Süddeutsche Zeitung

Tabakindustrie:Warum es den Tabakherstellern trotz allem blendend geht

  • Der Verdacht liegt nahe, dass Anti-Rauchen-Kampagnen und neue Schockbilder auf Verpackungen den Zigarettenherstellern zu schaffen machen.
  • Doch das stimmt nicht: Zwar sinken EU-weit die Zigarettenverkäufe, den Herstellern geht es jedoch weiterhin blendend.
  • Grund sind steigende Preise, neue Märkte in Schwellenländern und Produktentwicklungen wie die E-Zigarette.

Von Sebastian Jannasch

Es gab eine Zeit, als die erste Zigarette für Jugendliche eine Mutprobe war. Der Glimmstängel war cool, verhieß Unabhängigkeit und Abenteuer. Mittlerweile verlangt es eher Mut von den Tabakkonzernen, sich mit den jungen Menschen zu beschäftigen. Die Zahl der Raucher zwischen 12 und 17 Jahren ist in Deutschland seit 2001 von 28 auf unter zehn Prozent gefallen. Der Nachwuchs ist gesundheitsbewusst. Auch unter den Erwachsenen greift EU-weit nur noch jeder Vierte zur Zigarette. Die Zigarettenverkäufe sinken.

Dazu kommen Werbeverbote, Warnhinweise und seit vergangenem Freitag auch die Pflicht, Schockbilder mit schwarzen Lungenflügeln oder Zahnstummeln auf der Packung zu zeigen. Man sollte meinen, der Tabakindustrie ginge es schlecht. Tatsächlich aber läuft es blendend. Höhere Preise, neue Märkte und Produktentwicklungen geben Anlass zu Optimismus.

Die vier großen Tabakkonzerne, die auch den deutschen Markt dominieren, machen seit Jahren hohe Gewinne und belohnen ihre Anleger mit üppigen Ausschüttungen. Das Geschäft mit den Nikotinsüchtigen ist wenig krisenanfällig. Das bestätigt auch der Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbandes: "Wir kämpfen gegen jede Form von überbordender Regulierung. Unser Geschäftsmodell ist aber bisher nicht bedroht", sagt Jan Mücke.

Der globale Tabakmarkt könnte sogar weiter wachsen, schätzen Analysten

"Der Gewinn im Tabakgeschäft ist weiter stark, und die Margen liegen bei mehr als 30 Prozent", sagt Ivan Bascle, Tabakexperte bei der Unternehmensberatung Boston Consulting. Weltweit könnte der Tabakmarkt sogar weiter wachsen, bis 2019 um etwa neun Prozent, schätzen Analysten.

Besonders im Westen stammen höhere Umsätze aber vor allem aus höheren Preisen und Steuern. Im Unterschied zu anderen Branchen kann sich die Tabakindustrie das erlauben. Schließlich ist Rauchen eine Sucht. Wer seit Jahrzehnten zur Zigarette greift, hört nicht auf, nur weil die Packung ein paar Cent teurer wird. "Es ist schwierig, ein ähnlich attraktives Geschäftsmodell zu finden", sagt Berater Bascle.

Trotzdem reagieren die Tabakkonzerne auf die schärfere Regulierung in den Industrienationen. In Deutschland nutzen sie die Ekelbilder-Auflage, um das Sortiment neu zu ordnen und stärker auf Profit zu trimmen. Die Maschinen auf die neue Packungsgestaltung umzustellen, kostet Geld - das man bei weniger gewinnträchtigen Nischenmarken nicht einsetzen will. So streicht der Hersteller von Lucky Strike und Pall Mall, British American Tobacco (BAT), die Randmarken Winfield und Golden American aus dem Sortiment. Was mit den Traditionsmarken Lux, Kurmark, Krone oder Peer 100 passieren wird, ist noch nicht entschieden. Gauloises-Produzent Reemtsma rangierte schon 2015 unter anderem die Marken Eckstein No. 5, Salem No. 6 und Atika aus.

