SZ-Serie: Die großen Spekulanten (27):Reich an Geld, Frauen und Kindern

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Stanley Ho wurde mit Glücksspielen zu einem der wohlhabendsten Chinesen, heiratete viermal und zeugte 17 Nachkommen - mindestens.

Janis Vougioukas

Es war Krieg. Seit zwei Wochen flogen die japanischen Ki-21-Bomber fast rund um die Uhr eine Angriffswelle nach der anderen über Hongkong. Der Flughafen war zerstört. Die ersten japanischen Truppen standen bereits in den New Territories. Es war Dezember des Jahres 1941. Stanley Ho war 21 Jahre alt. Er hatte viele Nächte in den Bombenkellern verbracht, er wollte seine Heimat nicht verlassen. Doch er spürte, dass es nur noch Tage dauern konnte, bis die Soldaten der englischen Kolonialmacht vor den Japanern kapitulieren mussten.

Casino-Tycoon Stanley Ho mit seiner vierten Ehefrau Angela Leong. (Foto: Foto: AFP)

Ho entschied sich zu fliehen. In letzter Minute fand er Platz auf einem Boot, das ihn in Sicherheit bringen sollte. Die Überfahrt nach Macao dauerte 16 Stunden. Aus ganz Asien strömten die Flüchtlinge damals in die portugiesische Kolonie, die schwüle enge Halbinsel. Katholische Missionare hatten Notlager organisiert. Als Ho von Bord kletterte, hatte er gerade zehn Dollar in seiner Tasche. Doch seinen Traum hatte er mitgenommen: Er wollte reich werden.

Er brauchte ein Jahr, um Millionär zu werden. Und 30 Jahre, um zu den wohlhabendsten Unternehmern in Asien zu gehören. Stanley Ho ist heute 86 Jahre alt. In Macao und Hongkong sieht man ihn oft durch die Stadt fahren, im Fond seines silbernen Rolls-Royce mit dem Kennzeichen "HK 1". Er trägt fast immer einen dunklen Anzug mit Schlips. Seine Haare sind schütter geworden, streng nach hinten zurückgekämmt. Auch seine Bewegungen sind in den letzten Jahren langsamer geworden, doch er wirkt dadurch nicht alt. Eher besonders vornehm und erhaben. Könige bewegen sich so.

Hos Vermögen wird inzwischen auf sieben Milliarden Dollar geschätzt. Ihm gehören Schifffahrtslinien, der Flughafen und die Fluggesellschaft von Macao, Hotels, Golfplätze, Elektrizitätswerke, Straße, Brücken, ein Hafen, ein Fernsehnetzwerk; er ist der unangefochtene Monarch des Glücksspiels in Asien. Er hat sein Ziel erreicht, er könnte sich zurücklehnen und den Reichtum genießen. Doch aufhören kann er nicht.

Wer Ho verstehen will, muss weit zurückschauen, lange bevor der Zweite Weltkrieg Hongkong erreichte. Er war 13, als er aus der Bahn geworfen wurde. Ho war das Kind einer reichen Händlerfamilie. Sein Großvater war Comprador, einer der Mittelsmänner im Dienst der englischen Kolonialherren. Der Handel mit Opium hatte ihn reich gemacht.

Der Vater arbeitete für das einflussreiche Sassoon Handelshaus. Die Familie verbrachte die Wochenenden oft auf dem Boot oder in dem Strandhaus im Stadtteil Stanley, nach dem seine Eltern ihn später tauften. Eines Tages fand sein Vater im Büro des Firmenchefs einen aufgerissenen Umschlag auf dem Fußboden. In dem Brief hieß es, der Aktienkurs der Firma Jardine werde bald in die Höhe schnellen. Hos Vater glaubte, einen sicheren Insidertipp gefunden zu haben, er investierte sein ganzes Vermögen in Jardine-Aktien. Und verlor alles.

Ho erfuhr es von der Mutter, die ihn eines Abends zu sich rief. "Es tut mir leid, aber ich habe schlechte Nachrichten. Ich kann deine Schulgebühren nicht mehr bezahlen", sagt sie. Sein Vater verließ die Familie. Zwei ältere Brüder begingen Selbstmord. Jede Woche musste die Mutter zum Pfandleiher gehen. Und selbst Verwandte schauten plötzlich weg, wenn Ho ihnen auf der Straße begegnete.

Einmal musste er zum Zahnarzt. Es ist nicht genau überliefert, was dort passierte, aber es muss etwas vorgefallen sein, das ihn tief verletzte. Er rannte weinend nach Hause und schwörte seiner Mutter: "Ich werde ein erfolgreicher Mann. Ich werde ein Vermögen verdienen, und ich werde dich glücklich machen." In der Kolonialzeit war Reichtum für Chinesen die einzige Möglichkeit, Anerkennung zu gewinnen. Und das Streben nach Geld wurde zu seiner wichtigsten Motivation. Seitdem hat er jeden Tag daran gearbeitet, seinen Traum wahr zu machen. Nur wer einmal ganz unten war, kann solchen Ehrgeiz entwickeln.

