Es war zehn Minuten nach elf, als er das erste Bier verkaufte, sagt der Barkeeper im Beerhouse in Kapstadt. Man kann es ein historisches Datum nennen, das Ende einer fünfmonatigen Prohibition. Seit dem 27. März durften Bars, Kneipen und Restaurants in Südafrika keinen Alkohol verkaufen, auch in Alkoholläden und Supermärkten gab es bis auf eine kurze Unterbrechung keinen Wein oder Bier zu kaufen. Die Regierung hatte das Verbot damit begründet, dass in den Notaufnahmen der Krankenhäuser jedes Wochenende so viele Patienten angeliefert werden, die im Suff gegen eine Mauer gefahren sind oder eine Schlägerei begonnen haben, dass für Corona-Infizierte kaum noch Intensivbetten frei seien.
Zahlreiche Ärzte berichteten nach dem Alkoholverbot, dass weit weniger Betrunkene eingeliefert wurden. Als Supermärkte im Juni für einige Wochen Alkohol verkaufen durften, änderte sich das Bild wieder. Jetzt hob die Regierung das Verbot auf, weil die Zahl der Corona-Neuinfektionen stark zurück gegangen ist und die Überforderung des Gesundheitssystem weitgehend ausblieb. Viele Wochen lang war Südafrika mit mehr als 10 000 Neuinfektionen pro Tag unter den am meisten betroffenen Ländern der Welt, am Montag waren es nur noch 2500.
Präsident Cyril Ramaphosa beschloss deshalb, von Dienstag an die Wirtschaft des Landes zu öffnen. Verboten bleiben eigentlich nur noch größere Veranstaltungen und Reisen ins Ausland. In den sozialen Medien wurde die Entscheidung begeistert aufgenommen. Aber so leicht lässt sich die Wirtschaft nicht wieder in Gang bringen. Im Eingang des Beerhouse sind kleine Schilder angebracht, die dazu aufrufen, Bier zu trinken, um Arbeitsplätze zu sichern. Drinnen verliert sich eine Handvoll Gäste, viele Restaurants und Bars in der Nachbarschaft haben erst gar nicht aufgemacht.
Der südafrikanische Wirtschaftsverband "Business for SA" warnt vor einer "ökonomischen Müllhalde". Schätzungen gehen davon aus, dass seit März mehr als zwei Millionen Jobs verloren gegangen sind und die Arbeitslosigkeit von 30 Prozent auf 50 Prozent steigen könnte. Allein in der Gastronomie- und Tourismusbranche sollen etwa 600 000 Jobs verloren gegangen sein.
Die Opposition und Gastronomen hatten lange gegen das Alkoholverbot protestiert, der Verkauf von Wein und Bier war für viele Restaurants der wichtigste Teil des Umsatzes, und ohne Alkoholausschank kamen kaum noch Gäste. Kein anderes Land der Welt setzte wie Südafrika so viele Monate auf totale Prohibition, die letztlich wie alle Alkoholverbote scheiterte. Der Staat verlor viele Milliarden Steuereinnahmen, Arbeitsplätze gingen verloren, Profiteure waren lediglich die Schwarzmarkthändler.
Völlig absurd war das Verbot von Zigaretten, das die Regierung nie schlüssig begründen konnte, und nirgends auf der Welt nachgeahmt wurde. Zigaretten gab es dennoch an jeder Ecke, Raucher mussten aber teilweise das Vierfache des normalen Packungspreises zahlen, der Staat bekam keine Steuern, Schmuggler verdienten Millionen.
Nun kehrt das Land zu einer Art Normalität zurück, versucht es zumindest. Im Beerhouse wäre der Dienstagabend wegen der Champions League normalerweise ein Umsatzbringer. Wegen der Ausgangssperre um 22 Uhr können Gäste aber höchstens das halbe Spiel sehen.