Das Schreckgespenst der Tabakbranche: Einheitsverpackungen

Der Kahlschlag hat einen weiteren Grund: Wenige, starke Marken könnten in Zukunft besonders wichtig sein, falls ein Schreckgespenst der Tabakbranche auch in Deutschland Realität würde: Einheitsverpackungen für alle Zigaretten, ohne Logo und Firmenfarben.

Es gibt sie bereits in Australien, bald auch in Frankreich und Großbritannien. Nischenmarken hätten kaum noch Chancen, wahrgenommen zu werden. "Die Menschen erinnern sich an starke Marken und halten ihnen die Treue, auch wenn sie keine Logos mehr auf den Packungen sehen", sagt Tabakfachmann Ivan Bascle. Größe ist entscheidend.

Das verstärkt einen ohnehin bestehenden Trend in der Tabakbranche. "Der Markt wird von großen Anbietern beherrscht, und die Konzentration nimmt weiter zu. Sie hilft etwa beim Verhandeln mit den Einzelhandelsketten", sagt Konsumgüter-Experte Bascle. In den vergangenen Jahren hat es deshalb zahlreiche milliardenschwere Zukäufe gegeben.

Besonders in Schwellenländern gehen die Großen auf Einkaufstour. Hier lockt noch die Aussicht auf steigende Umsätze. Eine aufstrebende Mittelschicht kann sich nun den Luxus westlicher Zigaretten erlauben. Russland und die Türkei stehe ebenso im Fokus wie China und südostasiatische Länder. Dort dürfen die Zigarettenproduzenten noch intensiv für ihre Ware werben.

Noch eine letzte Zigarette

Süddeutsche.de fragt in einem umfangreichen Dossier nach der Zukunft der Zigarette in Deutschland und anderen Ländern. Das gesamte Paket kann man hier herunterladen: sueddeutsche.de/rauchen/

Doch auch den heimischen Markt haben die Tabakkonzerne nicht aufgegeben: Hier ruhen die Hoffnungen auf der E-Zigarette, die besonders bei jungen Rauchern beliebt ist und mit dem Glauben gedampft wird, weniger schädlich zu sein. Hier wird nicht giftiger Rauch, sondern nikotinhaltiger Dampf inhaliert. Schon mehr als eine Million Menschen sollen hierzulande regelmäßig zur E-Zigarette greifen, und die Nachfrage wächst. "Das ist ganz klar ein Zukunftsthema", sagt Jan Mücke vom Zigarettenverband.

Auch kleine E-Zigaretten-Anbieter werden mittlerweile aufgekauft

Camel-Produzent Japan Tobacco ist sicher, dass die E-Zigarette "mehr als nur ein Trend" ist. Lange haben die großen Tabakkonzerne gezögert, in die Dampfer zu investieren. Sie wollten ihr lukratives Kerngeschäft nicht in Gefahr bringen. Inzwischen werden die kleinen Anbieter von E-Zigaretten zunehmend von den Großen aufgekauft.

Marktführer Philip Morris experimentiert mit neuen Entwicklungen, die weniger gesundheitsschädlich sein sollen. Dabei wird Tabak nicht verbrannt wie bei der klassischen Zigarette, sondern lediglich erhitzt, wodurch weniger Schadstoffe und mehr Tabakgeschmack entstehen sollen. "Der Anspruch von Philip Morris in der Forschung ist es, dass eines Tages alle erwachsenen Raucher auf Risiko-reduzierte Produkte umsteigen können", sagt Stacey Kennedy, Deutschland-Chefin des Marlboro-Fabrikanten. In Japan, Italien und der Schweiz wird die neue Generation der E-Glimmstängel bereits getestet. Bald sollen sie auch nach Deutschland kommen. Die neuen Produkte müssen allerdings vom Bundesamt für Verbraucherschutz zugelassen werden.

Fest steht: Der Handel mit E-Zigaretten bleibt auch absehbar ein Nischenmarkt. Allzu viel Kopfzerbrechen bereitet das den Tabakkonzernen jedoch nicht.

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SZ vom 23.05.2016/vit
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