SZ-Serie: Die großen Spekulanten (37):Musterschüler des Altmeisters

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Hedgefonds-Manager Mohnish Pabrai gilt als Warren Buffetts erfolgreichster Nachahmer. Seine Strategie: Viel schlafen und Gespräche mit dem Management meiden.

Jürgen Leidinger

Es war kein alltäglicher Brief, der vor neun Jahren in Warren Buffets Büro eintraf. Ein indischstämmiger Amerikaner namens Mohnish Pabrai bot dem bekanntesten Investor unserer Tage seine Dienste an, genauer: Er wollte vom Boden schrubben aufwärts alles erledigen, was von ihm verlangt würde, und dafür nicht einmal Geld nehmen. "Würde Jesus mich auffordern, etwas für ihn zu tun, gäbe es auch keine Diskussionen über Entlohnung", sagte Pabrai später dem Wall Street Journal. Buffett lehnte damals dankend ab.

Mohnish Pabrais großes Vorbild ist Warren Buffett. (Foto: Foto: Bloomberg News)

Pabrai hat mittlerweile selbst ein Vermögen gemacht. Doch wann immer ihn jemand in einem seiner seltenen Interviews nach seinem Geheimnis fragt, verweist der 43-Jährige auf das große Vorbild aus Amerika: Alles, was er erreicht habe, verdanke er Buffett. Er selbst sei nur ein Nachahmer.

Lehrreiche Niederlage

In Wahrheit hatte er bereits beachtliche Erfolge als Unternehmer gefeiert, als er im Jahr 1994 zum ersten Mal überhaupt in einem Buch auf den Namen Warren Buffett stieß. In Indien aufgewachsen, kam Pabrai in die USA, um an der Clemson University in South Carolina zu studieren. Nach seinem Abschluss als IT-Ingenieur arbeitete er zwei Jahre beim Telekommunikationsunternehmen Tellabs. Mit Ersparnissen von 30.000 Dollar und einem Kredit über 70.000 Dollar gründete er 1990 den IT-Dienstleister Transtech.

Zehn Jahre später verkaufte er das inzwischen hochprofitable Unternehmen. Nach diesem Erfolg gründete Pabrai erneut eine Firma. Sie sollte junge Internetfirmen in ihrer Startphase unterstützen. Doch die Internetblase platzte und Pabrais Gründung war schon ein Jahr nach dem Start pleite.

Pabrai hat jedenfalls einiges aus dieser Schlappe gelernt, wie er später immer wieder sagte. Seine unternehmerischen Erfahrungen machte er sich für die Arbeit im Finanzbereich zunutze, mit dem er schon seit Jahren liebäugelte. Angefangen hatte alles mit Peter Lynchs Anlageratgeber "Der Börse einen Schritt voraus". Pabrai las das Buch im Jahr 1994, als er sich Gedanken darüber machte, wie er sein bereits beachtliches Privatvermögen vermehren könnte. Lynch orientiert sich an den Grundsätzen des Value Investing, einer Anlagestrategie, die schon in den dreißiger Jahren von Benjamin Graham begründet wurde.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie Pabrai mit dem Value Investing reich wurde - und auf welche Unternehmen der Spekulant derzeit setzt.

Zur Schule des Value Investing gibt es Berge von Literatur und viele unterschiedliche Auslegungen. Im Kern geht es aber darum, abseits aktueller Börsentrends Unternehmen zu finden, deren Aktien an der Börse unterbewertet sind. Maßstab ist der sogenannte inneren Wert eines Unternehmens. Dieser entspricht der Summe, die ein gut informierter Käufer für das gesamte Unternehmen bezahlen würde. Der Markt bewertet diesen tatsächlichen Unternehmenswert nach Ansicht der Value-Investoren nicht immer richtig - neben mangelhaften Informationen spielt bei Fehleinschätzungen auch die Psychologie der Marktteilnehmer eine große Rolle. Wer ein unterbewertetes Unternehmen ausmacht, kann demnach bei relativ geringem Risiko langfristig mit guten Renditen rechnen.

Pabrai war von dieser Methode begeistert. Er besorgte sich alles Material, was er zum Thema finden konnte, und befasste sich damit zwangsläufig auch mit dem erfolgreichsten aller Value Investoren, Warren Buffett, der wiederum beim Gründer Graham gelernt hatte.

Traumrenditen von bis zu 70 Prozent

Buffett hatte vorgemacht, wie man mit klugen und langfristigen Investments ein Milliardenvermögen verdient. Weil seine einzigartige Erfolgsgeschichte auf einfachen und bekannten Prinzipien beruht, erschien es Pabrai nur logisch, das große Vorbild zu kopieren. Erst investierte er eine Million Dollar eigenes Geld. Der hochbegabte Pabrai, seit seiner Jugend Mitglied bei Mensa, einer Gesellschaft für Menschen mit einem Intelligenzquotienten jenseits der 130, entpuppte sich als geborener Investor.

Mit seinen privaten Anlagestrategien soll er in den ersten Jahren Renditen bis zu 70 Prozent erzielt haben. Als Orientierung diente ihm vor allem der frühe Buffett der sechziger Jahre, der damals einen kleinen Hedgefonds führte. Im Jahr 1999 tat es Pabrai dem Vorbild gleich und gründete seinen eigenen Hedgefonds: Startkapital waren damals eine Million Dollar, zu gleichen Teilen von Pabrai selbst und neun Bekannten aufgebracht. Bis 2007 schaffte der Pabrai Fund durchschnittlich 29 Prozent jährliche Rendite. Das Fondsvolumen liegt bei mehreren hundert Milliarden Dollar.

