Supermärkte:Die Edeka-Tengelmann-Fusion ist eine Blamage für alle Beteiligten

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Sigmar Gabriel gab seinen Sanktus - doch das Oberlandesgericht lässt die Fusion platzen. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)
  • Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die geplante Fusion von Edeka und Tengelmann platzen lassen.
  • Zwei Sechs-Augen-Gespräche zwischen den Unternehmenschefs und Sigmar Gabriel hätten zu einer möglichen Befangenheit des Ministers geführt.
  • Edeka will prüfen, wie der Konzern rechtlich gegen die Entscheidung vorgehen kann - aber das Gericht hat keine Revision zugelassen.

Von Varinia Bernau, Michael Kläsgen und Michael Bauchmüller

Die Entscheidung kam überraschend. Und sie ist klar und unmissverständlich. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hält die Ministererlaubnis von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) für Murks. In einem in dieser Form bislang wohl einmaligen Vorgang hat das Gericht eine Ministererlaubnis ausgehebelt. Die Fusion der Supermärkte Kaiser's Tengelmann und Edeka ist damit vorerst geplatzt, Gabriel blamiert und womöglich der Erhalt von Tausenden Arbeitsplätzen in Gefahr.

Das Gericht führt damit - bittere Ironie der Geschichte - genau die Entscheidung herbei, die Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub vor wenigen Tagen noch in seiner nassforschen Art eingefordert hat. Er stellte quasi ein Ultimatum. Bis Ende des Monates wollte er Klarheit - natürlich in einem ganz anderen Sinn. "Es kann keine unendliche Geschichte geben", betonte er vor einer Woche und bemängelte damit die schleppenden Verhandlungen der Gewerkschaften mit Edeka, auf die er kaum einen Einfluss hat. Da befürchtete er noch mögliche Zugeständnisse an die Mitarbeiter der verbliebenen 430 Filialen von Kaiser's Tengelmann, die von Edeka übernommen werden sollten.

Der Gerichtsentscheid ist eine schallende Ohrfeige

Die quälend lange Diskussion über das Ja oder Nein der Fusion scheint nun umsonst gewesen zu sein. "Diese Entscheidung hat große Bestürzung ausgelöst", sagte Haub am Dienstag. Man bedauere diese Wendung, "insbesondere mit Blick auf unsere knapp 16 000 Mitarbeiter." Deutet Haub damit die Zerschlagung der Supermarktkette an, so wie er das schon öfters tat? Tatsächlich ist unklar, wie es weitergeht. Einzelne profitable Supermärkte könnten weiterbestehen. Aber der Rest? Kaiser's Tengelmann macht seit Jahren Verlust. Einen Käufer für die Supermärkte zu finden, wird nun nicht einfacher.

Der Beschluss, den die Düsseldorfer Richter auf 33 Seiten begründen, ist eine schallende Ohrfeige - nicht nur für das Unternehmen Tengelmann, das sich, nachdem das Bundeskartellamt die Fusion untersagt hatte, an den Wirtschaftsminister gewendet hatte. Sondern auch für den Minister selbst. Die Richter werfen Gabriel Befangenheit vor. So habe bereits im November, als erstmals mit allen Beteiligten über eine Ministererlaubnis verhandelt worden sei, ein Übernahmeangebot des Rivalen Rewe vorgelegen, das den Erhalt aller Arbeitsplätze garantierte.

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Das Wirtschaftsministerium weist all diese Vorwürfe weit von sich. Gespräche mit den Antragstellern seien "im Rahmen eines solchen Verfahrens üblich, möglich und zulässig", hieß es aus Gabriels Haus. An einer Anhörung aller Seiten habe der Minister sogar selbst teilgenommen - als erster Wirtschaftsminister in so einem Verfahren überhaupt. Im Übrigen gehe es "um die Existenz von vielen Tausenden Beschäftigten und deren Familien".

Darauf - und auf die schlechte Bezahlung der Supermarkt-Jobs - hatte Gabriel stets hingewiesen. Rücksicht auf die Beschäftigten sei wichtig in einer Zeit, in der "Menschen das Gefühl haben, dass ihre Sorgen und Nöte in der Politik kein Gehör mehr finden". Genau die leben allerdings nun abermals in Unsicherheit.

Das Angebot von Edeka sah ursprünglich einen Stellenabbau vor. Erst im Januar habe Edeka sein Angebot nachgebessert und wie Konkurrent Rewe den Erhalt aller Arbeitsplätze zugesichert, argumentiert nun das Gericht. Dazwischen, im Dezember nämlich, soll es zwei Sechs-Augen-Gespräche gegeben haben: Wirtschaftsminister Gabriel sei mit Markus Mosa, dem Chef von Edeka sowie Tengelmann-Chef Haub zusammengekommen. Das haben die Düsseldorfer Richter in Akten aus dem Bundeswirtschaftsministerium nachgelesen. Worum es bei den Gesprächen ging, sei allerdings nicht vermerkt worden.

Doch die Richter werfen Gabriel nicht nur vor, er habe es an Objektivität und Fairness mangeln lassen. Sie monieren zudem, dass der Minister zwar dazu gedrängt hat, die Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann zu erhalten - aber unberücksichtigt ließ, wie viele Stellen dann womöglich bei Edeka wegfielen. Auch das Argument, der Erhalt von Arbeitnehmerrechten diene dem Gemeinwohl und rechtfertige eine Sondererlaubnis, ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht rechtens.

Die Genehmigung der Fusion hatte Gabriel an Auflagen geknüpft: Edeka sollte mit allen Arbeitnehmern Verträge vereinbaren, die über fünf Jahre betriebsbedingte Kündigungen ausschließen. Doch das Grundgesetz, so schreiben die Richter nun, überlasse jedem Einzelnen die Freiheit, sich von einer Gewerkschaft vertreten zu lassen - oder ihr fernzubleiben. "Kollektive Arbeitnehmerrechte" könnten daher eine Ministererlaubnis nicht rechtfertigen.

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Konkurrent Rewe, der beim Bieterverfahren leer ausging, hofft nun, zum Zuge zu kommen

Edeka will nun prüfen, wie der Konzern möglicherweise rechtlich gegen die Entscheidung vorgehen könne. Es ist zunächst nur eine Eilentscheidung. Allerdings dürfte die abschließende Entscheidung des Gerichts, die in den nächsten Monaten erwartet wird, ähnlich ausfallen. Die Möglichkeit, direkt dagegen in Berufung zu gehen, gibt es nicht. Das Gericht hat keine Revision zugelassen. Beim Bundesgerichtshof könnten die Beteiligten lediglich Beschwerde über Nichtzulassung einreichen. Ob sie diesen Aufwand mit ungewissem Ausgang auf sich nehmen, ist unklar. Auch das Wirtschaftsministerium will weitere Schritte erst einmal prüfen.

Rewe hofft nun darauf, doch noch Supermärkte von Kaiser's Tengelmann übernehmen zu können. Das Kölner Unternehmen fühlte sich von Anfang an von Tengelmann ausgebootet und später von Gabriel missachtet. Tengelmann und Edeka hätten ihre Interessen mit einer "Brachialstrategie" durchboxen wollen. Dass dies unzulässig gewesen sei, habe das Gericht erkannt.

Aber wird Tengelmann-Chef Haub da noch mitspielen? Ohne eine Einigung gebe es für Kaiser's Tengelmann "verschiedene Möglichkeiten", sagt Haub, "aber keine sympathischen".

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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