Sulzer:Finanzakrobatik

Russian Billionaires And President Vladimir Putin At Russia Business Conference

Dem russischen Investor Viktor Wekselberg gehören inzwischen mehrere Schweizer Unternehmen.

(Foto: Andrey Rudakov/Bloomberg)

Der russische Oligarch Viktor Wekselberg legt ein Übernahmeangebot für den Schweizer Traditionskonzern Sulzer vor - es ist ein Scheinangebot.

Von Christoph Giesen und Charlotte Theile, München/Zürich

Es ist ein Übernahmeofferte und doch geht niemand davon aus, dass die Aktionäre darauf eingehen werden: Am Montag hat Renova, die Beteiligungsgesellschaft des russischen Oligarchen und Milliardärs Viktor Wekselberg, ein förmliches Angebot für den Schweizer Pumpenhersteller Sulzer vorgelegt.

Wekselberg gehören bereits einige Schweizer Unternehmen, viele davon im Maschinenbau. Auch an Sulzer ist Renova bislang mit 33,2 Prozent beteiligt. Nun erfolgt das Angebot für eine Komplettübernahme. Doch in Wahrheit soll alles so bleiben wie es ist. Der Grund für diese Offerte ist das Schweizer Aktienrecht: Wer mehr als ein Drittel der Aktien an einem Unternehmen hält, muss ein Pflichtangebot unterbreiten, das mindestens dem Mittelwert des Kursverlaufs der vergangenen 60 Tage entspricht. Dieser liegt im Fall von Renova nun rein zufällig exakt bei 99,20 Franken (etwa 93,30 Euro), also dem Schlusswert vom Freitag.

Mit diesen 99,20 Franken pro Aktie ist die Renova-Offerte allerdings nicht besonders attraktiv. Kaum verwunderlich, dass der Kurs der Sulzer-Aktie zeitweilig auf über 105 Franken stieg.

Warum also dieses Manöver? Der Grund sind die vollen Kassen. Etwa 850 Millionen Franken hat Sulzer angehäuft. Doch was kann man mit dem Geld anstellen? Man könnte eine andere Firma übernehmen, klar. Man könnte es auch ausschütten an die Aktionäre. Denkbar wäre aber auch ein Aktienrückkaufprogramm. Im Klartext hieße das: Sulzer kauft eigenen Aktien zurück und vernichtet sie. Dadurch wird die Menge der Sulzer-Aktien verkleinert - und der Gewinn, der später pro Aktie ausgeschüttet wird, steigt.

Den Zeitpunkt für das Angebot hat Wekselberg gut gewählt

Für die Renova, die bisher den strategisch günstigen Anteil von 33,2 Prozent der Aktien gehalten hat, wäre mit der Verknappung der Papiere früher oder später ohnehin ein Angebot an die Aktionäre fällig geworden. Schließlich wäre ihr Aktienpaket durch die Verkleinerung der Gesamtmenge ganz automatisch zu einem Anteil von mehr als einem Drittel angewachsen. Der Nachteil aus Renova-Sicht: Im Falle eines Aktienrückkaufprogramms wäre der Börsenkurs wahrscheinlich gestiegen. Renova hätte dann zu einem höheren Preis ein Pflichtangebot abgeben müssen. So hat Renova sich aber entschieden, den Zeitpunkt selbst festzulegen und jetzt hat die Beteiligungsgesellschaft die Schwelle schon früher überschritten. Mit voller Absicht.

Das räumt auch Peter Löscher ein. Der frühere Siemens-Boss, ist inzwischen Vorsitzender des Sulzer-Verwaltungsrat und Chef von Renova. Er und ein weiterer Renova-Vertreter wollen ihre Sulzer-Mandate bis zum Ende des Angebots ruhen lassen. Löscher sagt nun zum Angebot: "Deshalb machen wir das Angebot an die Aktionäre zum Mindestpreis von 99,20 Franken pro Aktie. Dies geschieht in der Erwartung, dass die allermeisten Aktionäre den Mindestpreis als zu tief bewertet ansehen und nicht bereit sind, ihre Aktien zu diesem Preis zu verkaufen." Finanzakrobatik vom Feinsten also.

Obwohl niemand davon ausgeht, dass die Sulzer-Aktionäre nun in Scharen ihre Papiere bei Renova in Zahlung geben, muss Wekselbergs Firma natürlich für den Fall der Fälle gewappnet sein. Die notwendigen Kreditlinien hat Renova angeleiert und auch genügend Eigenkapital ist vorhanden.

Der Zeitpunkt für die Offerte ist jedenfalls gut gewählt. Der Kurs der Sulzer-Aktie ist derzeit verhältnismäßig niedrig. Die Papiere des Pumpenherstellers haben sich seit Beginn des Jahres nicht besonders stark entwickelt, auch das Halbjahresergebnis, das die Firma in der vergangenen Woche vorlegte, war nicht gerade berauschend. Sulzer macht vor allem der niedrige Ölpreis zu schaffen. Die großen Konzerne der Öl-und Gasindustrie, die das Unternehmen traditionell beliefert, haben damit begonnen, die Investitionen zurückzufahren. Dazu kommt für Sulzer noch ein verlorener Rechtsstreit und hohe Kosten für die Restrukturierung. Erschwert wird die Situation zusätzlich noch durch den starke Franken, der die Ergebnisse von Sulzer belastet.

Immerhin ist dem Unternehmen aus Winterthur ein anderes Problem erspart geblieben: Im vergangenen Jahr noch versuchte Sulzer, eine Allianz mit dem US-amerikanischen Kompressorhersteller Dresser-Rand zu schmieden - ein Unternehmen, das noch viel stärker von der Öl-und Gasindustrie abhängig ist als Sulzer selbst. Aktien sollten getauscht und beide Unternehmen vereint werden. Doch dieser Versuch scheiterte, weil man sich im September 2014 nicht einigen konnte, wie viele Sulzer-Aktien wie vielen Dresser-Rand-Papieren entsprechen. Schließlich griff Löschers ehemaliger Arbeitgeber Siemens zu und kaufte Dresser-Rand kurzerhand für 7,8 Milliarden Dollar - ein teurer Deal. Nun gehört Dresser-Rand seit Anfang Juli 2015 zu Siemens. Und jetzt sind es die Münchner, die mit dem niedrigen Ölpreis zu kämpfen haben.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: