten, Unternehmen von 1&1 bis Z-Wave zeigen Besuchern und Journalisten ihre neuesten Produkte.
Fitness-Tracker und Fernseher, Waschmaschinen und Virtual-Reality-Brillen, von banalen Smartphones und Laptops erst gar nicht zu reden - eine Woche lang werden auf dem Berliner Messegelände Technik-Gadgets, Haushaltsgeräte und laut verkündete Rekorde vorgestellt. Um aus diesem Produktwirrwarr herauszustechen, braucht es gutes Marketing - etwa das "dünnste Notebook der Welt", wie Acer es bewirbt - oder echte Innovationen. Eine solche hat Lenovo mit dem Yoga Book vorgestellt.
Auf den ersten Blick sieht diese Mischung aus Tablet und Laptop aus wie ein recht gewöhnliches Convertible: schlank, unauffällig und im verbreiteten 10,1-Zoll-Format. Die erste Überraschung: Mit gerade einmal 690 Gramm ist es ausgesprochen leicht, zugeklappt misst es weniger als einen Zentimeter (exakt 9,6 Millimeter) Dicke und unterbietet damit sogar jenes erwähnte Acer Swift 7. Doch im Gegensatz zum Acer-Laptop sind die Abmessungen beim Yoga Book nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal. Nach dem Aufklappen blickt man auf die zweite Überraschung: Statt einem sind da zwei schwarze Displays, die klassische Hardware-Tastatur fehlt. Lenovo setzt auf das sogenannte Halo-Keyboard, das wahlweise zum Tippen oder Schreiben und Zeichnen verwendet werden kann.
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Das Acer Swift 7 ist weniger als einen Zentimeter dick - und damit der dünnste Laptop der Welt. Braucht man so ein Gerät?
Mit einem Knopfdruck schaltet sich die Hintergrundbeleuchtung auf dem angerauten, matten Glas an. Dann erscheinen weiß umrandete Tasten, die Berührungen mit leichter Vibration quittieren. Nach ein paar Minuten Eingewöhnungszeit tippt es sich darauf überraschend gut. Die Eingaben funktionieren nicht so schnell wie auf einer herkömmlichen Tastatur mit physischen Tasten, aber deutlich besser als auf den reinen Bildschirmtastaturen normaler Tablets.
Touchscreen statt Maus
Als Ersatz für eine Maus taugt das digitale Touchpad allerdings nicht. Das ist aber zu verschmerzen, da auch das Hauptdisplay mit einem Touchscreen ausgestattet ist, so dass man den Cursor nur selten bewegen muss. Lenovo zufolge soll eine Software mit der Zeit erkennen, wenn Nutzer bestimmte Buchstaben besonders häufig verfehlen und anschließend Tippfehler korrigieren. Das ließ sich im ersten Schnelltest noch nicht ausprobieren.
Das Halo-Keyboard ist nicht nur Tastatur, sondern auch Notizblock. Gemeinsam mit Wacom hat Lenovo einen Stylus entwickelt, der zwei Funktionen auf einmal erfüllt: Der Nutzer kann ihn als digitalen Eingabestift nutzen und mit abgerundeter, schwarzer Kappe auf der Oberfläche schreiben und malen. Oder er wechselt die Spitze, schraubt eine normale Kugelschreiberpatrone mit Tinte ein, legt ein Blatt Papier oder einen ganzen Notizblock unter und kritzelt drauflos.
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Trotz des dazwischengeschobenen Papiers erkennt das Tablet alle Bewegungen und verwandelt sie in digitale Notizen. Sie landen in einer eigens dafür entwickelnden App, wo sie verwaltet und an andere Programme gesendet werden können. In einem kurzen Test klappte das reibungslos. Einzige Einschränkung: Lenovo verzichtet auf Optical Character Recognition, Handschrift kann also nicht automatisch erkannt und in ein Textdokument verwandelt werden. Trotz anderthalbjähriger Entwicklungszeit habe man keine zufriedenstellende Erkennungsrate erreicht, so ein Lenovo-Mitarbeiter zur Begründung. Dementsprechend kann man den Text nicht einfach in ein Word-Dokument exportieren, sondern muss mit einer Bilddatei der Zeichnungen und Notizen Vorlieb nehmen.
Der Akku hält 15 Stunden - behauptet Lenovo
Der Rest der Hardware entspricht dem Standard der Geräteklasse. Ein Intel-Atom-x5-Prozessor mit vier Kernen, vier Gigabyte Arbeitsspeicher, 64 Gigabyte interner Speicher und 11ac-WLAN. Für den Büroeinsatz sollte das reichen, für anspruchsvolle Spiele oder aufwändige Videobearbeitung empfehlen sich leistungsfähigere Laptops. Mehr als ein USB-C- und ein Micro-HDMI-Anschluss haben in dem schlanken Gehäuse aus Magnesium und Aluminium keinen Platz gefunden. Zusätzlich gibt es einen Micro-SD-Kartenleser, mit der sich der Speicherplatz um bis zu 128 Gigabyte erweitern lässt.
Theoretisch könnte das Yoga Book auch Fotos machen, Lenovo verbaut zwei Kameras mit acht beziehungsweise zwei Megapixel Auflösung. Wie bei den meisten Tablets sollte man aber keine gute Qualität erwarten. Der 8500-mAh-Akku soll bis zu 15 Stunden halten. Falls die Herstellerangabe zutrifft, wäre das ein erfreulicher Wert für ein derart dünnes Convertible.
Günstig, aber beim Betriebssystem hinterher
Der Preis des Yoga Books hängt vom Betriebssystem ab: Mit Android liegt er bei 500 Euro, mit Windows 10 bei 600 Euro. Abgesehen von der Software sind beide Geräte identisch. Wer ein LTE-Modem benötigt, zahlt jeweils 100 Euro mehr. Bei der Android-Variante kommt eine Marshmallow-Version zum Einsatz, die Lenovo für den Tablet-Einsatz optimiert hat und unter anderem einen Multifenster-Modus bietet. Ein Lenovo-Mitarbeiter sagte, dass mit dem Update auf die neueste Android Version ( "Nougat") erst 2017 zu rechnen sei. Googles monatliche Sicherheitsupdates sollen aber unverzüglich bereitgestellt werden.
Insgesamt macht das Yoga Book einen guten ersten Eindruck. Die kompakten Abmessungen und das geringe Gewicht prädestinieren es für den mobilen Einsatz. In einer Zeit, in der jede noch so kleine Neuerung als bahnbrechende Innovation gepriesen wird, ist Lenovo tatsächlich eine Überraschung gelungen: Das Halo-Keyboard hat es so noch nicht gegeben. Das Yoga Book ist ab sofort auch in Deutschland erhältlich.