SZ-Serie zur Gerechtigkeit, Folge 6:Die Kleinen muss man fördern

Änderungen in der gesetzlichen Altersvorsorge begünstigen reiche Alleinstehende. Stattdessen sollten die Leistungen des Staates aber für Familien transparenter und zielgenauer werden.

Von Winfried Schmähl

Mit der Rentenreform 2001 wurden die Weichen neu gestellt: Das Niveau der gesetzlichen Renten wird spürbar sinken. Die Einbußen sollen die Versicherten durch mehr private und betriebliche Vorsorge kompensieren.

Damit sind vielfältige Verteilungseffekte verbunden, zwischen Jüngeren und Älteren, Männern und Frauen, Personen mit unterschiedlichem Einkommen, Alleinstehenden und Familien. Zwar profitieren Jüngere tendenziell von den Maßnahmen, doch sind die Wirkungen so gering, dass kaum von einer nennenswerten Verbesserung ihrer Einkommensposition in der Gesellschaft zu sprechen ist.

Aber es profitieren längst nicht alle Jüngeren. Wie eine Studie des Zentrums für Sozialpolitik der Universität Bremen zeigt, können vor allem Frauen, Angehörige mittlerer Einkommensgruppen sowie Familien, bei denen die Zeit der Kindererziehung größtenteils schon einige Jahre zurückliegt, eher benachteiligt werden. Ältere können ohnehin die Einbußen bei der gesetzlichen Rente nicht mehr durch private Vorsorge kompensieren.

Steuererleichterungen

Menschen mit hohem Einkommen profitieren von den Steuererleichterungen für die private Vorsorge am meisten, zudem können sie verschiedene Fördermöglichkeiten nutzen.

Die Förderung bewirkt eine Umverteilung zugunsten der oberen Einkommensschichten. An der Finanzierung der Förderung jedoch sind alle, auch Niedrigverdiener, beteiligt.

Auch wenn es populär ist, weitere Einschränkungen in der gesetzlichen Rentenversicherung zu fordern: Das wäre ein Abschied von der lohn- und beitragsbezogenen Rente. Schon heute benötigt ein Durchschnittsverdiener fast 26 Beitragsjahre, um ab 65 eine Rente auf Sozialhilfeniveau zu erhalten.

Durch die Riester-Reform wird die Zahl der erforderlichen Beitragsjahre auf 28 steigen. Bei Verwirklichung der Vorschläge der von der Regierung eingesetzten Nachhaltigkeitskommission wären rund 34 Jahre lang Beiträge zu zahlen. Besonders die geringer verdienenden Arbeitnehmer, viele Frauen etwa, können so kaum mit einer Rente oberhalb der Grundsicherung rechnen.

Widerstand

Eine Rentenversicherung jedoch, die nach jahrzehntelanger Beitragszahlung keine höhere Leistung bietet, als es sie ohne jede Vorleistung durch die Grundsicherung sowieso gibt, wird Legitimation und Akzeptanz verlieren, wird zu mehr Widerstand der Bevölkerung und Ausweichen in die Schattenwirtschaft Anlass geben.

Das lohn- und beitragsbezogene Rentensystem wäre nicht aufrecht zu erhalten. Die jüngsten Maßnahmen und auch die neuen Vorschläge bedeuten Schritte in Richtung auf eine (schließlich aus Steuern zu finanzierende) staatliche Grundrente, ergänzt durch kapital-fundierte private Altersrenten.

Das wäre jedoch ein falscher Weg. Vielmehr sollte auch in der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse von Anreizen zur Erwerbstätigkeit eine klare Verknüpfung von Vorleistungen und späteren Gegenleistungen bestehen.

Derzeit ist die staatliche Förderung der Privatvorsorge durch den Sonderausgaben-Abzug am größten für jene, die den höchsten Grenz-Satz in der Einkommensteuer zahlen. Dabei handelt es sich vor allem um gut verdienende Ledige ohne Kinder, die infolge der Steuerprogression höhere Renditen für ihre Privatvorsorge erwirtschaften können.

Fixkosten

Zwar hat bei geringen Einkommen die Zulage ebenfalls große Bedeutung. Doch bei niedrigen Ersparnissen steigt der Anteil der Fixkosten in der Kalkulation der Anbieter von Vorsorgeprodukten, so dass dort die Rendite tendenziell niedriger ausfällt. Außerdem sind bei Geringverdienern die Risiken größer, wegen finanzieller Engpässe Vorsorgeverträge ruhen zu lassen oder gar kündigen zu müssen.

Das alles ist sozialpolitisch nicht zu rechtfertigen. Hält man an der Förderung der Privatvorsorge fest, sollte sie kostenneutral zu Gunsten niedriger Einkommen umgeschichtet werden. So könnte der Gesamtbeitrag aus Eigenbeitrag plus staatlicher Zulage zur geförderten privaten Vorsorge einheitlich auf 525 Euro begrenzt werden.

Die Zulage sollte aber nicht mehr - wie bisher - einheitlich für alle sein, sondern gestaffelt werden: Bei kleinen Einkommen wäre sie voll zu zahlen, bei Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung würde sie auf Null sinken.

Die Zulage sollte allerdings nicht mehr nach der Kinderzahl gestaffelt werden. Durch die Kinderzulage bei der gegenwärtigen Riester-Förderung wird die ohnehin schon intransparente Gemengelage aus Kindergeld, Kinderfreibeträgen, kinderbezogenen Regelungen in derRenten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung noch komplexer.

Transparenz und Zielgenauigkeit

Stattdessen sollten die Leistungen des Staates für Familien transparenter und zielgenauer werden: durch die Erhöhung des Kindergeldes um einen einheitlichen Betrag. Dies wäre zugleich ein Weg, um der Forderung des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen, Familien mit Kindern in der Erziehungsphase finanziell zu entlasten.

Prof. Dr. Winfried Schmähl ist Direktor der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung des Zentrums für Sozialpolitik der Universität Bremen.

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