Die Reporter sind an diesem Abend die Ersten, die Allerersten, die vor der New York Public Library auf ihn warten. Es ist Montag, der 18. Juni 2007, 19.30 Uhr. Wie es sich für einen echten Star gehört, lässt er auf sich warten. Pünktlichkeit ist auf der ganzen Welt verboten.
Es ist heiß, kein Lüftchen auf der Fifth Avenue, nur der Gestank der Abgase und der Schweißgeruch der Kameramänner, die sich bei Starbucks noch schnell einen Becher eiskalten Kaffee geholt haben. Zusammen mit ihren Tonleuten und einer Handvoll aufgebrezelter Fernsehmoderatorinnen drängen sie sich vor dem Treppenaufgang der Bibliothek. Jeder will das beste Bild. Jeder will das beste Statement. Jeder will: den Star. Also noch mal schön: schieben, drücken, rempeln.
Provokateur und Draufgänger
Der Star an diesem Montagabend heißt Stephen Schwarzman, er ist 60 Jahre alt, kämmt seine grauen Haare zum Seitenscheitel und ist einer der reichsten Menschen dieses Planeten. Er soll an diesem Abend in der Bibliothek geehrt werden.
An Tagen wie diesen hasst es Schwarzman ein Star zu sein. Also pfeift er auf die Meute, nimmt den Seiteneingang. Er hat keine Lust auf kritische Fragen. Vier Tage zuvor hat ihn das Wall Street Journal öffentlich gedemütigt.
Das mächtigste Finanzblatt der Welt hat ihn, Stephen Schwarzman, Chef des mächtigsten Finanzinvestors der Welt, beleidigt. Das Journal zitierte Schwarzman mit seiner Auffassung von Business. Erstens: "Ich will Krieg - nicht eine Serie von Scharmützeln." Zweitens: "Ich denke immer daran, was meinen Gegner umbringen könnte."
Manchmal sind es zwei Sätze, die genügen. Aber es kam noch dicker: Schwarzman soll sich, so weiß es das Journal, während eines 400-Dollar-Dinners - es gab Flusskrebse - über die quietschenden Schuhsohlen der Kellner beschwert haben.
Mit einem Schlag wurde aus dem "König der Wall Street" ( New York Times) das Ekel der Wall Street. Dieses Etikett, so meinen Kritiker, passe ganz gut in eine Zeit von rücksichtslosen Kapitalisten, die den Dow Jones, die Immobilien- und Kunstpreise in die Höhe treiben, während die Einkommen der hart arbeitenden Amerikaner stagnieren oder schrumpfen.
Betteln um Startkapital
Bis Schwarzman zum "König der Wall Street" wurde, musste er erstmal Klinken putzen, um Geld für seine Geschäftsidee einzusammeln. Als er 1985 zusammen mit seinem Partner, dem früheren US-Handelsminister Peter Peterson, den Finanzinvestor Blackstone gründete, schuf er ein neues Unternehmensmodell in der Finanzbranche: Private Equity.
Private Equity ist privates Kapital, mit dem sich Investoren an einem Unternehmen beteiligen. Das Unternehmen wird entweder umgekrempelt und dann gewinnbringend verkauft oder zerlegt, um für die Einzelteile mehr als den Kaufpreis zu erzielen. Ein raues Geschäft, Schwarzman ist einer der Besten.
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1985, als er mit 400.000 Dollar Startkapital anfing, um weiteres Geld für Firmenübernahmen einzutreiben, sagten ihm erst einmal 488 mögliche Investoren mehr oder weniger höflich ab. Schwarzman musste hartnäckig bleiben, solange bis Jack Welch, der legendäre General-Electric-Chef, und andere endlich die erhoffte Starthilfe gaben.
22 Jahre später, vier Tage nachdem er im Seiteneingang der New York Public Library verschwand, verkauften er und Peterson einen Teil ihrer Firma über die Börse. Selbst die chinesische Regierung kaufte Blackstone-Aktien. Schwarzman bekam durch den Verkauf 450 Millionen Dollar. Fast acht Milliarden Dollar ist der 23-Prozent-Anteil wert, den er weiterhin hält. Sein geschätztes Jahresgehalt: 400 Millionen Dollar.
Am Tag des Börsengangs arbeitete Schwarzman bis acht Uhr abends, sein Fahrer brachte ihn vor die Haustür seines 35-Zimmer-Apartments in der Park Avenue, er setzte sich vor den Fernseher und aß zu Abend. Ganz allein. Seine zweite Frau, Christine, war in Afrika auf Safari. "Alles was ich wollte, war ein normaler Abend vor dem Fernseher", sagt er. Einfach mal in Ruhe CSI gucken. Doch dann sah er eine Live-Diskussion auf CNBC. Es ging um Blackstone, um sein Gehalt und natürlich um den Artikel im Wall Street Journal.
Extravaganter Lebensstil
Damals, vor gut einem Jahr, bekam Schwarzman das ab, was ihm sein 20 Jahre älterer Partner Peterson schon immer prophezeit hatte: "Ich kaufe im Schlussverkauf ein und fahre mit dem Zug nach Washington, um Geld zu sparen. Steve lachte mich aus. Er stammt aus einer anderen Generation. Er liebt den Konsum. Er will alles und er will es jetzt."