Pabrai investiert in maximal fünfzehn unterschiedliche Werte. Aktuell nehmen der südamerikanische Stahlerzeuger Ternium und der Handelskonzern Sears Holdings Corporation die größten Positionen im Portfolio ein. Unter Privatanlegern, die sich in den USA seit einigen Jahren zunehmend über das Internet vernetzen, avancierte Pabrai zum Star. Auf Seiten wie Stockpickr.com oder Gurufocus.com, wo man die Bewegungen in den Portfolios bekannter Investoren beobachten kann, findet sich Pabrais Fonds unter den meistbeachteten. Der Mann, der von sich behauptet, alles nur von einem anderen abgeschaut zu haben, gehört also selbst bereits zu den meistkopierten Anlegern.

Lesen Sie im dritten Teil, wie sich die Finanzkrise auf Pabrais Investments auswirkt - und wieso er sich jeden Tag ein Mittagsschläfchen gönnt.

Die Finanzkrise hat freilich auch Buffetts Musterschüler nicht verschont. Er investierte in Delta Financial, einen Anbieter von Subprime-Krediten, und fiel auf die Nase, weil das Unternehmen Insolvenz anmelden musste. Den Anlegern bescherte dieses Fehlinvestment erstmals ein Jahresminus im einstelligen Prozentbereich. In Anbetracht der Lage an den internationalen Finanzmärkten wird auch das laufende Jahr sicher keine Wunderrenditen mehr bescheren. Doch Pabrai bleibt bei seinen langfristigen Zielen: die großen Indizes schlagen, aber mit einer kleineren Marge als bisher.

Hohe Rendite, geringes Risiko

Bislang hat Pabrai zwei Bücher veröffentlicht, in denen er Privatanlegern Tipps gibt. Im jüngsten Werk vergleicht er seine Grundsätze mit der Wirtschaftsauffassung der Patels, einer ethnischen Minderheit aus seiner Heimat. Die Patels leben in der Provinz Gujarat im Nordwesten des indischen Subkontinents. In den siebziger Jahren sind viele von ihnen in die Vereinigten Staaten ausgewandert, wo sie innerhalb relativ kurzer Zeit eine ganze Branche übernahmen. "Weniger als einer unter 500 Amerikanern ist ein Patel. Deshalb ist es erstaunlich, dass mehr als die Hälfte aller Motels im gesamten Land von Patels betrieben werden", schreibt Pabrai in dem Buch "The Dhandho Investor", das vergangenes Jahr erschienen ist.

Dhandho heißt das Wirtschaftsprinzip der Patels. Pabrai übersetzt es in denkbar einfache Regeln für Anleger, allen voran: Investiere in Werte mit hohem Renditepotential bei möglichst niedrigem Risiko. Was wie eine Binsenweisheit klingt, entspricht gerade eben nicht dem Muster, nachdem die meisten Anleger gestrickt sind. In der Realität gehen viele Erfolgschancen mit hohen Risiken einher. Die Kunst eines guten Investors, wie in Pabrai beschreibt, besteht darin, aus der Unzahl börsengehandelter Unternehmen gerade jene herauszufiltern, die diesen einfachen Kriterien überhaupt entsprechen könnten.

Störende Hektik

Damit ihm dieses Kunststück selbst gelingt, verbringt Pabrai den größten Teil seiner Arbeitswoche mit Lesen. In seinem kalifornischen Büro, das mit unzähligen Buffett-Fotos dekoriert ist, durchforstet er Zeitungen, Wirtschaftsmagazine und Bücher. Wenn er ein bestimmtes neues Unternehmen ins Auge gefasst hat, besorgt er sich alle Informationen, die öffentlich zugänglich sind. Kontakte zum Management von Unternehmen, in die er investiert oder investieren will, vermeidet er grundsätzlich.

Überhaupt versucht er, nicht mehr als einen Termin in der Woche wahrzunehmen und hält täglich einen kurzen Nachmittagsschlaf. "Mein dauerhafter Modus Operandi besteht darin, dass ich annehme, ich sei einfach ein vornehmer Müßiggänger und nicht in der Investmentbranche", sagte Pabrai einmal in einem Interview. Die Hektik der Branche und die optimistischen Prophezeiungen der Unternehmensführer seien es, die einen von den wirklich guten Anlagen ablenken. Nur einige Male im Jahr stößt Pabrai auf neue potentielle Anlagemöglichkeiten. Dann kann es schon passieren, dass er sich tagelang nur mit einem einzigen Unternehmen beschäftigt.

Mit Buffett verbindet ihn nicht nur seine konservative Anlagestrategie. Beide spielen leidenschaftlich gerne Bridge und beide finanzieren gemeinnützige Stiftungen. So fand sich auch ein Gesprächsthema, als Pabrai 2007 endlich den Zuschlag für das begehrte Steak-Essen mit Buffett bekam, das jährlich über das Internetauktionshaus Ebay versteigert wird. In vier vorangegangenen Auktionen war er von anderen Buffet-Jüngern überboten worden. Gemeinsam mit einem Partner bezahlte er schließlich die Rekordsumme von 650.100 Dollar. Beim Essen sollen sich die Herren nicht über Investments unterhalten haben, sondern über ihr Engagement für wohltätige Zwecke.

© SZ vom 14.10.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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