SZ-Serie: Die großen Spekulanten (42):Born to be wild

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Jim Rogers stellte mit seinen Weltreisen Rekorde auf. Anschließend rief er den Rohstoffboom aus - und seitdem hängen die Anleger an seinen Lippen.

Simone Boehringer

Die zweisprachigen Visitenkarten, die er ausgibt, sprechen Bände: Eine Seite ist englisch bedruckt, die andere mit chinesischen Schriftzeichen: James B. Rogers, JR. (für Junior) steht darauf. Das ehrt seinen Vater, doch berühmter ist der Sohn: Der 66-Jährige ist das, was man eine Investmentlegende nennt.

Investmentlegende Jim Rogers (Foto: Foto: Heddergott)

Bekannt geworden ist Rogers in den 70er Jahren, als er mit dem heute noch sehr viel berühmteren George Soros den Quantum Hedge Fonds gründete und damit reich wurde. 1980 ließ sich der damals 37-Jährige auszahlen, der Fonds hatte binnen knapp zehn Jahren um 4200 Prozent zugelegt. Amerikanische Standardaktien schafften in derselben Zeit nicht einmal ein Plus von 50 Prozent. In Rogers Lebenslauf steht an dieser Stelle, also seit 1980: privater Investor, im Ruhestand. Bis 1998 hält er noch als Gastprofessor Vorlesungen an der Columbia Universität, moderiert TV-Shows und arbeitet als Kolumnist und Kommentator, unter anderem für den US-Fernsehsender CNBC. Anstellen lässt er sich nicht mehr.

Das betont er auch gleich im Gespräch mit der SZ: "Ich halte Vorträge, schreibe Bücher und bekomme Lizenzgebühren, aber arbeiten im herkömmlichen Sinne, nein", antwortet Rogers auf die Frage nach seiner momentanen Tätigkeit. Für einen selbsternannten Rentner ist sein Pensum allerdings enorm. Erst Ende Oktober zum Beispiel jettete der kleine quirlige Mann binnen einer Woche um die halbe Welt: Zürich, Frankfurt, Dubai, Frankfurt, Stockholm, Genf, Brüssel, lautet der Flugplan einer Roadshow, auf den ihn die ABN-Amro-Bank in der Schweiz eingeladen hatte.

Rogers rief Rohstoffindex ins Leben

Als einer der ersten Börsenexperten überhaupt hatte Rogers in den 90er Jahren einen neuen Boom für Rohstoffe ausgerufen. Als andere noch die Aktienhausse der New Economy feierten, die bald darauf in sich zusammenbrach, schuf der langjährige Wahl-New-Yorker einen Rohstoff-Index.

Das ist ein Kursbarometer, das die Entwicklung von Agrar- und Energierohstoffen, Basis- und Edelmetallen gleichzeitig widergibt. In der Finanzwelt wird der Rogers International Commodity Index, kurz Rici, heute fast genauso beachtet wie die weit länger etablieren Barometer der Nachrichtenkonzerne Reuters und Dow Jones. Die jüngst von der Royal Bank of Scotland übernommene ABN Amro hat viele Zertifikate auf Basis des Rici aufgelegt. Lizenzhalter Rogers kassiert mit.

Wie viel Geld er derzeit verdient oder wie reich er damals mit Soros und dem Quantum-Fonds geworden ist, will Rogers für sich behalten: "Es gibt in Amerika eine Menge Leute, die gerne über ihr Geld reden. Ich komme aus einer Familie, da macht man das nicht." Er erzählt lieber von seinem ersten Job, im zarten Alter von fünf Jahren: Leere Flaschen habe er eingesammelt bei Baseballspielen. Damals in dem 8000-Seelen-Städtchen Demopolis im US-Bundesstaat Alabama, wo der Sohn des Managers einer Chemiefabrik wohlbehütet von seiner Mutter die Kindheit verbrachte.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Rogers seinen Traum von einer Welttour auf dem Motorrad verwirklichte und es ins Guiness Buch der Rekorde schaffte.

Ledermontur statt Anzug

Mit seinem speziell umgebauten Mercedes SLK umrundeten Jim Rogers und seine Frau Paige Parker die Welt. (Foto: Foto: Reuters)

Jedenfalls nutzt Rogers sein zweifellos üppiges Vermögen, um sich Träume zu erfüllen, weit weg von der New Yorker Wall Street, dem Zentrum der globalen Finanzwirtschaft. In New York hatte Rogers nach einem ausführlichen Geschichts-, Philosophie- und Wirtschaftsstudium an den Elite-Universitäten in Yale und Oxford 1969 seine Laufbahn bei einer kleinen Brokerfirma begonnen und bald darauf den zwölf Jahre älteren George Soros kennengelernt. Aber zurück zu den Träumen: Privatier Rogers tauschte wenige Jahre nach dem Ausstieg aus dem Quantum-Fonds seine grauen dreiteiligen Anzüge mit wechselnden bunten Fliegen gegen eine Ledermontur und stieg aufs Motorrad.

"Auf zwei Rädern bis an die Chinesische Mauer zu gelangen und einen großen Teil der Menschheit besser verstehen zu lernen, erschien mir die perfekte Alternative zum ständigen Druck, der von der Wall Street ausging", schreibt Rogers im Vorwort seines neuesten Buches. Er erklärt darin, wie Anleger heute im Reich der Mitte Geld verdienen können. Dass es so ein Buch geben wird und er mit diesem und anderen Titeln auch gutes Geld verdienen würde, hat er freilich bei seiner Tour 1984 nicht gewusst. Dass er es mit einer weiteren Motorradtour von 1990 bis 1992 nicht nur ins Guiness Buch der Rekorde schaffte, sondern diese Weltreise gleichfalls in einem Buch vermarktete, lässt jedoch den ausgeprägten Geschäftssinn Rogers erahnen.

