Immobilienmarkt:Wohnen beim Vorstandschef

Wohnungsbau

Für viele Investoren gilt immer noch: maximaler Gewinn, minimale Transparenz

(Foto: dpa)

Prominente Manager bleiben beim Kauf von Häusern gerne im Hintergrund, um vor Mietern Ruhe zu haben. Trotz des Transparenzregisters gilt oft immer noch: maximale Gewinne bei minimaler Transparenz.

Von Klaus Ott

Zum Beispiel die Autobranche. In der verdienen Vorstandsmitglieder besonders gut. Inzwischen schon legendär ist das Beispiel von Wendelin Wiedeking, dem früheren Chef des Sportwagen-Herstellers Porsche. In seinem besten Jahr kassierte der Manager mit dem markanten Schnauzbart um die 100 Millionen Euro. Ein Ausreißer nach oben, gewiss. Aber fünf, zehn oder noch ein paar Millionen Euro mehr sind oder waren in der obersten Etage durchaus drin. Nicht nur bei Volkswagen und den Töchtern Audi und Porsche. Aber wohin mit dem vielen Geld? Ganz einfach: Immobilien. Einer, der die Autobranche und deren Chefs jahrelang aus nächster Nähe erlebt hat, plaudert aus dem Nähkästchen. Ein Top-Verdiener habe einen ganzen Straßenzug in Berlin gekauft. Ein anderer besitze zahlreiche Wohnungen in München. Alles bestens vermietet. Aber so, dass die Mieter nicht wissen, an wen sie zahlen.

In der Regel würden beim Kauf der Wohnungen und Häuser Gesellschaften mit fiktiven Namen vorgeschoben, erzählt der Automann, der sich da gut auskennt. "Damit nicht jeder gleich sieht, wer dahinter steht." Damit der Vorstandschef seine Ruhe vor den Mietern habe. "Um keine Neider und sonst wen auf den Plan zu rufen." Seit Langem schon gibt es Steuerberater, Anwälte und Immobilienmakler, die sich auf diese Klientel spezialisiert haben. Die dann ihren Kunden schreiben, es sei anzuraten, dieses oder jenes Haus über eine Beratungsfirma als Generalübernehmer zu errichten. "Dies vor allem wegen der Anonymität", aber auch aus anderen Gründen. So heißt es auch schon mal, ein Besprechungstermin werde angeregt. Das ist nur ein Beispiel aus den vergangenen Jahren, der Name des betreffenden Vorstands tut nichts zur Sache.

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Transparenzregister mit "Schlupflöchern"

Die Spitzenverdiener aus der Autobranche stehen stellvertretend für viele Manager, und halbwegs leicht gemacht mit der Anonymität wurde es ihnen bislang auch. Einfach eine Firma vorschieben und vielleicht noch eine Firma dazwischenschieben. Welcher Mieter macht sich schon die Mühe, das Handelsregister zu durchforsten, um herauszufinden, bei wem er wirklich wohnt? Und mit Treuhandkonstruktionen war es früher sogar möglich, den eigentlichen Eigentümer völlig herauszuhalten aus öffentlich zugänglichen Einträgen im Grundbuch und im Firmenregister. Das hat sich in Deutschland erst mit dem 2017 geschaffenen Transparenzregister geändert.

Die Gesetzesnovelle hatte freilich nichts mit Automanagern und anderen Konzernvorständen zu tun, die den direkten Kontakt mit ihren Mietern scheuen. Das Transparenzregister hatte ganz andere Gründe. Nach der weltweiten Enthüllung mehrerer Hunderttausend Briefkastenfirmen im Zuge der Panama Papers und den darin enthaltenen Hinweisen etwa auf Schmier- und Drogengelder oder Steuerhinterziehung in großem Stil waren viele Parlamente und Regierungen unter Druck geraten. Auch die Europäische Union (EU) und deren Mitgliedsstaaten mussten handeln. Das deutsche Transparenzregister soll es schwieriger machen, Eigentumsverhältnisse zu verschleiern und Geld zu verstecken. Doch der Durchblick, der auch für Immobilienfirmen gilt, hat seine Grenzen.

In dem beim Bundesverwaltungsamt geführten Register müssen alle Beteiligten von Unternehmen, Genossenschaften und Stiftungen verzeichnet sein, die mehr als 25 Prozent der Kapital- oder Stimmanteile an einer Gesellschaft oder einem Unternehmen halten. Werden die Anteile stärker gesplittet, dann greift die neue Vorschrift nicht mehr. Das Verzeichnis enthalte "zu viele Schlupflöcher", bemängelt die Anti-Korruptions-Initiative Transparency International. Dabei gibt es durchaus Hinweise, dass gerade bei Immobiliendeals immer wieder Einträge vermieden werden oder nur unvollständig sind. Bei dieser Branche handele es sich "aufgrund der dort vorhandenen hohen Transaktionsvolumina um einen Sektor mit herausgehobenem Risiko", hieß es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen.

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Gute Zeiten für Anleger, schlechte Zeiten für Wohnungssuchende

Einblick ins Transparenzregister haben vor allem Behörden, aber auch Personen, die ein "berechtigtes Interesse nachweisen können". Es sei "nicht erforderlich, dass jedermann Zugang zu diesem Register erhält", schreibt das Bundesfinanzministerium. Aus dem Justizministerium heißt es, ein berechtigtes Interesse könne beispielsweise bei Mietern vorliegen, die sich über ihren Vermieter informieren wollten. Doch das hilft wenig, wenn es um Immobilienfonds oder -gesellschaften mit zahlreichen Anteilseignern und Hinterleuten geht. Im Falle eines in Berlin tätigen Wohnungsunternehmens, das sich in den 2017 von der SZ und anderen Medien veröffentlichten Paradise Papers fand, waren das 167 Geldanleger. Ein Kinostar, ein Tennisprofi, ein Rennfahrer, ein früherer Fußballprofi und viele andere Millionäre aus dem Ausland. Sie hatten in den deutschen Immobilienmarkt investiert, weil der als besonders lukrativ gilt.

Immer höhere Mieten; Wohnungen, die verkauft werden und aus denen die Mieter dann ausziehen müssen: Für Anleger, die ihr Vermögen vermehren wollen, sind das gute Aussichten. Für diejenigen, die bezahlbare Wohnungen suchen, sind es schlechte Zeiten. Und wo das Geld am Ende bleibt, ist ungewiss. Für die Investoren bedeutet das: maximale Gewinne bei minimaler Transparenz. Da hilft auch das neue Register nichts. Das schafft im Zweifelsfall nur Klarheit beim Vorstandschef, der sich auf eigene Rechnung ein paar Häuser zulegt und nicht hinter einer Investorengesellschaft versteckt.

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