Süddeutsche Zeitung

Supermärkte:Eine Ladenkette verschwindet

Die Kaffeekanne von Kaiser's und das markante T von Tengelmann sind bald Geschichte - so wie viele bekannte Marken, die den Besitzer wechselten.

Von Valentin Dornis, Christian Endt, Meike Schreiber und Lukas Zdrzalek

Der Schriftzug Tengelmann wird bald über den Supermärkten in Bayern verschwinden. Auch die Läden, die Kaiser's heißen, wird es in einigen Monaten in Berlin und Nordrhein-Westfalen nicht mehr geben. Stattdessen werden über den Eingängen der 446 Geschäfte andere Name prangen: Edeka und Rewe. Eine traditionsreiche Marke verschwindet. Ein Logo, ein Name, mit dem viele Menschen sehr viel verbinden. Die Marke wird in den Köpfen fortleben, eine Weile jedenfalls noch, aber irgendwann werden sich nur diejenigen, die etwas älter sind und noch selber bei Kaiser's und Tengelmann eingekauft haben, daran erinnern. So wie bei anderen bekannten Markennamen.

Premiere

Für deutsche Fußballfans war Premiere lange der Inbegriff des Sportfernsehens. Wer es nicht ins Stadion schaffte, der schaute sich die Spiele der Bundesliga bei dem Bezahlsender an. Gerne auch in der Kneipe um die Ecke: Die wurde mit der entsprechenden Lizenz zur "Premiere Sportsbar", das klang nach großer Fußballwelt und nicht so sehr nach dunklem Eichenholz und speckigen Tischdecken.

Aber das Bezahlfernsehen war vom offiziellen Senderstart im Jahr 1991 an ein hartes und umkämpftes Geschäft. Der Medienmogul Leo Kirch versuchte zunächst, das Unternehmen komplett zu übernehmen, doch das gelang nicht. Später folgten: die Umbenennung in Premiere World, der Börsengang, Klagen von Mitbewerbern und diverse Wechsel der Anteilseigner. Auch die Bayerische Landesbank und die Hypo-Vereinsbank stiegen bei dem kriselnden Sender ein. Schließlich wurde aber der Brite Rupert Murdoch mit seinem Medienkonzern News Corp größter Einzelaktionär. Der Sender wurde 2009 in Sky umbenannt, die Marke Premiere verschwand.

Hamburg-Mannheimer

Er war stets adrett gekleidet, trug meist Krawatte und Jackett. Seinen Aktenkoffer hielt er immer in der linken, nie in der rechten Hand - die musste ja frei bleiben, um Hände zu schütteln. Passanten auf der Straße grüßten ihn mit: "Guten Tag, Herr Kaiser!" Herr Kaiser ist wohl immer noch der bekannteste Versicherungsvertreter der Republik. Mehr als 40 Jahre lang war er die Werbefigur der Hamburg-Mannheimer Versicherung, deren Ursprünge bis ins Jahr 1899 zurückreichen. Mit der Zeit wurde Herr Kaiser quasi zum Inventar deutscher Wohnzimmer - bis er Ende 2009 vom Bildschirm verschwand.

Die Hamburg-Mannheimer war schon Jahre zuvor mit der Victoria-Versicherung zum Düsseldorfer Ergo-Konzern verschmolzen, der die Einzelnamen vor der Jahrtausendwende sterben ließ - zugunsten des Namens Ergo. Der Grund: "Die Bündelung unserer Marken war die optimale Voraussetzung, um Wachstum zu schaffen", erklärt Ergo. Das hat nicht so recht geklappt, Ergo ist ein Sanierungsfall, 2300 Stellen sollen ab 2018 wegfallen. Die Marke leidet unter ihrem bescheidenen Image. Im Jahr 2011 kam raus, dass Versicherungsvertreter in der ungarischen Hauptstadt Budapest eine Sex-Party mit Prostituierten gefeiert hatten. Man kann davon ausgehen, dass der seriöse Herr Kaiser nie bei so etwas mitgemacht hätte.

Mannesmann

D1 oder D2? Wer Ende der Neunziger sein erstes Handy bekam, für den war die Wahl des Mobilfunknetzes ähnlich bedeutsam wie andere große Fragen des Lebens: Beatles oder Stones, Fanta oder Sprite, Bayern oder BVB. Zwar gab es damals schon das E-Netz mit den Anbietern E-Plus und Viag Interkom (heute O₂), so wie es auch schon den VfB Stuttgart gab. Aber die zählten nicht. Zur damaligen Übersichtlichkeit der Mobilfunkwelt gehörte auch, dass sich an der Vorwahl der Handynummer ablesen ließ, zu welchem Netz sie gehörte. 0152, 0162, 0172, 0173 und 0174 standen für D2.

Entstanden ist die Mannesmann AG bereits im 19. Jahrhundert als Hersteller von Stahlrohren. Später kamen unter anderem Maschinenbau, Elektronik und Fahrzeugtechnik dazu. 1989 stieg Mannesmann ins neu entstehende Mobilfunkgeschäft ein und erhielt als erstes Privatunternehmen eine Lizenz neben der Bundespost. In Zeiten, als noch jeder Anruf und jede SMS einzeln kosteten, ließ sich mit Handykunden viel Geld verdienen, so dass der Mobilfunk bald die wichtigste Sparte von Mannesmann war. Der britische Konzern Vodafone wurde darauf aufmerksam und übernahm die Mannesmann AG nach einer spektakulären Übernahmeschlacht im Jahr 2000 für 190 Milliarden Euro. Die Mobilfunkmarke Mannesmann verschwand, und auch die Festnetzsparte Arcor firmiert seither unter Vodafone.

