Südkorea:Verflixte globalisierte Marktwirtschaft

Südkorea: Deutsche Autos gelten in Südkorea als Luxusgut und Statussymbol. Das nervt die südkoreanische Automobilindustrie.

Deutsche Autos gelten in Südkorea als Luxusgut und Statussymbol. Das nervt die südkoreanische Automobilindustrie.

(Foto: imago images/TOPIC PHOTO AGENCY)

Südkorea spürt gerade mehr denn je, dass eine Wirtschaft nicht beliebig boomen kann, und wünscht sich mehr Rücksicht von ausländischen Unternehmen. Doch so funktioniert es eben nicht.

Von Thomas Hahn, Seoul

Deutsche Autos gehen der südkoreanischen Automobilindustrie schon lange auf die Nerven. Davon darf man wohl ausgehen, denn Tatsache ist: Deutsche Autos gelten unter den Fahrerinnen und Fahrern des Tigerstaats als Luxusgut und Statussymbol, die einheimischen Produkte hingegen eher als Gebrauchsvehikel für Leute, die sich nichts Besseres leisten können. Der Parkplatz eines teuren Kaufhauses im Seouler Nobelbezirk Gangnam wirkt regelmäßig wie eine Messe deutscher Marken. Und in schwachen Momenten denken Südkoreas Autobauer bestimmt: Was hat ein Mercedes oder Audi, das ein Hyundai oder Kia nicht hat?

Und jetzt kommt auch noch diese Rohheit dazu, die sich der Ableger der Bayerischen Motorenwerke aus München geleistet hat. Laut Finanzaufsichtsbehörde hat BMW Korea 2022 bei einem Nettogewinn von 95 Milliarden Won (rund 66 Millionen Euro) eine Dividendenausschüttung von 215,3 Milliarden Won (149,6 Millionen Euro) nach Deutschland überwiesen. 2021 waren es noch 70 Milliarden Won. "Bedauerlich" nennt das ein Vertreter der südkoreanischen Automobilindustrie in der Korea Times. Reinvestieren wäre netter gewesen, will er sagen. Eigentlich will er sogar sagen, das gehöre sich einfach so, wenn man sich wirklich für das Gastgeberland interessiert. Für BMW sei der "koreanische Markt anscheinend nur eine Einnahmequelle für den Verkauf hochpreisiger Fahrzeuge".

Edel ist, was Geld bringt, alles andere stört nur

Das Konzept, Gewinne aus dem Ausland an die Heimat weiterzugeben, ist dem Exportland Südkorea wahrscheinlich auch nicht ganz fremd. Aber wenn es ums Geld geht, pflegt eben jede Nation ihre eigene Moral. Und Südkorea ist das Musterbeispiel einer Ökonomie, für die Anstand und eigener Kommerzerfolg im Grunde dasselbe sind. Fast nichts hasst man hier so sehr wie eine Einnahme, die man der nationalen Wirtschaft vorenthält. Edel ist, was Geld bringt, alles andere stört nur. Mit dieser Haltung, Marktinstinkt und viel Fleiß hat sich das Land einst vom bettelarmen Nachkriegsland zur zehntgrößten Volkswirtschaft hochgearbeitet. Und mit dieser Haltung will es jetzt auch die härteren Zeiten mit Pandemie und Russland-Krieg in der Ukraine überstehen.

Das zeigt sich auch in einem ganz anderen Feld. Animes, also Zeichentrickfilme aus der Kreativindustrie des Erzrivalen Japan, erweisen sich in südkoreanischen Kinos als großer Erfolg. Derzeit sind vor allem das Basketball-Drama "The First Slam Dunk" und das Fantasy-Märchen "Suzume" populär. Und zwar so populär, dass sich Südkoreas Unterhaltungsindustrie fragt, warum einheimische Animationswerke nicht mithalten können. Experten antworten: Weil Zeichentrickfilme in Südkorea lange vor allem als Kinderprogramm und Spezialinteresse von Hardcore-Fans galten - ganz anders als in Japan. Aber ein bisschen soll es schon auch am rücksichtslosen Mitbewerber liegen. Koreas wachsender Webtoon-Markt werde aufgekauft, sagt Kim Nam-hee, Vizevorsitzende im Verband der koreanischen Animationsindustrie. "Es ist eine Schande, dass japanische Produktionsfirmen im Wettbewerb um die Adaptionsrechte die Führung übernehmen, obwohl die ursprünglichen Internet-Comics unser geistiges Eigentum sind."

Verflixte globalisierte Marktwirtschaft. Andere pflegen auch ihre Geschäfte. Das Unrecht ist eigentlich keines. Aber Südkorea spürt eben mehr denn je, dass man selbst als gelobter Tigerstaat nicht beliebig boomen kann. Ist es da nicht menschlich, die Schuld zwischendurch auch mal bei anderen zu suchen?

BMW Korea hat jedenfalls gelassen auf die Klagen regiert. "Es ist nicht per se falsch, wenn ein Unternehmen mit Hauptsitz im Ausland Dividenden an den Hauptsitz schickt", sagte ein Sprecher in der Korea Times. Andere ausländische Marken würden das auch tun, sogar mit größeren Summen. Außerdem kaufe man für viel Geld Autoteile von der koreanischen Industrie. "Wir hoffen, dass diese Aspekte positiver betrachtet werden können." Im Klartext: Südkorea soll sich nicht so haben. Es muss ja auch auf Deutschland keine Rücksicht nehmen.

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