SZ-Serie:Schnell, unerwartet, zerstörerisch

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Rapide Kursverluste an den Aktienmärkten passieren häufiger als man denkt.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Für einen rapiden Kursverlust an den Börsen gibt es viele mögliche Auslöser. In Argentinien purzelte der Aktienleitindex am Montag um 35 Prozent. Binnen weniger Stunden hatten Anleger ein Drittel ihres Geldes verloren. Als Grund für die Panik gilt der mögliche Präsidentschaftswechsel, der sich nach den Vorwahlergebnissen angedeutet hat.

Ein Börsencrash kommt stets wie ein Taifun: schnell, unerwartet und zerstörerisch. Politische Turbulenzen gepaart mit staatlicher Überschuldung sind eine mögliche Ursache für das Preischaos; die Russland- und Asienkrise in den Jahren 1997 bis 1999 legen davon eindrücklich Zeugnis ab. Mitunter gibt es an den Börsen aber auch irrationale Spekulationsorgien, etwa im Zuge des Internetbooms bis 2000. Die globale Finanzkrise ab 2008 folgte einer explosiven Melange überschuldeter Immobilienbesitzer, maroder Banken und gefährlicher Börseneuphorie. Auch die zunehmende Automatisierung des Aktienhandels birgt Risiken. Im Jahr 2010 verlor der amerikanische Index Dow Jones binnen Minuten massiv an Wert - ohne erkennbaren Grund. Erst später wurde bekannt, dass automatisierte Handelsprogramme (Algorithmen) verrückt gespielt hatten, was die Kursverluste auslöste und verstärkte.

Die meisten Investoren halten einen Crash immer noch für ein äußerst seltenes Ereignis, obwohl es in den vergangenen 20 Jahren recht oft gekracht hat. Sie verweisen auf das Gauß'sche Gesetz der Normalverteilung. Dieses besagt, dass extreme Ereignisse ganz selten vorkommen. Man kann es mit durchschnittlichen Bevölkerungsgrößen vergleichen. Die meisten Männer haben eine Größe um die 1,80 Meter. Diejenigen über zwei Meter und die unter 1,70 Meter sind zu wenige, um den Durchschnitt zu beeinflussen. Ähnlich sei es mit der Rendite an den Aktienmärkten.

Der 2010 verstorbene Mathematiker Benoit Mandelbrot hat dieser Ansicht zeitlebens widersprochen. Schon 1962 publizierte er seinen Aufsatz von den "rauen Finanzmärkten", an denen 364 Tage nicht viel passiere, doch wo der 365. Tag über Bankrott oder Milliardengewinn entscheide. Mandelbrot begründete das viele Jahre später so: "Nach der konventionellen mathematischen Normalverteilung hätte es zwischen 1916 und 2003 nur 58-mal passieren dürfen, dass der amerikanische Dow-Jones-Aktienindex an einem Tag mehr als 3,4 Prozent steigt oder fällt. In Wahrheit geschah dies an 1001 Tagen", so seine Berechnungen. Außerdem hätte laut Theorie eine Sieben-Prozent-Schwankung des Dow Jones nur alle 300 000 Jahre vorkommen dürfen, doch tatsächlich sei dies zwischen 1916 und 2003 insgesamt 48-mal geschehen. Mandelbrots Fazit: Crashs kommen häufiger als man denkt, Anleger müssten auf Extremereignisse vorbereitet sein.

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