Zur Jahrtausendwende fuhr er gleich noch einmal um die Welt, fast drei Jahre lang, legte mit seiner Frau in einem umgebauten Geländewagen fast 250.000 Kilometer zurück. Und wieder folgten ein Guiness-Buch-Eintrag und ein Buch über die Reise. Doch Rogers hat noch etwas für Börsianer viel Wertvolleres mitgenommen von seinen Abenteuer-Trips als Weltoffenheit und Lebenserfahrung: das Gespür für gute Investmentideen. "Ich lasse mich von Angebot und Nachfrage leiten. Und für viele Rohstoffe gibt es schlicht ein begrenztes Angebot bei gleichzeitig steigender Nachfrage", erklärt Rogers gerne seine Investmentphilosophie.

Bauer statt Banker

Vor zwei Jahren rechnete er mit einer andauernden Rohstoffhausse für die folgenden 15 Jahre. Auf dieses Timing will er sich nach den jüngsten Verwerfungen an den Finanzmärkten nicht mehr exakt festlegen lassen. Er sagt aber auch: "Ich habe meine Rohstoffinvestments nicht verkauft." Wie praktisch alle Börsenbarometer hat allerdings auch Rogers' Rici-Index deutlich an Wert eingebüßt. "Wir haben eine Rezession, na und? Die hatten wir auch in den 70er Jahren, und dennoch sind die Rohstoffe weiter haussiert", schiebt er fast beleidigt hinterher.

Auch auf seiner jüngsten Vortragsreise lässt er keinen Zweifel daran, dass vor allem die Preise für Agrarrohstoffe wieder anziehen werden: "Jeder Banker sollte sich überlegen, ob er nicht lieber Bauer wird." In den vergangenen Jahren seien viele 29-jährige Investmentbanker mit Maseratis herumgefahren. Die müssten nun Taxis nehmen und sollten lernen, Traktor zu fahren. In zehn bis 15 Jahren "werden Bauern Maserati fahren".

Rogers' Zuversicht für landwirtschaftliche Produkte gründet auf dem explosiven Wachstum der Weltbevölkerung. Dem stehe zurzeit, auch wegen der Finanzkrise, ein begrenztes Angebot gegenüber. "Viele Farmer bekommen nicht mehr die Kredite, um ausreichend Dünger zu kaufen." Minenbetreiber stünden vor ähnlichen Problemen: Es fehle das Geld, um in neue Vorkommen zu investieren. Die zuletzt eingebrochenen Metall- und Edelmetallpreise sorgten dafür, dass viele Bergwerke unrentabel arbeiteten, täglich müssten welche schließen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso Rogers wütend auf die US-Notenbank ist.

Fed schuld an Krise

Befragt nach den Ursachen der Finanzkrise, wird Rogers regelmäßig wütend. Schon vor einigen Wochen riet er dem amerikanischen Zentralbankchef Ben Bernanke in einem Interview, zurückzutreten und sein Institut gleich mit abzuschaffen. "Die Federal Reserve hat viele Fehler gemacht", findet Rogers, den größten und folgenreichsten seiner Ansicht nach 1998.

Damals sprang Bernankes Vorgänger Alan Greenspan in die Bresche und organisierte Kredite, als der Hedgefonds LTCM wegen Fehlspekulationen im Zuge der Russlandkrise kollabierte. "Hätte die Fed damals LTCM nicht geholfen, würde die Wall Street heute normal weiterarbeiten", ist Rogers überzeugt. Seit damals könnten Banken fast sicher davon ausgehen, dass ihnen im Notfall die US-Notenbank oder der Staat hülfen, mit entsprechenden Folgen für die lasche Praxis der Kreditvergabe.

"Die Welt wäre besser dran ohne Zentralbanken", glaubt Rogers und fordert, die Suche nach der künftigen Leitwährung im Wettbewerb zu suchen. "Der Markt soll entscheiden, welche Währung die beste ist, sonst niemand." Sein persönlicher Favorit ist der chinesische Yuan. "China hat eine hohe Produktivität, hohe Spar- und hohe Investitionsraten." Alles spreche dafür, dass das Land in fünf Jahren besser dastehen werde als der Rest der Welt. "Die Menschen dort haben alles noch vor sich, was Amerika und Europa hinter sich haben."

Aus dieser Einschätzung hat Rogers auch persönlich Konsequenzen gezogen und den Wohnsitz von Manhattan nach Singapur verlegt. Dort lebt er mit seiner zweiten Frau und seinen Töchtern Happy und Baby Beeland. Sie sind fünf Jahre und sieben Monate alt. Die beiden bereitet Rogers auf ein Leben in einer nicht mehr westlich geprägten Welt vor. Sie haben ein chinesisches Kindermädchen, lernen Mandarin. Er selbst glaubt sich zu alt für die neue Sprache. Seinem Ruf dürfte das nicht schaden. Der Nachrichtensender n-tv hat jüngst Rogers' Leben verfilmt. Bisher erschienen in dieser Reihe zwei Legenden: Warren Buffett und George Soros.

© SZ vom 18.11.2008/ld/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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