Alwaleed Bin Talal braucht Geld. Er ist 25 Jahre alt, es ist das Jahr 1980, die Wirtschaft in Saudi-Arabien boomt und er will Teil haben am Wachstum. 30.000 Dollar Startkapital hat ihm sein Vater gegeben und ein kleines Haus. Doch das Geld ist schon aufgebraucht.
Nun sitzt er bei der Saudi American Bank, die teilweise der Citibank gehört, und bittet um einen Kredit. Er bekommt ihn. Das Institut gibt ihm 300.000 Dollar, als Sicherheit dient das kleine Haus.
Immerhin ist es nicht irgendjemand, der da nach einem Kredit verlangt: Alwaleed Bin Talal gehört dem saudischen Königshaus an, er ist ein Prinz. Doch allzu viel heißt das nicht: Es gibt damals mehr als 5000 Prinzen in Saudi-Arabien.
Zehn Jahre später ist alles anders. Das Schicksal hat sich gedreht. Nun ist es die Citibank, die Geld braucht. Dringend. Eines der mächtigsten Finanzinstitute der Welt wankt unter der Last der Rezession. Alwaleed Bin Talal wiederum hat 1990 mehr als genug Geld.
Aus den 300.000 Dollar, die er sich einst von der Bank geliehen hat, sind in den vergangenen zehn Jahren mehr als eine Milliarde Dollar geworden. Eine Kopie des Kreditvertrags aus dem Jahr 1980 liegt noch in seiner Schreibtischschublade, als Erinnerung an die Anfänge.
Ikone in der arabischen Welt
1990 beobachtet der Prinz die angeschlagene Citibank genau. Wie immer, wenn er wichtige Entscheidungen zu treffen hat, zieht er sich in die Wüste zurück. Alle raten ihm: Lass bloß die Finger von der Bank. Doch der Prinz investiert: 590 Millionen Dollar, die Hälfte seines damaligen Vermögens. Damit rettet er das Institut, das ihm einst geholfen hat.
Spätestens seit Alwaleed Bin Talal die Citibank gerettet hat, ist er eine Legende. Schon zuvor war er reich, aber das Citibank-Geschäft macht ihn zu einem der reichsten Menschen der Welt. Derzeit rangiert er auf Platz 13 der berüchtigten Forbes-Milliardärs-Liste.
Während er in der arabischen Welt eine Ikone ist, kennt ihn die breite Masse in den westlichen Ländern trotzdem kaum. Wenn, dann werden nur einzelne Geschichten über ihn erzählt. Für die Amerikaner ist er der Mann, der die Citibank vor dem Ruin bewahrt hat. Für die Franzosen ist er der Retter von Euro Disney, seit er dem Freizeitpark in der Nähe von Paris finanziell aushalf.
Er füllt die Schlagzeilen, als er mit dem Sänger Michael Jackson in den neunziger Jahren ein Unternehmen gründet und 2001, als er kurz nach dem 11. September nach New York fliegt, zehn Millionen Dollar spenden will und der Bürgermeister Rudolph Giuliani das Geld ablehnt. Grund dafür ist eine Formulierung in der Pressemitteilung des Prinzen, in der er Amerika auffordert, noch einmal ihre Politik im Nahen Osten zu überdenken.
Liberales Elternhaus
Zuletzt taucht Alwaleed wieder in den Medien auf, als er als einer der ersten Privatpersonen einen Luxus-Airbus A380 für angeblich 200 Millionen Dollar kauft. Auf 551 Quadratmetern und zwei Stockwerken lässt er sich, so wollen es deutsche Medien wissen, einen Palast der Winde einrichten: mit Fitnessstudio und goldenen Wasserhähnen.
Aber all diese Geschichten sind nur kleine Puzzleteile. Die Person Alwaleed Bin Talal bleibt geheimnisvoll sagenumwoben. Wie genau aus dem Startkapital von 30.000 Dollar und dem Kredit der Bank heute 20,3 Milliarden (Forbes) werden konnten, ist Teil dieser Legende.
Offiziell heißt es, er habe das Geld mit Immobilien- und Grundstücksspekulationen verdient, außerdem spekuliere er seit 1987 an der Wall Street. Das britische Wirtschaftsmagazin Economist will es genau wissen und durchleuchtet 1999 die Finanzgeschäfte des Prinzen - ohne Ergebnis.
Während über US-Investor Warren Buffet oder Microsoft-Gründer Bill Gates zahlreiche Bücher erschienen sind, gibt es über den Prinzen nur eine autorisierte Biographie, geschrieben von einem CNN-Journalisten. Selbst dort bleibt der heute 53-Jährige schemenhaft.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Alwaleed Bin Talal während des Golfkriegs einen kühlen Kopf behielt.
Seine Disziplin sei der Schlüssel zum Erfolg, heißt es immer wieder. Er arbeite ungewöhnlich viel und konzentriert, schläft angeblich nur vier bis fünf Stunden pro Nacht. Sein wichtigstes Werkzeug:"Finanzinformationen! Finanzinformationen sind alles", sagt er.