Horten

Die Warenhäuser in der Innenstadt werden regelmäßig totgesagt. Doch viele von ihnen gibt es noch immer - wenn auch unter neuem Namen, wie die ehemaligen Häuser der Kette Horten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs das Unternehmen schnell, vor allem weil es Konkurrenten übernahm. Doch als sich Gründer Helmut Horten Ende der Sechzigerjahre zurückzog, wurde die Firma selbst geschluckt. Ab 1994 übernahm Kaufhof die Horten-Kette komplett und führte viele der Häuser unter dem Label "Galeria Kaufhof" weiter. Der Name Horten verschwand Stück für Stück aus den Innenstädten.

Eines aber blieb: die typischen weißen Fassaden mit großen, quadratischen Kacheln. Der Architekt und Designer Egon Eiermann hatte sie für Horten entworfen. In vielen Städten erinnerten sie auch Jahre später noch an die Geschichte der Häuser, an denen nun häufig die grünen Schilder von Galeria Kaufhof hingen.

Erst in den vergangen Jahren mussten die Horten-Kacheln vielerorts moderneren Fassaden weichen. Teilweise standen die Menschen an den Baustellen Schlange, um ein Exemplar zu ergattern. Im Internet wurden einzelne Kacheln für mehr als 100 Euro verkauft.

Saba

Mancher Deutscher soll den Schwarzwald ja für abgehängt halten, für Provinz halt - dabei war die Region im Südwesten mal ganz weit vorne. Der Landstrich war im vergangenen Jahrhundert eine Zeit lang so etwas wie das deutsche Silicon Valley. Und das Apple jener Tage war die Firma Saba. Das ist die Kurzform für einen ziemlich langen Namen, genau 52 Buchstaben hat er: Schwarzwälder Apparate-Bau-Anstalt August Schwer Söhne GmbH, Sitz der Firma: Villingen-Schwenningen.

Während das Unternehmen anfangs nur Uhren herstellte, begann die Firma in den 1920er-Jahren, Radios zu bauen, später auch Telefone und Fernseher - und erreichte große Bekanntheit, weil die Produkte technologisch weit fortgeschritten waren. In den Siebzigerjahren begann der Niedergang, weil Saba teurer als die Konkurrenz aus dem Ausland war, die zu niedrigeren Löhnen produzieren konnte. 1980 kaufte der heutige Technicolor-Konzern aus Frankreich Saba, doch statt des erhofften Aufschwungs kam es zu Massenentlassungen. Das Saba-Nachfolge-Unternehmen ging schließlich 2007 pleite. Noch viele Jahre hielten die Franzosen die Namensrechte an Saba, ehe sie die Marke in diesem Jahr am 24. Juni löschen ließen.

LTU

Das Markenzeichen der LTU war in Flughafennähe schon mit einem kurzen Blick zum Himmel erkennbar: die großflächig mit einem leuchtenden Rot angestrichenen Flugzeuge. In ihrer 50-jährigen Geschichte vom Erstflug am 2. März 1956 bis zur Übernahme durch Air Berlin im Jahr 2007 war die Airline vor allem im Urlaubsgeschäft tätig. Zu den ersten Verbindungen gehörte die nach Catania auf Sizilien. Später kamen weitere Mittelmeer-Ziele wie Mallorca hinzu, dann Langstreckenflüge etwa in die USA und auf die Malediven. Um die Maschinen voll zu machen, betätigte sich die Fluglinien selbst als Reiseveranstalter, unter Markennamen wie "Marlboro Reisen" und "Meier's Weltreisen", benannt nach dem Manager Norbert Meier.

Die unter dem vollen Namen "Lufttransport-Union" in Frankfurt am Main gegründete, später von Düsseldorf aus operierende LTU hatte nicht immer Glück mit ihren Anteilseignern. Der Großaktionär Swissair ging Pleite, dem Lebensmittelkonzern Rewe fehlte es an Erfahrung und Leidenschaft für das Luftfahrtgeschäft. Notgedrungen musste im Jahr 2001 eine Landesbank, die WestLB, einsteigen, bevor sich sechs Jahre später der Konkurrent aus Berlin erbarmte.

Dresdner Bank

Die Dresdner Bank, vormals die Nummer zwei auf dem deutschen Bankenmarkt, ist zwar Geschichte, seit sie 2009 von der Commerzbank übernommen wurde. Sie warb einst im Fernsehen mit dem "grünen Band der Sympathie". Das Grün gibt es nicht mehr, den Namen der Bank auch nicht mehr, aber das Band der Sympathie hat überlebt: In Gelb ziert das dreieckige Logo der Dresdner Bank heute den Markennamen, die Filialen und den Hauptsitz der Commerzbank in Frankfurt. Deren altes Signet, das Spötter "Blumenkohl" nannten, verschwand 2009.

Das neue Firmenlogo sollte ein "sichtbares Zeichen des Zusammenwachsens" der beiden im Kern recht unterschiedlichen Banken sein: Aus Sicht der Dresdner Bank war die Commerzbank immer ein wenig gewöhnlich, während man sich selbst als Institut für die Besserverdienenden verstand. Das alte Logo der Dresdner Bank wurde 1972, zum 100-jährigen Bestehen der Bank, von einem Münchener Grafik-Designer entworfen. Es sollte für Stabilität und Verlässlichkeit stehen und wurde intern auch "Ponto-Auge" genannt, nach Jürgen Ponto, dem früheren Chef der Dresdner Bank. Die meisten Kunden der Commerzbank werden, so darf man annehmen, heute nicht mehr wissen, dass das dreieckige Logo ihrer Bank von einer anderem Geldinstitut stammt.

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Quelle:
SZ vom 09.12.2016/hgn
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