SZ-Serie: Die großen Spekulanten (24):Der König der Streichhölzer

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Ivar Kreuger baute mit Zündhölzern ein weltweites Monopol auf - scheiterte und starb. Wahrscheinlich erschoss er sich selbst.

Hannah Wilhelm

Der Mann betritt den Waffenladen. Sein Gesicht ist ernst, kühl, so kennt ihn die Welt. Kaum ein Foto, auf dem Ivar Kreuger lächelt oder gar lacht. Er lässt sich Zeit, kauft er eine Pistole, eine 9-Millimeter Browning, halbautomatisch, dazu Munition. Dann verlässt er den Laden und seine Spur verliert sich im Gewirr der Pariser Straßen, an diesem späten Freitagnachmittag.

Am nächsten Morgen ist Ivar Kreuger tot. Ein Mitarbeiter findet den 52-Jährigen in seiner Wohnung in der Rue Victor Emmanuel Nr. 5. Er liegt auf dem Bett, erschossen, die 9-Millimeter Browning hält er in seiner linken Hand. Es ist Samstag, der 12. März 1932, und einer der mächtigsten Finanzmagnaten der Welt ist nicht mehr am Leben.

Sein Leben, das waren die Streichhölzer. Diese kleinen Stückchen Holz mit den roten Köpfchen. Sie haben ihn unglaublich reich gemacht - unvorstellbar in unserer heutigen Zeit, wo man leere Feuerzeuge wegwirft wie Zigarettenkippen. Doch in den zwanziger Jahren sind Zündhölzer wichtig, überlebenswichtig.

Monopolstellung erkauft

Schon Ivar Kreugers Großvater Peter stellt in Schweden Zündhölzer her und kauft mehrere Fabriken auf. Sein Vater Ernst vergrößert das Familienunternehmen weiter und übergibt es 1913 an Ivar. Er ist 33 Jahre alt, ausgebildeter Bauingenieur, hat bereits eine Baufirma gegründet und gutes Geld verdient. Doch dann nimmt er die Aufgabe an, kauft weiter Streichholzfabriken hinzu. Bald gehören ihm schwedische Wälder, Minen, Papierfabriken. Schweden ist ihm nicht genug. Nach seinem Studium hat er die Welt bereist. England, Afrika, Indien, Mexiko und vor allem: Amerika. Die große Welt soll seine Bühne sein - der Schwede Ivar Kreuger will hoch hinaus.

Die labile politische Lage während und kurz nach dem ersten Weltkrieg macht es ihm leicht. Viele Staaten brauchen Geld - und das nutzt er für seine Zwecke. Kreuger geht stets gleich vor: Erst steigt er in einem Land in den Wettbewerb um Streichhölzer ein, provoziert Preiskämpfe und kauft Firmen auf. Dann macht er der Regierung ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann: Er leiht ihr hohe Geldbeträge zu guten Konditionen. Im Gegenzug bekommt er das Monopol für Zündhölzer. Bald beherrscht der Mann mit dem ernsten Gesicht Frankreich, Ungarn, Griechenland, Polen, Jugoslawien, außerdem einige südamerikanische Staaten. Ivar Kreuger ist der König der Zündhölzer.

Die Klatschblätter lieben ihn: Er ist nicht verheiratet und reich. Beste Voraussetzungen also für Spekulationen aller Art. Außerdem lebt er glamourös, besitzt Luxuswohnungen in vielen wichtigen Städten. In Stockholm lebt er in der teuersten Privatwohnung des Landes in der Villagatan 13: 700 Quadratmeter, verteilt auf zwei Etagen und 23 Zimmer. In New York wohnt er in der Park Avenue, in Berlin am Pariser Platz. Seine schlesische Hausdame muss die Berliner Wohnung täglich mit frischen Blumen schmücken, ob Kreuger da ist oder nicht. Er liebt Blumen, in seiner Pariser Wohnung will er angeblich einen japanischen Wintergarten anlegen lassen.

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Auf seinen Yachten feiert die Prominenz, er wird vom amerikanischen Präsidenten ins Weiße Haus eingeladen und - angeblich - mit berühmten Hollywood-Schauspielerinnen gesehen. Gerüchten zufolge hat er eine kurze, heftige Affäre mit Greta Garbo. Ivar Kreuger äußert sich dazu nicht, er ist diskret, ein Gentleman eben.

Verzettelt im Konzerngewirr

Ende der zwanziger Jahre nimmt Kreuger Deutschland ins Visier. Es ist das Land seiner Vorfahren, sie hießen Kröger und kamen aus Mecklenburg. Die Weimarer Republik braucht dringend Geld; sie bekommt es von Kreuger: 125 Millionen Dollar zu sechs Prozent Zinsen, die ersten zehn Jahre tilgungsfrei. Ein unglaubliches Angebot - und das zum Höhepunkt einer Weltwirtschaftskrise. Zu dieser Zeit ziert eine Zeichnung seines ernsten Gesichtes das Magazin Time, Überschrift: "Der Monopolist".

Kreuger macht sich wenig Freunde. Seine Konkurrenten sind über seine rabiaten Geschäftsmethoden empört, die Banker sauer, weil er so günstig Geld verleiht. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere schulden ihm 17 Staaten insgesamt fast 400 Millionen Dollar - eine immense Summe. Er verleiht alles, was er hat. Bares Geld hält Kreuger kaum mehr. Damit ist er angreifbar, es ist ein riskantes Spiel zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise.

Der internationale Handel bricht ein, den Staaten geht das Geld aus, sie können ihre Raten nicht mehr zahlen. Plötzlich stehen die Banken bei Kreuger vor der Tür: Er hat ihnen die Anleihen als Sicherheiten für Bares hinterlegt. Nun fürchten sie, dass die Sicherheiten nichts mehr wert sind. Die Aktien seiner Unternehmen - früher ein Garant für gute Rendite - verlieren an Wert. Ivar Kreuger fällt - und versucht, sich irgendwo festzuklammern. Er greift nach jedem Strohhalm, wie es jeder Stürzende tut. Nicht immer handelt er legal. Er schiebt Geld in seinem Konzern-Gewirr hin und her, bis er sich verzettelt.

Am Samstag, den 12. März 1932, hat Ivar Kreuger eine Verabredung. Im Hôtel du Rhin warten Mitarbeiter und Geschäftspartner auf ihn. Die Besprechung ist wichtig, es geht um alles: um die wackligen Sicherheiten, um seinen Konzern - über 250 Firmen mit insgesamt 75000 Mitarbeitern. Alles steht auf dem Spiel. Doch Mitarbeiter und Partner warten vergebens. Kreuger kommt nicht.

Er liegt auf dem Bett seiner Wohnung. Tot. Neben ihm die 9-Millimeter Browning. Die Pariser Polizei stuft Kreugers Tod als Selbstmord ein. Doch schnell gibt es Gerüchte: Kreuger sei ermordet worden. Sie halten sich bis heute. Warum - so fragen Skeptiker - hält der Rechtshänder die Waffe in der linken Hand? Wo sind die fehlenden Patronen?

Wenige Stunden können seine Mitarbeiter den Tod Kreugers geheim halten. Doch am Samstagabend sickert die Nachricht durch. Am nächsten Handelstag brechen weltweit die Kurse an den Börsen ein. Schnell hat die Krise einen Namen: "Kreuger-Crash".

© SZ vom 01.07.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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