Jens Weidmann kennt sich aus mit der Science-Fiction-Serie "Star Trek". Themensicher bemühte der Bundesbankpräsident in seiner Rede den "Replikator", eine Maschine, die aus Molekülen und Energie ein Abendessen zaubern kann. Diese im Film gezeigte Zukunftstechnologie ist eigentlich nicht so visionär, denn schon lange zaubert sich die Menschheit beispielsweise aus einem Laib Brot ein Stück Fleisch - durch Tauschgeschäfte. Die globale Arbeitsteilung der Wirtschaft ist Grundlage des internationalen Handels, von dem viele Menschen profitieren.
Doch nun droht Gefahr. Weidmann zeigte sich beim SZ-Wirtschaftsgipfel besorgt darüber, dass die Handelspolitik vielerorts nicht mehr international, sondern national betrieben wird. "Zölle werden wieder als ein Instrument angesehen, mit dem sich Wohlstand angeblich schützen oder gar mehren lässt", sagte er und bezeichnete dies als "Irrglauben". Ein Handelskrieg kenne nur Verlierer.
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Sie treffe viele unzufriedene Menschen, sagt die Bewerberin um den CDU-Vorsitz. Deutschland müsse seine "Leistungsträger" entlasten.
Nun ist der Bundesbankchef alles andere als ein Alarmist. Er sieht auch die guten Seiten der Welt. Vor allem Deutschland habe wenig Grund zu jammern. "Wir erleben im Moment den zweitstärksten Aufschwung seit den Wirtschaftswunderjahren", sagte Weidmann. Man solle daher nicht in "Depression verfallen". Das Weltwirtschaftswachstum dürfte auch 2019 so stark wachsen wie in diesem und im vergangenen Jahr. Zwar seien zuletzt immer mehr Sorgen über das globale Wachstum laut geworden. Aber, sagte Weidmann, "in diesen Chor der Pessimisten möchte ich nicht einstimmen".
Der Bundesbankpräsident ermahnte die Politiker zu mehr Haushaltsdisziplin. Es sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um mehr Schulden aufzunehmen. Vielmehr sollten die Euro-Länder ihre nach wie vor hohe Schuldenlast reduzieren. Das gelte vor allem für jene Länder, die "eine besonders schwere Last tragen, Italien etwa".
Der frühere Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält das Weltwirtschaftssystem für robust, es habe Krisen, etwa das Brexit-Referendum und diverse politische Turbulenzen in den USA und Europa, gut überstanden. Die Probleme in Argentinien und der Türkei hätten sich nicht zu einem Flächenbrand ausgeweitet. Zudem habe die Gefahr einer breiten Eskalation des Handelskonflikts zuletzt eher abgenommen. Schließlich hätten sich die USA mit ihren Nachbarn Mexiko und Kanada auf ein überarbeitetes Freihandelsabkommen geeinigt und mit der EU Gespräche über den Abbau von Handelsschranken vereinbart.
Weidmann beschrieb aber auch die Kehrseite des internationalen Handels. "Er kennt Gewinner und Verlierer." Untersuchungen zeigten, dass speziell die Öffnung gegenüber China einen erheblichen Stellenabbau im verarbeitenden Gewerbe der USA verursacht habe. Das Lebenseinkommen betroffener Arbeitnehmer sei gesunken, und populistische Strömungen hätten davon profitiert, dass die Wirtschaftspolitik solche Effekte nicht hinreichend beachtet habe. Die Volkswirtschaft als Ganzes profitiere vom internationalen Handel, aber Einzelne, ganze Gruppen oder auch Regionen liefen Gefahr, den Anschluss zu verlieren. "Verteilungspolitik kann Einkommensverluste mindern", sagte Weidmann. Aber das allein sei zu wenig. Man müsse mehr für Bildung tun, damit die Menschen auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen hätten.
Weidmann warb für mehr Mut: "Wo blieben Erfindungen und Erfolge, wenn alles in sicheren Bahnen verliefe?", fragte er. "In diesem Sinne ist Unsicherheit kein Teufelszeug, sondern vielleicht doch eher ein Lebenselixier."