Supermarkt-Fusion:Die Zerschlagung von Tengelmann ist eine Chance

Kaiser's Tengelmann

Viele Kaiser's Tengelmann-Filialen sind defizitär. Vor allem, weil jahrelang nicht in die Geschäfte investiert wurde. Aus marktwirtschaftlicher Sicht kann die Zerschlagung durchaus sinnvoll sein.

(Foto: dpa)

Auch wenn es für die Beschäftigten bitter ist: Die Zerschlagung des Unternehmens folgt den Regeln der Marktwirtschaft - und könnte am Ende von Vorteil sein.

Kommentar von Jan Willmroth

Zerschlagung ist ein starker Begriff, er beschreibt eine Handlung, mit der etwas unwiederbringlich zerstört wird. Wer Glas zerschlägt, erhält Scherben und Splitter, die nicht wieder zu einem Ganzen werden. Wenn ein Unternehmen zerschlagen wird, erweckt das zu Recht schlimme Assoziationen: von einer kapitalistischen Rücksichtslosigkeit, die den einzelnen Mitarbeiter der Profitgier unterordnet.

In dieser Woche hat die Zerschlagung des Einzelhändlers Kaiser's Tengelmann begonnen. Dem ging ein teils unwürdiges Geschacher voraus. Einen Verkauf der Märkte an Edeka verbot das Bundeskartellamt, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel genehmigte die Fusion per Ministererlaubnis, die aber war laut einem Gerichtsbescheid fehlerhaft. Weil Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub seine Supermarktkette derzeit nicht en bloc an den Wunschpartner veräußern kann, zieht er die Reißleine und verkauft die Supermärkte nun einzeln. Ist das eine Zerschlagung, wird da eine Firma mutwillig auf dem Rücken der Mitarbeiter kaputt gemacht?

Das Unternehmen hatte bereits Risse, bevor die Geschichte um den Verkauf anfing. Es schreibt seit fast 16 Jahren Verluste und zerfällt von allein. Die bisherigen Pläne sahen vor, von 451 Supermärkten bis Jahresende etwa jeden zehnten zu schließen, die Zahl der Mitarbeiter sollte von etwa 16 000 auf 14 500 sinken. Viele Standorte, vor allem in Nordrhein-Westfalen, haben keine Zukunft. Seit Jahren hat Tengelmann - im Gegensatz zur Konkurrenz - kaum noch in die Modernisierung der Märkte investiert; den Kunden blieb das nicht verborgen. In seinem jetzigen Zustand ist die Kette schon lange nicht mehr wettbewerbsfähig, ihre Einkaufsmacht zu gering, die Kosten und die Verkaufspreise im Wettbewerb zu hoch.

Es war von Anfang an befremdlich, dass sich Bundeswirtschaftsminister Gabriel in dieser Angelegenheit zu einer mit so weit reichenden Auflagen versehenen Ministererlaubnis hinreißen ließ. Diese Erlaubnis war befremdlich, weil er sich damit über Gebühr in die unternehmerische Freiheit eingemischt hat: Er machte unter anderem zur Bedingung, dass Edeka Märkte und Mitarbeiterstruktur fünf Jahre lang nicht antastet. Die Verantwortlichen beider Unternehmen aber wissen genauer und damit besser als der Minister, was langfristig für die Firma, ihre Supermärkte und damit durchaus auch für die Mitarbeiter gut ist.

Gabriels Entscheidung war anmaßend

Es gäbe ständig eine Menge Unternehmen, die man vor der Zerschlagung bewahren und damit Tausende Arbeitsplätze, die man retten könnte. Wo aber verläuft die Grenze zwischen Arbeitsplätzen, die es zu bewahren gilt, und solchen, die man den Zeitläuften der Marktwirtschaft opfern darf? Es war schon anmaßend genug, dass Gabriel seine Entscheidung mit "Gemeinwohlgründen" rechtfertigte, als besitze er die Deutungshoheit darüber, was dem Wohl der Allgemeinheit dient. Als lege er fest, welche Arbeitsstellen im Interesse der Allgemeinheit liegen und welche nicht.

Eine Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann könnte sogar vorteilhaft sein, wenn sich die einzelnen Filialen auf viele verschiedene Eigentümer verteilen, die sich nicht an Auflagen halten müssen. In ihrer marktwirtschaftlichen Dimension ist die Zerschlagung nicht schlimm. Nicht für die Kunden, die von der Modernisierung erhaltener Filialen eher profitieren werden. Nicht für die Lieferanten, weil Kaiser's Tengelmann für die meisten zu klein ist, um eine Alternative zu Edeka oder Rewe zu sein. Nur für diejenigen Mitarbeiter, die werden gehen müssen, ist diese Entwicklung wirklich bitter. Sollten sich die zerstrittenen Chefs von Tengelmann, Edeka und Rewe noch einigen, könnte die Ministererlaubnis zwar doch greifen. Marktwirtschaftlich wäre das die schlechtere Option.

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