Zunächst musste er lernen. Seine Schulnoten verbesserten sich schnell, und sein Fleiß bescherte ihm ein Stipendium für die Universität. Er lernte Englisch, Japanisch und Portugiesisch. Später in Macao halfen ihm seine Sprachkenntnisse, schnell einen Job zu finden. Er arbeitete von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr nachts bei einer Handelsfirma, nach einem Jahr wurde er Partner.

Trotzdem wollte er seine Sprachkenntnisse verbessern und nahm sich Zeit für einen Portugiesisch-Kurs. Gegenüber der Schule wohnte ein Mädchen, und Ho verliebte sich sofort. Clementina war die Tochter eines berühmten Anwalts und galt als das schönste Mädchen der Stadt. Sie heirateten. Irgendwann soll ein Wahrsager ihm gesagt haben, dass Clementina die Quelle seines gesamten Glücks sei. Es heißt, dass er sich deshalb nie von ihr scheiden ließ. Doch schon nach ein paar Jahren dachte er: Ich brauche zwei Frauen, eine für den Haushalt und eine, die mich bei gesellschaftlichen Verpflichtungen begleitet. Polygamie war damals noch nicht verboten. Ho heiratete vier Frauen, er hat mindestens 17 Kinder.

Seine Ersparnisse investierte er geschickt in Bauunternehmen, und mit dem Boom nach dem Krieg verdiente er sein erstes Vermögen. Doch der Durchbruch gelang 1961, als der Gouverneur von Macao die Glücksspiellizenzen versteigerte. Ho schloss sich mit drei Partnern zusammen. Es heißt, dass sie für die Genehmigung 410 000 Dollar bezahlten.

Asiaten sind Zocker. Und Macao wurde schnell zur wichtigsten Spielhölle des Kontinents. Das Kasino Lisboa, Hos gealtertes Flaggschiff, steht noch heute: ein angestaubter Bau mit grellen Neonröhren an der Fassade, drinnen irren Zocker und Prostituierte durch ein Labyrinth aus Gängen und verrauchten Salons.

1996 betrug der Umsatz seiner Firmen fast ein Drittel des gesamten Sozialprodukts der Stadt. "Wenn der Gouverneur Geld brauchte, schaute er nach rechts", sagte einmal ein ehemaliger Beamter der portugiesischen Kolonialverwaltung. Da stand Stanley Ho, und der gab es ihm.

Manche sagen, dass seine Freundschaften zu weit reichten. Amerikanische Justizbehörden beschäftigten sich mehrfach mit den Unterweltverbindungen des Glücksspielpatriarchen, besonders der Vorwurf der Geldwäsche tauchte immer wieder in den Untersuchungsberichten auf. Er gilt als Freund des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-il und soll sogar dessen Party zum 61. Geburtstag in Pjöngjang besucht haben. Ho betreibt selbst in dem hungernden Schurkenstaat mehrere schillernde Kasinos.

Er hat die Welt nie mit politischen oder moralischen Kriterien analysiert, für ihn zählte immer vor allem der Profit.

Viele Geschäftsleute in Macao fürchteten sich vor der Wiedervereinigung mit China im Jahr 1999. Auch Stanley Ho begann, sein Vermögen zu diversifizieren. Doch er sah auch die Chancen.

Wieder behielt er recht. Denn plötzlich durften Millionen glücksspielsüchtige Chinesen nach Macao reisen. 27 Millionen Touristen waren 2007 in Macao, in nur neun Jahren hat sich die Zahl vervierfacht. Fast alle kommen wegen der Kasinos. 2006 überholte der Glücksspielumsatz in Macao erstmals das Niveau von Las Vegas - die Stadt ist jetzt das größte Kasino der Welt. Hos Firma, die Sociedade de Jogos de Macau, ging vor zwei Wochen an die Börse von Hongkong.

Hos Glücksspielmonopol allerdings ist schon vor einigen Jahren abgelaufen. Die Regierung hat neue Lizenzen versteigert. Inzwischen haben auch die großen amerikanischen Kasinos ihre Niederlassungen in Macao gegründet. An der Wasserfront stehen die bunt leuchtenden Spielpaläste jetzt direkt nebeneinander. Im vergangenen Herbst eröffnete der exzentrische Amerikaner Sheldon G. Adelson auf einer künstlichen Insel das Venetian, einen Palast mit 3000 Hotelsuiten, eingerichtet im venezianischen Stil. Durch die Lobby schippern Gondeln auf einem künstlichen Fluss. Ho hatte nie gelernt, was Konkurrenz bedeutet. Doch seinen Titel konnte er bis heute verteidigen: Stanley Ho, der König der Kasinos.

© SZ vom 29.07.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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