Frau Gollers, Frau Schönborn, am Dienstagabend waren Sie in der "Höhle der Löwen", einer Fernsehsendung, in der Start-ups Geld von Investoren bekommen können. Wie ist es gelaufen?
Sabrina Schönborn: Unser Pitch hat gut geklappt und wir haben gleich von zwei Investoren ein Angebot erhalten. Eigentlich wollten wir für ein Investment von 500 000 Euro nur zehn Prozent Unternehmensanteile abgeben, aber die beiden wollten jeder zehn Prozent. Da mussten wir uns erst einmal beraten. Weil die beiden Löwen versprochen hatten, nicht nur ihr Kapital, sondern ihre Arbeitskraft, Teams und Kontakte einzubringen, haben wir den Deal angenommen.
Sind Sie zufrieden?
Laura Gollers: Wir waren sehr glücklich, als wir die Aufzeichnung so gut überstanden hatten. Das war ein ganz schöner Adrenalinkick. Besonders stolz waren wir über die Begeisterung von Judith Williams. Sie war ja die Einzige in der Runde, die unser Konzept als Frau und Mode-Expertin bewerten konnte. Uns war klar, dass keiner der Herren investieren würde, wenn Judith gesagt hätte, dass die Frauenwelt das nicht braucht.
Wie sind Sie überhaupt auf die Idee für BHs in großen Größen gekommen?
Schönborn: Weil wir früher selbst keine passenden BHs gefunden haben. Beim Shoppen wurde uns geraten, ins Sanitätshaus zu gehen oder es auf der Reeperbahn zu probieren. Das ist als 18-Jährige nicht so toll. Es gab nur fleischfarbene Brustpanzer. Oder Minimizer. Allein das Wort, Minimizer! Frauen wird ständig gesagt: Das muss kleiner seien, das größer, das dicker, das dünner.
Aber es gibt ja auch BHs für größere Größen. Geben deutsche Frauen einfach nur nicht genug Geld aus?
Schönborn: Nicht alle. Bei großen Größen kann es außerdem ziemlich teuer werden. Viele Anbieter verlangen dafür 120 Euro. Sie können das, weil die Frauen so verzweifelt sind. Bei uns sind es 50 bis 65 Euro, ganz gleich in welcher Größe.
Gollers: Wir wollen keiner Frau das Gefühl geben, sie würde nicht der Norm entsprechen und muss deshalb einen Aufpreis zahlen.
Aber ist die Zielgruppe "Frau mit großen Brüsten" nicht ziemlich klein?
Schönborn: Nein. Mittlerweile haben wir auf Grund der großen Nachfrage unsere Zielgruppe erweitert und bieten mehr als 50 verschiedene BH-Größen an. Von Unterbrustgröße 65 bis 105 und Cup A bis I ist alles dabei, so dass nun auch Frauen mit kleinerer Oberweite oder fülligere Frauen bei uns einen BH finden. Außerdem tragen 80 Prozent aller Frauen die falsche BH-Größe, weil sie falsch beraten wurden oder nicht die richtige finden.
Woran liegt das?
Gollers: Die wenigsten Frauen wissen, wie sie ihre richtige BH-Größe bestimmen können und was zum Beispiel 70D eigentlich bedeutet. Die Tabellen sind aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren. Damals gab es keine elastischen Stoffe. Da hat das Material keinen Milimeter nachgegeben. Heute ist das anders. Aber am Ende gilt: D ist nicht gleich D. Bei 70D ist der Cup kleiner als bei 90D. Die Körbchengröße richtet sich nämlich nach der Differenz aus Brustumfang und Unterbrustumfang. Eine schmale Frau braucht bei gleichem Brustumfang viel eher D oder F als eine etwas breitere Frau. Das wissen die meisten nicht. Und es gibt diese Buchstabenphobie: Frauen, die einen größeren Cup bräuchten, aber keine E, F oder G sein wollen, zwängen sich in zu kleine BHs.
Sie reden sich ja richtig in Rage.
Gollers: Wenn man aus jedem Laden geschickt wird oder mitleidige Blicke bekommt, ist das schon eine Belastung. "Das ist bestimmt schlimm für Sie!" Dabei hatte man bis dahin das Gefühl, "Ach, geht eigentlich". Eines Tages haben wir am Frühstückstisch wieder darüber geredet. Und dann hat Sabrinas Mann gesagt: Macht das doch einfach selber.