Mit seinem dekadenten Lebensstil avancierte Schwarzman zum leichten Ziel der Wall-Street-Kritiker. Er zahlte 37 Millionen Dollar für sein Park-Avenue-Domizil, das einst dem Ölmagnaten John D. Rockefeller gehörte. 20,5 Millionen Dollar kostete das Four Winds in Florida, ein Stück Land zwischen dem Ozean und einer Wasserstraße. Dann besitzt er noch ein 34-Millionen-Dollar-Haus in den Hamptons, eines an der Küste von Saint Tropez, eines in Jamaika.
Zu seinem 60. Geburtstag machte er sich selbst das schönste Geschenk. Keine neue Immobilie, viel besser: Er landete den teuersten Deal, den die Branche der Private-Equity-Investoren bisher gesehen habt. Für 39 Milliarden Dollar schnappte sich seine Beteiligungsgesellschaft Blackstone nach einem langen Bieterduell den größten US-Immobilienkonzern.
Das musste gefeiert werden. Auf seiner Geburtstagsparty. Schon Tage vor dem Fest wurde Schwarzmans Feier mit den legendärsten Bällen verglichen, die New York jemals erlebt hatte: Truman Capotes "Black and White Ball" 1966; der Hochzeitsempfang des Finanziers Saul Steinberg für seine Tochter 1988 mitten im Metropolitan Museum. Die New York Times schrieb in der Woche vor Schwarzmans Fest: "Mehr Gerüchte um seine Party als um seine Geschäfte."Mit 500 Gästen feierte er. Der Spaß kostete einige Millionen Dollar. Rod Stewart musste schließlich auch für seinen Auftritt bezahlt werden.
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Stephen Schwarzmans Aufstieg ist eine Geschichte wie sie Amerikaner lieben: Vom Mittelklasse-Jungen aus der Vorstadt Philadelphias zum Milliardär mit Luxus-Apartment an der Park Avenue.
Havard-Studium und Karriere bei Lehman
Schwarzmans Vater verkaufte Bettwäsche, seine Mutter, die aus der Bronx stammt, kümmerte sich um die drei Söhne. Als Stephen 15 Jahre alt war, schlug er seinem Vater vor, mehrere Bettwäsche-Läden aufzumachen. Sein Vater sagte: "Ich habe schon genug Geld, Dich und deine Brüder aufs College zu schicken. Wir haben ein nettes Haus und zwei Autos. Mehr will ich eigentlich nicht im Leben." Stephen verstand das nicht. "Ich wollte immer mehr haben", sagt er rückblickend.
Schwarzman studierte an der Havard Business School und fing bei Lehman Brothers in New York an, bis er Mitte der achtziger Jahre zusammen mit Peterson Blackstone gründete.
Ein guter Zeitpunkt für den Ausstieg. Kurz nachdem die beiden Lehman verlassen hatten, wurde der größte Insiderhandel-Skandal in der Geschichte der Wall Street bekannt. Bekannte Händler wie Ivan Boesky und Michael Milken wurden verhaftet und auch ein früherer Kollege von Schwarzman und Peterson war verwickelt. Schwarzman konnte niemand etwas nachweisen. Ein Spekulant, sicher das war, das ist er nach wie vor. Aber am Insiderhandel war er nicht beteiligt.
Straffes Arbeitspensum
Nach seinem Ausstieg bei Lehman arbeitete Schwarzman wie ein Besessener. Er steht auch heute noch zwischen vier und fünf Uhr morgens auf, arbeitet bis zehn Uhr abends. Einmal ging er mit seiner ersten Frau Ellen in die Carnegie Hall. Als die Vorstellung anfing, holte er Akten hervor und studierte diese. Kurz darauf ließ sich Ellen von ihm scheiden.
Die Neunziger waren, so erzählte ein früherer Mitarbeiter Schwarzmans dem Magazin New Yorker, verdammt harte Jahre. "Es war lächerlich", erinnert sich der Mitarbeiter, "wenn Steve sagte: Springt! Dann sprangen alle."
Heute, so scheint es, springen zwar immer noch alle, wenn Steve es will. Aber Schwarzman muss auch aufpassen, dass die Kritiker nicht auf ihm herumspringen. Wie es aussieht, hat er auf seinen guten alten Partner Peterson gehört: Schwarzman stellt seinen ausschweifenden Lebensstil nicht mehr so offen zur Schau. Er zieht sich zurück.
Nelson Aldrich, Chronist und Autor der Reichen-Bibel "Old Money" sagt: "Für ihn gibt es keine Leiter mehr zu erklimmen. Er ist oben." Schwarzman ist vorsichtig geworden, manchmal nimmt er lieber den Seiteneingang, denn er weiß: Es ist schön, zu sehen, wie ein Star geboren wird und nach oben klettert; aber manchmal ist es noch schöner, dabei zuzusehen, wie er abstürzt.