Süddeutsche Zeitung

Amerikanische Tech-Industrie:Die Flitterwochen sind vorüber

  • Elizabeth Warren, Präsidentschaftsbewerberin der US-Demokraten, will Facebook, Amazon und Google zerschlagen.
  • Ihr Vorstoß auf der Tech-Konferenz SXSW zeigt, wie stark sich die Tech-Branche und die Demokraten voneinander entfernt haben.
  • In der Praxis steht die Umsetzung allerdings vor Hindernissen.

Von Johannes Kuhn und Beate Wild, Austin

Sie sei ein "Gangster", erhielt Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren auf der "South by Southwest" (SXSW) bescheinigt. Sie tauchte auf dem Festival der Technologiefreunde nicht nur mit der Forderung auf, Amerikas Digitalkonzerne zu zerschlagen. Sie erhielt in Austin dafür auch noch langanhaltenden Applaus. Vor einigen Jahren wäre das schwer vorstellbar gewesen.

Die Senatorin aus Massachusetts ist noch weit vom Weißen Haus entfernt, eher dem linken Flügel der Demokraten zuzurechnen, der Kampf gegen große Firmen ist ihr Markenzeichen. Ob das in den Vorwahlen die Parteigänger überzeugt, ist noch nicht gesagt.

Doch ihre am Freitag vorgestellte Forderung, Google, Facebook und Amazon zu entflechten, spiegelt zumindest den Zeitgeist: Der ehemalige US-Präsident Barack Obama lobte einst die Innovationskraft des Silicon Valley und umgab sich mit Köpfen aus der IT-Branche. Die neuen Demokraten dagegen reden von Kartellkontrolle, Datenschutz und Regulierung. "Das betrifft nur Tech-Monopolisten", verteidigte Warren ihren Vorschlag auf der SXSW. "Weniger Monopol-Gewinne? Na so was!"

Rob Atkinson, Präsident des Thinktanks "Information Technology and Innovation Foundation", kommentierte daraufhin in der Washington Post trocken: Die Flitterwochen zwischen Silicon Valley und US-Demokraten seien nicht nur vorbei, man stehe vor dem Scheidungsgericht.

Warrens Vorschlag sieht vor, einige Zukäufe der Großkonzerne rückgängig zu machen. Amazon müsste zum Beispiel den Biohändler Whole Foods verkaufen, Facebook Whatsapp und Instagram. Google müsste die Navigationsapp Waze, die Werbekampagnen-Software DoubleClick und den Smart-Home-Hersteller Nest loswerden. Und nebenbei aus seiner Suche ein separates Unternehmen machen.

Kein Amazon Basics mehr

Zudem will Warren den Firmen per Gesetz verbieten, über ihre Plattformen eigene Geschäfte zu machen. Amazon könnte zum Beispiel auf seiner Online-Seite die Hausmarke "Amazon Basics" nicht mehr anbieten. Der Versandhändler hat durch seine Analyse des Kundenverhaltens detaillierte Einblicke in Konsumtrends unterschiedlichster Sparten. Das nutzt er auch, um selbst immer mehr Produkte, von Kleidung über Windeln bis zu Büro- und Computerbedarf anzubieten.

Viele Hersteller und Händler, deren Waren über Amazon verkauft werden, beklagen, so verdrängt zu werden. "Ich glaube, dass man entweder ein Schiedsrichter sein kann - oder ein Team auf den Platz schicken", sagte Warren. "Beides geht nicht."

Während sich die Konzerne selbst zurückhielten, kam aus dem Silicon Valley trotzdem Kritik. "Wenn du glaubst, dass ein Eingreifen gegen eine Branche oder Firma nötig ist, musst du schon definieren, was genau der Schaden ist, um den es geht", twitterte Benedict Evans, Partner der Risikokapitalfirma Andreessen Horowitz. "'Zerschlagt sie' ist keine politische Strategie."

Damit spielt Evans auch auf die Auslegung des amerikanischen Kartellrechts an: Anders als in Europa rechtfertigt die reine Konzentration von Marktmacht noch keinen Eingriff der Wettbewerbshüter. Vielmehr muss dem Kunden ein konkreter Nachteil entstehen, in der Regel durch Auswahl oder Preis. Doch Amazon bietet weder seine Waren teurer an, noch blockiert es andere Anbieter. Bei kostenlosen Diensten wie Google und Facebook spielt der Faktor Preis für Nutzer sogar überhaupt keine Rolle.

Der politische Handlungsdruck ist nach den Datenskandalen gewachsen

"Rückwirkende Aufspaltungen sind eine gute Idee und umsetzbar, das sind keine Luftschlösser", sagte dagegen der Columbia-Professor Tim Wu zu Time. Wu kritisiert die Macht der großen Digital- und Telekomkonzerne regelmäßig.

Warren selbst verweist auf das Kartellverfahren gegen Microsoft Ende der 1990er Jahre wegen der marktbeherrschenden Stellung seines Betriebssystems Windows. Damals allerdings kassierte am Ende das höchste Berufungsgericht die Entflechtung.

Im US-Kongress gäbe es für eine Trennung von Infrastruktur- und Anbieter-Rolle derzeit keine Mehrheit. Und auch der Oberste Gerichtshof, der womöglich am Ende über eine rückwirkende Entflechtung entscheiden müsste, ist mit seiner konservativen Mehrheit unternehmensfreundlich aufgestellt.

Dennoch ist der politische Handlungsdruck nach den Datenskandalen und dem sinkenden Vertrauen in die Unternehmen aus dem Silicon Valley gewachsen. Auch andere demokratische Kandidaten wie die Senatoren Bernie Sanders und Amy Klobuchar warnen vor Marktkonzentrationen im Sektor. Die Wettbewerbsbehörde FTC kündigte jüngst an, die Branche zu untersuchen.

Einer Umfrage zufolge sind immerhin 44 Prozent der US-Amerikaner der Meinung, dass die US-Regierung stärker regulieren sollte. Mit Kalifornien verabschiedete erstmals seit langer Zeit wieder ein großer Bundesstaat ein Datenschutz-Gesetz, und auch landesweit, im US-Kongress, wird ein Vorstoß dazu erwartet.

Branchenvertreter warnen vor der Konkurrenz aus China

Als Schlüsselindustrie macht die Technologie-Branche allerdings inzwischen selbst den Wettbewerb geltend. Auch nach Warrens Vorschlag mahnten Branchenvertreter, dass Regulierung dazu führen werde, von China abgehängt zu werden. Peking fördert Großunternehmen wie Tencent oder Alibaba intensiv, gerade im Zukunftsfeld künstliche Intelligenz.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte ähnlich gegen eine Entflechtung seiner Firma argumentiert, als er vergangenes Jahr vor den US-Kongress geladen worden war. Wenige Tage vor Warrens Vorschlag hatte Zuckerberg mehr Datenschutz für die Chatfunktionen angekündigt, aber auch einen kartellrechtlich heiklen Schritt: Er plant, die Infrastruktur von Facebook Messenger, Whatsapp und Instagram zusammenzulegen. Diese Vereinheitlichung würde eine Zerschlagung technisch sehr viel schwieriger machen.

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