Sie haben also einen Online-Shop gegründet, weil Sie selbst so verzweifelt gesucht haben?
Schönborn: Ja. Von den wenigen Frauen, die gründen, machen die meisten diesen Schritt aus der eigenen Not heraus. Weil sie ein Problem haben, das sie lösen wollen. Die meisten Männer schauen, wo das größte Umsatzpotenzial ist. Die gehen da viel nüchterner ran. Denen geht's um das schnelle Wachstum. Frauen wollen die Welt verbessern.
Um die Welt zu verbessern, mussten Sie erst einmal herausfinden, wie ein guter BH sein muss.
Schönborn: 80 Prozent des Gewichts soll vom Unterbrustband gestützt werden. Die Träger halten den BH nur an der richtigen Stelle. Die meisten Frauen bräuchten einen engeren Umfang und somit ein größeres Körbchen. Viele tragen dann 80C, weil sie das gerade noch im Laden bekommen. Aber sie bräuchten 70D oder 70E. Und so hängt das ganze Gewicht an den Trägern.
Klingt, als wäre die Produktion von BHs eine komplizierte Angelegenheit.
Gollers: Uns war klar: Ohne ein eigenes Größensystem wird das nichts. Sonst schrumpft die riesige Zielgruppe zusammen, weil die Frauen sich denken: Ne, so große Brüste habe ich ja gar nicht.
Wie funktioniert denn Ihr System?
Schönborn: Die Frauen messen den Brustumfang und geben die Zentimeterwerte auf unserer Internetseite ein. Das ist total unemotional. Da schummelt keiner. Auch bei den Unterteilen machen wir es genauso. Nicht S oder L, sondern die Zentimetermaße. So werden die Frauen nicht gelabelt als "Du bist XXL" und schicken seltener etwas zurück, weil es nicht passt.
Wie lang hat es gedauert, bis Sie sich auf das Wagnis eines eigenen Unternehmens eingelassen und tatsächlich Ihren Job geschmissen haben?
Schönborn: Ein halbes Jahr etwa. Einen Monat nach der ersten Recherche waren wir bei einem Gründerwettbewerb. In der Jury, vor der wir pitchen sollten, saßen nur Männer. Und die dachten natürlich: Was, große Brüste, ist doch toll, wo ist das Problem? Also haben wir gesagt: Stellt euch vor, ihr müsstet den ganzen Tag in zu kleinen Schuhen rumlaufen, ihr würdet keine Schuhe finden und wenn, wären das hässliche Gesundheitslatschen. So haben wir gewonnen und Zuspruch von Investoren bekommen.
Bei der "Höhle der Löwen" war eine Frau unter den Entscheidern. Aber wird man sonst von mittelständischen Partnern und Investoren ernst genommen, wenn man als junge Frauen sagt: Wir machen BHs?
Schönborn: Den Leuten macht das auch Spaß. Das ist mal keine App, sondern etwas Greifbares. Es ist aber wichtig, dass wir sehr selbstbewusst auftreten. In einem Geschäftsgespräch muss man sehr laut "Brüste" sagen und darf das nicht flüstern.
Ihre Eltern arbeiten mittlerweile auch in der Firma. Wie führt man Gehaltsverhandlungen mit Mama und Papa?
Gollers: Da gab's nie Probleme. Was heikler war: Wie sorge ich dafür, dass niemand in der Firma das Gefühl hat, wir würden ihn anders behandeln? Wir wussten irgendwann, dass wir im Büro eine gewisse Professionalität brauchen. Deswegen sagen wir nicht Mama und Papa, sondern Beate und Klaus.
Wie sind Sie eigentlich auf den Namen Sugarshape gekommen?
Schönborn: Ursprünglich hießen wir Cupcakes. Aber die Marke hatte schon eine große Firma angemeldet. Im Nachhinein haben wir uns gesagt: Vielleicht besser so. Denn wer "Cupcake" googelt, bekommt erst einmal Kuchen angezeigt. Und auf Seite fünf kamen dann wir. Also brauchten wir einen Namen, der noch keine Bedeutung hatte. Uns war auch wichtig, dass der Name international funktioniert. Wir haben die Marke auch gleich überall angemeldet. Schließlich haben wir noch viel vor.