Swiss-Leaks:Wie die HSBC deutschen Kunden half

The Swiss Offices Of HSBC Private Bank In Geneva

Passanten vor der HSBC Private Bank in Genf: Die Mitarbeiter halfen deutschen Kunden gerne

(Foto: Getty Images)
  • In Protokollen notierten die HSBC-Berater, was sie mit den Kontoinhabern aus Deutschland besprochen haben. Manche dieser Notizen lesen sich wie Passagen aus einer Anklageschrift wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
  • Belgien und Frankreich ermitteln bereits gegen die Bank. In Deutschland gibt es kein Verfahren. Denn die deutschen Fälle wurden in der ganzen Republik verstreut und dezentral ermittelt. Somit fehlt deutschen Behörden bisher der Überblick über das Verhalten der Schweizer HSBC.

Von Bastian Brinkmann, Robert Gast und Bastian Obermayer

Vielleicht kann sogar ein Augenzwinkern strafrechtlich bedeutsam sein. Auffällig war es schon.

Die Bankberater hätten ihm nahegelegt, erzählt ein ehemaliger Kunde der Schweizer HSBC, ein kompliziertes Anonymisierungskonstrukt aufzuziehen. Ein Bankkonto, das sich hinter einer Stiftung und einer Briefkastenfirma verstecke. "Das wurde mir von den HSBC-Beratern mit einem Augenzwinkern als Steuersparmodell empfohlen", sagt der Kunde, als ihn die SZ nach dem Gespräch von damals fragt.

Die Mitarbeiter der HSBC Private Bank in Genf waren erfindungsreich, wenn es ums Tricksen ging. Der Mann, dem sie ein mutmaßlich illegales Offshore-Vehikel zuzwinkerten, ist nur einer von circa 2000 deutschen Kunden, die in den Swiss-Leaks stecken. Die Dokumente des ehemaligen HSBC-Mitarbeiters Hervé Falciani belegen in etlichen Fällen, wie die Bankberater ihren Kunden halfen, Geld zu verstecken.

Der 30 000-Euro-Mann reiste regelmäßig aus Bremerhaven an

In Protokollen notierten die Banker, was sie mit den Kontoinhabern besprochen haben. Manche dieser Notizen, die vor allem aus dem Jahr 2005 stammen, lesen sich wie Passagen aus einer Anklageschrift wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Die Genfer HSBC hielt sich an Kontaktverbote, um keine Spuren in die Schweiz zu legen. Wenn die Kunden große Mengen Bargeld abheben wollten, war das kein Problem. Und wieder und wieder schlagen die Berater vor, wie der Kunde der Quellensteuer entgehen könnte: Indem er beispielsweise eine Stiftung in einer Steueroase zwischen sein Konto und sein Vermögen schaltet.

Jede einzelne dieser Praktiken macht einen Kontobesitzer nicht nur in den Augen der Steuerfahndung verdächtig. Da ist beispielsweise der 30 000-Euro-Mann aus Bremerhaven. Er besucht die HSBC alle sechs Monate, die Bank reserviert für ihn die Übernachtung in einem Zürcher Hotel. Intern gilt die Anweisung, immer 30 000 Euro zur Hand zu haben, um sie dem Mann auszahlen zu können. Einer 96-jährigen Kundin brachte ein HSBC-Mitarbeiter 10 000 US-Dollar an den Genfer Flughafen - sie hatte vergessen, diesmal Bargeld mitzunehmen.

Manche Kunden bestehen auf kleinen Scheinen - die HSBC lieferte. Hohe Summen bar abzuheben, ist derart verdächtig, dass die Bank mittlerweile selbst diese Möglichkeit eingeschränkt hat. Hebe ein Kunde mehr als 10 000 Dollar cash ab, müsse er "strenge Kontrollen" über sich ergehen lassen, teilt die Bank mit. Dazu gehören etwa Nachfragen, wofür er das Geld braucht, oder Nachweise wie Rechnungen.

In der Bank fürchteten früher manche Mitarbeiter, dass irgendjemand die Telefone abhören könnte. So steht es in internen Unterlagen. "Wir können am Telefon NICHT offen reden", heißt es in einer Kundennotiz. Viele Deutsche wiesen die HSBC an, sich überhaupt niemals bei ihnen zu melden: "Die Klienten nicht anrufen. Es sind immer sie, die sich melden", steht, etwas ungelenk, in einem Vermerk über einen Berliner Unternehmer, der Bundesbehörden mit Lebensmitteln beliefert. Auch ein Ehepaar aus Hessen verlangte höchste Diskretion. Protokoll: "Sie haben wieder einmal betont, dass wir sie NIEMALS kontaktieren sollen."

