Süddeutsche Zeitung

SZ-Gründerwettbewerb:Schwarzfahren war gestern

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Das Münchner Start-up Blue Go ist der Gipfelstürmer 2018. Es war ein knappes Rennen der sechs Finalisten in der Hauptstadt. Das ist eine gute Nachricht: Es gibt in Deutschland viele gute Ideen.

Von Elisabeth Dostert, Berlin

Die Gründer erzählen Geschichten. Im Finale des SZ-Gründerwettbewerbs Gipfelstürmer haben sie drei Minuten Zeit, dem Publikum zu erklären, was sie tun, wo die Idee für ihr Start-up entstand und warum. Gute Ideen, das gilt für alte und junge Gründer, wie die auf der Bühne, lösen oft alltägliche Probleme.

Felix Pröhl beispielsweise ist schon öfter mal schwarzgefahren, "Ich wollte das nicht. Ich hatte einfach vergessen, mir eine Fahrkarte zu kaufen", beteuert der Gründer des Münchner Start-ups Blue Go. Pröhls Problem kennt jeder, der öffentliche Verkehrsmittel nutzt: Jede Stadt hat ihr eigenes Tarifsystem, mal richtet sich der Fahrpreis nach Ringen, mal nach Waben, und am Ende quält sich der Fahrgast am Ticketautomaten. Das will Blue Go ändern. Gegründet 2018, hat das Start-up eine Software entwickelt, die Tickets automatisch abrechnen kann. Die Verkehrsbetriebe müssen sie nur in die eigene App integrieren. Die erkennt dann den Reiseverlauf, wo der Fahrgast einsteigt und wo er aussteigt, und rechnet online das Ticket ab - und zwar so günstig wie möglich für den Kunden. Ein Prototyp der Software wird derzeit in Augsburg getestet. Mit den gesammelten Daten könnten Verkehrsbetriebe auch ihre Fahrpläne besser auf die Fahrgäste ausrichten, sagt Pröhl.

Die Idee überzeugte die Teilnehmer des SZ-Wirtschaftsgipfels in Berlin. Sie kürten Blue Go zum diesjährigen Gipfelstürmer. In der finalen Abstimmung holte Blue Go fast 30 Prozent der Stimmen. In der ersten Runde hatte noch Blickfeld vorne gelegen, ein Start-up, das mit seinen Lasersensoren "autonomen Fahrzeugen das Sehen beibringen" will, erzählt Finanzchef Florian Lenz. "Wir brauchen nur einen statt 64 Laser, unser Sensor ist 50-mal leichter als herkömmliche und 100-mal günstiger." Blickfeld wurde im vergangenen Jahr gegründet. Die Laser taugen nicht nur für Autos, sondern auch für andere autonome Systeme in der Industrie, damit zum Beispiel mobile Roboter in der Fabrik nicht mit Menschen oder Maschinen kollidieren.

Der Wettbewerb fand in diesem Jahr zum dritten Mal statt. Fast 200 Start-ups aus ganz Deutschland hatten sich beteiligt, so viele wie noch nie. Ins Finale schafften es neben Blue Go und Blickfeld auch Hawa Dawa, dessen Sensoren Umweltdaten erfassen, etwa Feinstaub und Klimagase. Und Proglove mit seinen schlauen Handschuhen, die Firmen wie BMW oder Penny einsetzen. Im Halbfinale hatten zudem noch Tandemploy gepitcht - das Start-up bringt Menschen und Wissen zusammen - und Userlane, dessen Programm Nutzer Schritt für Schritt durch fremde Software navigiert. Es war ein knappes Rennen. Und das ist eine positive Nachricht: Es gibt jede Menge guter Ideen in Deutschland.

Gipfel-Teilnehmer Carsten Rudolph, Geschäftsführer des bayerischen Gründernetzwerks Bay-Start-up in München, ist nicht bange: "Die Gründungsrate in Deutschland ist gut", sagt er. "Und die Gründer werden immer besser und wachsen schneller als noch vor fünf Jahren." Rudolph nennt Beispiele wie das 2014 gegründete Roboter-Start-up Magazino, das anfangs von Bay-Start-up beraten wurde. Zu den Investoren von Magazino zählen Siemens, die Management-Holding Körber, der Logistikdienstleister Fiege und der Online-Händler Zalando. Und das Start-up beschäftigt inzwischen mehr als 100 Mitarbeiter. Das höhere Wachstumstempo vieler Start-ups führt Rudolph darauf zurück, dass mehr Risikokapital zur Verfügung steht und es erfahrene Gründer gibt, die nicht zum ersten Mal Unternehmer werden - so wie Roland Hötzl. Zu seinen Start-ups gehört die Kemptener Gastfreund GmbH, ein Dienstleister für die Hotellerie mit fast 100 Mitarbeitern.

"Die Gipfelstürmer sind positive, plastische Beispiele, wie Einzelne mit Unternehmer- und Erfindergeist Wachstum schaffen können", sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann in seiner Rede. Es brauche allerdings noch mehr Geld, vor allem in späteren Phasen, damit die Gründer bleiben, meint Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: "Ein Land mit 82 Millionen Einwohnern kann sich nicht erlauben, dass alle erfolgreichen Start-ups abwandern und anderswo Wertschöpfung generieren." Blickfeld-Finanzchef Lenz hegt keine Abwanderungsgedanken. "Wir sind mit dem Technologie-Standort Deutschland zufrieden", sagt er. "Wir wollen das Feld nicht dem Silicon Valley und China überlassen."

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Quelle:
SZ vom 15.11.2018
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