Deshalb stehen in fast allen Räumen seines Palastes Fernseher, oft sogar mehrere. Über 500 Geräte sollen es angeblich sein, auf denen CNN, CNBC und BBC World ständig neue Nachrichten in die Gemächer liefern.
Diszipliniert war der Prinz nicht immer. Als Kind ist er störrisch, wild. Seine Kindheit ist nicht unbedingt glücklich, teilweise muss die Familie im Exil leben, da sein Vater, genannt "der rote Prinz" , mit allzu liberalen Ansichten die religiösen Führer Saudi-Arabiens gegen sich aufbringt.
Alwaleed schwänzt oft die Schule, kommt erst ein oder zwei Tage später wieder nach Hause. Er schläft auf der Straße oder auf dem Rücksitz von unverschlossenen Autos. Außerdem ist er dick.
Nur Geld liebt er damals schon, das erzählt seine Mutter, Prinzessin Mona, heute noch gerne. Bekommt der Kleine Geld geschenkt, hüpft er fröhlich umher und küsst die Scheine.
Spätestens während seinem Studiums in den USA verändert sich Alwaleed. Er erkennt, wie weit er es bringen kann, wenn er mit statt gegen das System spielt. 90 Kilogramm wiegt er damals, bei einer Körpergröße von nur 1,65 Meter.
Kühler Kopf in prekären Situationen
Als er feststellt, dass er mit dem Gewicht nicht mehr würdevoll aus einem flachen Sportwagen aussteigen kann, nimmt er umgehend ab. Seitdem wiegt er konstant 62 Kilogramm. Eis, Doughnuts, Milchshakes und anderen Süßkram hat er seit 25 Jahren nicht mehr angerührt.
Neben seiner Disziplin gelten sein Geschäftssinn und sein Verstand als legendär."Wenn man zu viele Risiken eingeht, wird man zum Spieler. Ich bin kein Spieler; ich gehe Risiken ein - aber ich tue das auf jeden Fall mit Berechnung", erklärt er.
Selbst in prekären Situationen behält er einen kühlen Kopf. Zum Beispiel als am 2. August 1990 Saddam Hussein in Kuwait einmarschiert. Ganz Saudi-Arabien bekommt Panik. Nicht so Alwaleed Bin Talal. Er nutzt die Angst der anderen, um ein Grundstück mitten in Riad zu kaufen, mit dem er seit langer Zeit liebäugelt.
Eigentlich ist es ihm zu teuer, doch in den Kriegswirren bekommt er es für ein Drittel des ursprünglichen Preises. Auf einem Teil des Areals baut er den Kingdom Tower, das mit gut 300 Metern bis heute höchste Gebäude des Landes. Hier residiert er im 66. Stock. Den Rest des Baugrunds verkauft er nach ein paar Jahren wieder - mit 400 Prozent Gewinn.
Gebrauchte Luxusyacht
Die Prinzipien, nach denen der Prinz handelt, sind einfach: Er kauft ein, wenn es billig ist, und verkauft, wenn es teuer ist. Und er glaubt an große Marken. Von diesen Leitlinien ist schon sein erstes großes Projekt geprägt: In den achtziger Jahren will er eine Bank in Saudi-Arabien kaufen.
Er sieht sich alle möglichen Kandidaten an und entscheidet sich:"Ich nahm die schlechteste Bank, die schon am Rande des Bankrotts stand." Er kauft sie, bereinigt alle faulen Kredite und das Institut wird danach zur einträglichsten Bank des Landes.
Mittlerweile ist er an diversen Unternehmen beteiligt: an der Computerfirma Apple, an Ebay, der Restaurantkette Planet Hollywood, an Motorola und zahlreichen Hotelketten wie Mövenpick und Four Seasons. Das Pariser Luxushotel George V nahe den Champs Elysées gehört sogar komplett ihm.
Er besitzt einen Palast mit mehr als 300 Zimmern und 50 Badezimmern, eine Yacht, mehrere Privatflugzeuge, Hubschrauber, einen privaten Reitklub, einen Zoo und zahlreiche Swimmingpools. Seine wichtigen Investitionsentscheidungen trifft er jedoch weiterhin im Zelt bei den Beduinen, wie schon 1991, als er sein halbes Vermögen in die Citibank steckte. Immer an den Wochenenden zieht er in das Wüstenlager, etwa eine Stunde entfernt vom Stadtzentrum Riads.
Trotz Luxusleben vergisst Alwaleed Bin Talal auch im Privaten das Sparen nicht. Seine Yacht hat er gebraucht gekauft - sie gehörte vorher dem Sultan von Brunei, dann dem Waffenhändler Adnan Kashoggi sowie dem US-Unternehmer Donald Trump. Der Prinz zahlte nur 19 Millionen Dollar, das Schiff soll jedoch gut 100 Millionen wert sein. Ein wahres Schnäppchen also.