Kontoauszüge ließ die Bank verschwinden, wenn die Kunden es wünschten. Die Papiere könnten ja als Beweis in einem Strafverfahren genutzt werden. Bei der Schweizer HSBC war es Standard zu fragen, was mit den Unterlagen der Kunden passieren soll: nach Hause schicken, in der Bank behalten - oder direkt vernichten. Deponiert ein Kunde seine Kontoauszüge in der Bank, um sie nur dort einzusehen, ist das nicht nur für Steuerfahnder ein Hinweis, dass diese Person ihr Schweizer Vermögen verschleiern will.

So riet die HSBC, die Quellensteuer zu umgehen

Das Schweizer Modell, das dem deutschen Fiskus mitsamt der Fahnder jeden Einblick verwehrte, war Hunderten Deutschen nicht sicher genug. Sie ließen sich anonyme Bankverbindungen einrichten: Nummernkonten. Diese laufen nicht auf ihren Namen, sondern tauchen auf sämtlichen Bankunterlagen nur als kryptische Nummer- und Ziffernfolge auf. Wer hinter "8766 NM" oder "36003 ZMR" steckt, wissen dann selbst innerhalb der Bank nur wenige Menschen.

Im Jahr 2005 hatten die HSBC-Mitarbeiter viel zu tun. Denn im Sommer trat die europäische Zinssteuerrichtlinie in Kraft. Damit mussten plötzlich auch jene Kunden zahlen, die den Finanzämtern ihre Schweizer Konten verschwiegen hatten. Für sie galt dann der günstige Steuersatz von 15 Prozent auf Zinsen - Quellensteuer. Die Steuer heißt so, weil sie direkt an der Quelle eingesammelt wird: Die Bank zieht sie ein und leitet die Quellensteuer an die ausländischen Finanzbehörden weiter. Der Kontoinhaber hat den entscheidenden Vorteil, dass sein Schweizer Geldversteck den deutschen Behörden weiterhin verborgen bleibt. Er bleibt für den deutschen Fiskus anonym. Eigentlich ein günstiger Ablasshandel für Steuerhinterzieher.

Doch die Banker ersannen Lösungen, die eigentlich günstige Zinssteuerrichtlinie zu umgehen. Denn diese greift beispielsweise dann nicht, wenn eine Briefkastenfirma zwischengeschaltet ist. Die Zinsgewinne können nicht mehr einem europäischen Steuerzahler zugeordnet werden — die Quellensteuer entfällt. Diesen Trick boten HSBC-Leute auch Deutschen an: "Wir haben ihm mitgeteilt, dass die Schaffung einer Firma eine Lösung wäre, die nicht unter die europäische Zinssteuerrichtlinie fällt", heißt es im Beratungsprotokoll eines Deutschen, der 670 000 Dollar bei der HSBC geparkt hatte.

Auch nach langem Suchen findet sich in den Unterlagen kein einziger Fall, in dem die Berater den Kunden darauf hinweisen, dass steuerliche Probleme entstehen. Selbst wenn offen ausgesprochen wird, dass ein Kunde Straftaten begeht, passiert: nichts. Ein Hamburger Kaufmann wolle eines seiner vier HSBC-Konten schließen, heißt es im Protokoll. "Das ist das einzige deklarierte Konto", vermerkte der Bankberater. Was im Umkehrschluss hieß: Ihm blieben noch drei illegale. Die Bank störte das offenbar nicht.

Mutmaßliche Beihilfe zur Steuerhinterziehung protokolliert

Für deutsche Steuerfahnder könnte Swiss-Leaks ein selten guter Fund sein, weil die Beihilfe zur Steuerhinterziehung zum Teil detailliert protokolliert worden ist. Belgien und Frankreich ermitteln bereits gegen die HSBC. Die Nachbarländer wollen juristisch klären, ob die Bank Steuerhinterziehern geholfen hat. In Deutschland laufen keine Ermittlungen gegen das Institut. Hierzulande wurden die Daten aber auch nicht systematisch analysiert wie in Paris und Brüssel. Die deutschen Fälle wurden in der ganzen Republik verstreut. Somit fehlt deutschen Behörden - derzeit zumindest noch - der Überblick über das Verhalten der Schweizer HSBC.

Gegen etliche andere Banken sind deutsche Behörden in den vergangenen Jahren wegen Beihilfe vorgegangen, und die Geldhäuser mussten zum Teil Geldbußen in dreistelliger Millionenhöhe zahlen. In all diesen Fällen waren die Daten zentral aufgearbeitet worden.

Manche Kunden zeigten gute Nerven und schlechte Moral. Ein Bauunternehmer aus Baden-Württemberg hielt auf seinem Weg in den Urlaub am Lago di Lugano bei der HSBC in Genf. Die europäische Zinssteuerrichtlinie würde ihn 10 000 kosten, rechnet ihm der Berater vor - und schlägt ein Offshore-Konstrukt vor. Doch der Mann zögert, ob er wegen so einer Summe sein Konto umbauen soll. "Das geht mir hinten vorbei", ließ er die Banker wissen.

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