Süddeutsche Zeitung

Siemens-Chef Roland Busch auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel:"Schneller sein, heißt nicht schneller rudern"

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Siemens-Chef Roland Busch will seinen Konzern umkrempeln - aber das soll nicht zulasten der Mitarbeiter gehen. Über die Pläne eines Mannes, den es gerade nicht ins All zieht.

Von Thomas Fromm, Berlin

Roland Busch ist per Kamera ins Adlon zugeschaltet, er trägt einen dunklen, nach oben hin geknöpften Pulli, darüber ein dunkles Jackett. Morgens, sagt er, sei er 2,01 Meter groß. Am Abend immerhin noch 1,99. Dazwischen: Siemens-Tage, vermutlich irgendwo bei zwei Metern im Schnitt. Das Outfit wirkt sportlich und von der Anmutung her fast etwas klerikal, aber Busch ist Physiker, keiner dieser klassischen BWL-Menschen, die stets im Anzug antreten müssen. Und er kann hier über Menschen und das große Ganze sprechen, er muss nicht vor Analysten und Investoren Tabellen auseinandernehmen. Warum dann also nicht dieser Stil?

Die wichtigste Frage jetzt gleich mal zuerst: Wenn der Siemens-Chef zwischen den beiden Großunternehmen Volkswagen und Microsoft wählen könnte - welches würde er kaufen? Roland Busch könnte jetzt eine Pause einlegen, nachdenken, kurz demonstrativ Löcher in die Luft schauen. Macht er aber nicht, er entscheidet sich schnell. "Ich würde keines von beiden kaufen", sagt er. "Da fiele mir etwas anderes ein. Aber das sage ich Ihnen nicht." Kein VW, kein Microsoft? Das ist selbstbewusst, man muss wahrscheinlich schon Siemens-Chef sein, um solche Angebote auszuschlagen. Aber man darf davon ausgehen, dass der Mann ziemlich klare Vorstellungen davon hat, was er als Nächstes zukauft. Denn dass der Konzern, der seit Jahrzehnten zukauft und verkauft, verkauft und zukauft, mal einfach gar nichts macht und still bleibt, wäre auch irgendwie ungewöhnlich.

Vor einer Woche noch stand Roland Busch in einem großen Saal in der Münchner Siemens-Zentrale, es war seine erste Jahrespressekonferenz als oberster Chef. Da trug er übrigens Anzug und Krawatte, womöglich weil er es an diesem Tag auch mit Analysten zu tun hatte, mit jenen Menschen, die sich ausschließlich für Zahlen interessieren. Da konnte der 56-jährige Physiker, der 1994 als Projektleiter in der Abteilung Forschung und Entwicklung bei Siemens anfing, nicht nur von einem Gewinnwachstum von fast 60 Prozent berichten. Er musste auch erklären, wie es nun weitergehen soll mit diesem Mitte des vorletzten Jahrhunderts gegründeten Konzern. Viele Unternehmen aus dieser Zeit gibt es längst nicht mehr. Andererseits: Vieles von dem, wofür der Konzern einmal stand, ist ja auch nicht mehr unter dem Dach von Siemens - Kraftwerke, Stromleitungen, Medizintechnik. Derjenige, der die Strategie für die großen Abspaltungen der letzten Jahre entworfen und umgesetzt hatte, ist übrigens auch nicht mehr da: Ex-Chef Joe Kaeser hatte schon Anfang des Jahres an Busch übergeben.

Busch will den Leuten mehr Verantwortung geben

Der Neue ist es nun, der das neue Siemens mit Digitalisierung, Industrieautomatisierung und Infrastruktur managen muss. Das Ziel: Der Umsatz mit digitalen Geschäften von 5,3 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2020 soll um rund zehn Prozent jährlich bis 2025 zulegen. Eine alte Industrieikone als schlanker Digitalkonzern aus Oberbayern - so etwas geht natürlich auch nicht von alleine. Und schon gar nicht von heute auf morgen.

Wenn der alte Tanker Siemens digitaler werden soll, dann wird sich viel verändern müssen, so etwas geht ja weit über Computersoftware hinaus. Busch will den Leuten mehr Verantwortung geben, sie mehr weiterbilden, den Laden "schneller takten", wie er sagt. Aber geht das? Alles schneller machen und gleichzeitig die Menschen zufriedener? "Schneller sein, heißt nicht schneller rudern", sagt Busch. Lieber etwas mehr Bürokratie rausnehmen, die Dinge abkürzen. Es ist ja ein Missverständnis, dass die Leute jedes Mal außer Atem sein müssen, wenn die Dinge schneller laufen sollen. Das ist wie mit Sparprogrammen. "Das ist wie Luft anhalten, irgendwann müssen wir wieder atmen", sagt er.

Erst in diesen Tagen hat der ewige Rivale General Electric (GE) aus den USA bekannt gegeben, dass man es jetzt auch so machen möchte wie Siemens. Aufspalten, abspalten, verkleinern. Das führt natürlich zu der Frage: Geht es bei Siemens jetzt auch weiter mit dem Abspalten? Alles habe seine Grenzen, sagt Busch. Man könne das jetzt weitertreiben, bis man eines Tages "Mikro Companies" habe. Aber will man das wirklich, Mikro-Unternehmen? "Wir fühlen uns als Siemens gerade hervorragend aufgestellt", sagt er. Was wohl bedeutet: GE kann jetzt erst mal alleine weitermachen mit der Abspalterei. Auch in den Weltraum treibt es ihn derzeit nicht wirklich. "Ich glaube, dass wir sehr viele Hausaufgaben auf der Erde haben", sagt er. Zum Beispiel den Klimawandel in den Griff zu kriegen. "Es macht Sinn, hier die Kräfte zu bündeln." Und weil es gerade aktuell ist: Was erwartet der Siemens-Chef von der neuen Regierung? Antwort: Mehr Tempo, mehr Investitionen bei Infrastrukturarbeiten, Rückenwind. Und natürlich: An die Schulen denken. "Die Schülerinnen und Schüler von heute sind unsere Mitarbeiter von morgen."

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