Supermärkte versus Discounter:Bisweilen skurril

Retail Operations Inside A Rewe Group Supermarket

Es geht um die Wurst, nur: Wo ist die günstigste? Hier im Rewe oder doch eher bei Aldi oder Lidl?

(Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Rewe verdrängt Lidl von Platz zwei im Lebensmittelhandel. Die Supermarktkette stürzt sich in den Preiskampf mit den Discountern.

Von Michael Kläsgen, Köln

Diese kleine Spitze will sich der Chef der Rewe Group dann doch nicht verkneifen, er schießt sie gleich zu Beginn seiner Präsentation ab. "Wie Sie sehen, sind noch alle Vorstände die gleichen wie im letzten Jahr", sagt Lionel Souque zum Auftakt der Bilanzpressekonferenz und deutet auf die neben ihm Sitzenden auf dem Podium. Und dann: "Weil wir nicht bei der Schwarz-Gruppe sind, gibt es da keine Überraschungen." Leises Kichern im Saal.

Bei der Schwarz-Gruppe aus Neckarsulm, die vor allem aus Lidl und Kaufland besteht, geht es wieder einmal turbu- lent zu, mehrere hochrangige Manager mussten zuletzt gehen. Vor etwa drei Wochen legte Kaufland-Chef Patrick Kaudewitz sein Amt nieder. "Aus persönlichen Gründen", wie es offiziell hieß. Am Dienstag folgte dann der Rücktritt von Lidl-Chef Jesper Hojer. Er wolle sich nun mehr seiner Familie widmen, teilte die Schwarz-Gruppe mit.

In der Branche wird schon seit Längerem über die recht hohe Fluktuation beim weltweit größten Lebensmitteldiscounter gefrotzelt. Führungskräfte hielten sich dort kaum länger als zehn Monate im Amt, sagt ein Insider und übertreibt damit nur unwesentlich. Hojer hielt sich immerhin ziemlich genau zwei, sein Vorgänger Sven Seidel gar drei Jahre. Mit mangelnder Leistung hat das allerdings kaum etwas zu tun, eher etwas mit "Gerontokratie und Größenwahn", wie es ein Branchenkenner ebenfalls leicht überspitzt formuliert. Unternehmensgründer Dieter Schwarz geht auf die 80 zu, sein Statthalter, der "Komplementär" Klaus Gehrig, wird dieses Jahr 71. Von ihm sind mehr furchterregende Spitznamen im Umlauf, als er Auftritte in der Öffentlichkeit absolviert. "Killerhai" soll einer davon sein. Angeblich verspeist er auch schon mal eine Führungskraft so nebenbei auf dem Flur.

Was das alles mit Rewe zu tun hat? Nun ja: Handelskonzern Rewe ist im vergangenen Jahr beim Umsatz in Deutschland an der Schwarz-Gruppe vorbeigezogen und wieder die Nummer zwei im hiesigen Lebensmittelhandel, wie ein Sprecher mitteilt. Nummer eins bleibt unangefochten Edeka. Wobei der Rückschritt Lidls auf den dritten Platz höchstens psychologisch als Dämpfer gewertet werden kann. Nicht nur die Rewe-Supermärkte, auch die Lidl-Discounter wuchsen 2018 um mehr als vier Prozent. Lidl war damit sogar erfolgreicher als etwa Billig-Konkurrent Aldi Nord. Nur, dass es eben nicht zum Selbstverständnis vom Schwarz-Chef Gehrig zu passen scheint, auf einen unteren Rang verdrängt zu werden. "Aus dessen Sicht muss Lidl alles wegputzen", sagt ein Branchenkenner.

Dabei ist der Unterschied beim Umsatz zwischen beiden Konzernen in Deutschland nur gering. Die Rewe-Group kommt auf 41,7 Milliarden Euro, die Schwarz-Gruppe folgt knapp dahinter. Vergleicht man beide Konzerne international, liegen Lidl und Kaufland mit einem Umsatz von fast 100 Milliarden Euro klar vor der Rewe Group, die mit 61,2 Milliarden Euro erstmals über die 60-Milliarden-Schwelle kletterte.

Laut Lionel Souque war es eines der "erfolgreichsten Jahre für Rewe überhaupt". Alle Konzernsparten verzeichnen Zuwächse: die Supermärkte, die Discounter, die Baumärkte und DER Touristik. Besonders gut lief das Geschäft bei den selbstständigen Rewe-Kaufleuten in Deutschland: Sie setzten gut neun Prozent mehr um als im Vorjahr, obwohl das Wachstum damals auch schon überdurchschnittlich war (plus 8,5 Prozent). Insgesamt stand am Ende selbst ohne die selbstständigen Kaufleute ein um mehr als 27 Prozent gesteigerter Jahresüberschuss in Höhe von 430 Millionen Euro.

Ausruhen kann und will sich Souque auf dem Erfolg nicht. Der Franzose weiß, dass der Dauerpreiskampf im deutschen Lebensmitteleinzelhandel nicht enden wird. Im Gegenteil: Aldi hat ihn gerade wieder neu entfacht. Auf den Handzetteln des Lidl-Konkurrenten finden sich Woche für Woche die vermeintlich günstigsten Angebote einzelner Markenartikel im Land. Lidl, Rewe und alle anderen passen daraufhin jedes Mal ihre Preise an. Das drückt bei Lidl auf die Marge. Eigentlich kann keiner den Preiskampf gewinnen, dennoch mischen alle mit. Auch Souque denkt nicht daran, nachzugeben. "Wir werden Aldi nicht die Marktführerschaft bei Marken überlassen", sagt er. "Es gibt keine Artikel bei Aldi oder Lidl, die günstiger sind als bei uns", behauptet er. Hat er recht?

Der Kampf um die Preisführerschaft nimmt in Deutschland bisweilen skurrile Züge an. Rewe eröffnete in Berlin eigens einen Pop-up-Store, das heißt, einen vorübergehenden Laden, in dem Fall mit Produkten der Eigenmarke Ja, um zu zeigen, wie günstig die sind. Doch nicht etwa Aldi oder Lidl konterten diesen Versuch, sich als Billigheimer zu profilieren, sondern Netto, der Discounter von Edeka: Der fuhr nun mit einem knallgelben Pritschenwagen vor, versehen mit dem roten Schriftzug "Der Preis ist günstiger", und veranstaltete vor dem Ja-Store ein Rate-Quiz. Die Teilnehmer durften bei einzelnen Artikeln schätzen, wer günstiger ist, Ja oder Netto. Zu gewinnen gab es Netto-Einkaufsgutscheine. Wenig überraschend schnitt Netto jedes Mal besser ab als Rewe mit seiner "Einstiegsmarke" Ja.

Darin kann man durchaus einen Strategiewechsel sehen. Nach dem sogenannten Trading-up, dem Aufhübschen der Discounter, scheint nun das Trading-down, das Abtauchen der Supermärkte in die Billigzone, zu folgen. Souque lässt am Mittwoch jedenfalls keinen Zweifel daran, "die Herausforderung" annehmen zu wollen. "Den Kampf machen wir mit", prophezeit er. Dem Verbraucher wird's recht sein.

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