Früherer Top-Manager:Teilerfolg für Utz Claassen

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Prof. Utz Claassen, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von EnBW, auf dem Expertenforum Mittelstand von Süddeutscher Zeitung und HypoVereinsbank im HVB Forum in München. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Landgericht Hannover hebt vier Haftbefehle gegen den Chef des Medizintechnikherstellers Syntellix auf. Einer Vermögensauskunft dürfte er trotzdem nicht entgehen können.

Von Nils Heck, Katrin Kampling, Meike Schreiber, Frankfurt, Köln

Utz Claassen, Chef und Gründer des Medizintechnikherstellers Syntellix, hat einen Teilsieg vor Gericht errungen. Das Landgericht Hannover hob diese Woche vier Haftbefehle gegen den früheren Top-Manager auf, wie ein Syntellix-Sprecher mitteilte und das Landgericht auf Anfrage bestätigte. Claassen hatte bislang gegen vier Haftbefehle Beschwerde eingelegt.

Hintergrund von insgesamt 49 Haftbefehlen, die das Amtsgericht Hannover gegen ihn erlassen hatte, sind säumige Zahlungen von Syntellix. Gläubiger – darunter frühere Mitarbeiter – hatten deswegen eine Vermögensauskunft des Unternehmens verlangt. Diese muss ein Vorstand der Firma persönlich vor Ort abgeben. Weil Claassen allerdings der einzige Vorstand ist und zu den Terminen nicht erschien, hatte das Amtsgericht Hannover Haftbefehle gegen ihn erlassen. Diese sollen ihn dazu zwingen, die Vermögensauskunft abzugeben.

Aktuell lebt Claassen eigenen Angaben zufolge in Südostasien, wo genau, ist nicht ganz klar. Syntellix soll in Singapur Büros und eine Produktion aufgebaut haben. Dass er nicht nach Deutschland komme, begründete Claassen mit gesundheitlichen Problemen und einem ärztlich attestierten Flugverbot. Bescheinigt habe ihm dies ein Arzt vor Ort. Der Gerichtsvollzieher erkannte das Attest von Claassen allerdings nicht an, weil es kein amtsärztliches Attest sei.

Claassen legte daher gegen vier Haftbefehle Beschwerde ein, denen das Landgericht Hannover nun folgte. Das Gericht habe „mehrere Haftbefehle gegen einen Vorstandsvorsitzenden einer Aktiengesellschaft wegen unentschuldigter Nichtabgabe der Vermögensauskunft für die Aktiengesellschaft aufgehoben“, teilte eine Sprecherin des Gerichts mit. Nach Auffassung der Kammern habe der Vorstandsvorsitzende wegen einer Erkrankung als hinreichend entschuldigt zu gelten, weil er ein ärztliches Attest vorgelegt habe.

Vermögensauskunft per Video-Konferenz?

Soweit der Gerichtsvollzieher ein amtsärztliches Attest in deutscher Sprache verlangt habe, habe er die Anforderungen überspannt. Insbesondere habe er nicht dargelegt, weshalb das ärztliche Attest nicht ausreichend sei. Des Weiteren sei unklar, wie die Schuldnerin ein amtsärztliches Attest in deutscher Sprache im Ausland erlangen könne. Nach den Angaben des Vorstandsvorsitzenden war eine Reise nach Deutschland gerade nicht möglich. Syntellix-Chef Claassen bezeichnete die Entscheidung in einer Pressemitteilung als „Triumph des Rechtsstaates über rechtsstaatswidrige Vorgänge am Amtsgericht Hannover“.

Einer Vermögensauskunft dürfte der Syntellix-Chef allerdings auch nach seiner erfolgreichen Beschwerde nicht entgehen können. Laut der Entscheidung des Landgerichts Hannovers, die der SZ vorliegt, sei die Reiseunfähigkeit kein „Verhinderungsgrund“ mehr, würde der Gerichtsvollzieher der Schuldnerin gestatten, den Termin zur Vermögensauskunft „im Wege der Bild- und Tonübertragung“ wahrzunehmen, also per Video-Konferenz. Das hatte Claassen laut Angaben seines Sprechers ohnehin vorgeschlagen.

Claassen hatte Syntellix 2008 gegründet und vertreibt damit medizinische Schrauben aus Magnesium, die sich nach einer Operation und Heilung selbst auflösen sollen. Das Verfahren hat sich bislang allerdings nicht durchgesetzt. Ab 2021 fielen diverse Gehälter aus, auch mit Lieferanten überwarf sich Utz Claassen. Zuletzt wurden die Büroräume der Syntellix in Hannover offiziell geräumt, wie eine Sprecherin des Amtsgerichts mitteilt – und auch die Justiz ist auf den Fall aufmerksam geworden. Seit April 2023 ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover gegen Claassen und weitere Personen, unter anderem wegen des Anfangsverdachts der Insolvenzverschleppung. Claassen weist die Vorwürfe zurück.

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