Subventionsstreit:NRW will Einblick in Nokia-Bücher

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Das Land Nordrhein-Westfalen erhöht im Streit um möglicherweise unrechtmäßig geflossene Subventionen für das Bochumer Nokia-Werk den Druck auf den finnischen Konzern.

Im Streit um möglicherweise unrechtmäßig geflossene Fördermittel für das Nokia-Werk in Bochum hat die NRW-Regierung nun einen neue Forderung gestellt.

Bochumer Standort: Im Subventionsstreit um das Bochumer Werk verlangt die NRW-Regierung Einblick in die Bücher des finnischen Konzerns. (Foto: Foto: ddp)

Prüfer der NRW-Bank würden möglicherweise in Bochum Einblick in die Bücher des Konzerns verlangen, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums am Mittwoch in Düsseldorf. Das Land strebe eine umfassende Aufklärung an.

Wirtschaftsministerin Christa Thoben kündigte zudem an, Unternehmen wie Nokia würden bei Verhandlungen um künftige Ansiedlungen in NRW "in solchem Umfang keine Mittel mehr erhalten". Die Ministerin hatte bereits gesagt, dass das Land Beihilfen von bis zu 41 Millionen Euro zurückfordern könnte.

Hintergrund sind Vorwürfe, dass Nokia in Bochum weniger Arbeitsplätze als vertraglich vereinbart geschaffen haben soll. Nokia weist dies zurück.

Thoben kündigte gleichzeitig weitere Gespräche mit dem Nokia-Management über die Schließungspläne für das Bochumer Werk mit über 2000 Mitarbeitern an. Sie wertete es vor dem Düsseldorfer Landtag als ermutigendes Zeichen, dass Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angekündigt hatte, Nokia wolle "jetzt mit den Betroffenen diskutieren und wirklich nach Lösungen suchen".

Dabei solle auch über Möglichkeiten geredet werden, wie Nokia sich in der Region Bochum engagieren könne. Ziel sei es, so viele Arbeitsplätze wie irgend möglich in Bochum zu retten. Thoben solle in dem Gespräch mit Nokia ausloten, was die jüngsten Äußerungen Kallasvuos für Bochum bedeuten könnten.

Rüttgers begrüßt Nokias Gesprächsangebot

NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hat die Bereitschaft von Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo begrüßt, über Alternativen für den Standort Bochum zu reden. Das sei ein gutes Zeichen, sagte Rüttgers am Mittwoch im Landtag.

"Wir sollten diese Chance nutzen, mit ihm darüber zu reden, was das konkret bedeutet und für wieviele Menschen das konkret am Standort Bochum eine Zukunft bedeutet", sagte der Ministerpräsident.

Die Landesregierung werde nicht mithelfen, dass Nokia die geplante Schließung der Werks innerhalb weniger Wochen abwickeln könne, sagte Rüttgers. Diese Absicht passe nicht zur Ankündigung des Firmenchefs, über Alternativen zu reden. "Die Menschen brauchen eine Dauerperspektive", forderte der Ministerpräsident.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat die Nokia-Führung aufgefordert, die geplante Betriebsverlagerung der Handy-Fertigung aus Bochum ins Ausland sozialverträglich zu gestalten. Das Management eines solchen global operierenden Konzerns sollte bei seinen Entscheidungen immer auch auf das Ansehen ihrer Marke bedacht sein, sagte Glos am Mittwoch in Berlin.

Von Versäumnissen ablenken

Grundsätzlich könne die Bundesregierung solche Betriebsverlagerungen im Zuge der Globalisierung nicht verhindern. Glos erinnerte zugleich daran, dass Deutschland bisher "Profiteur" der Globalisierung gewesen sei. Und es gelte auch künftig, die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland attraktiv zu gestalten für Entwicklung, Konstruktion und Produktion.

Der Bochumer Nokia-Betriebsrat hat dem Chef des finnischen Handyherstellers, Olli-Peka Kallasvuo, Managementfehler vorgehalten. Grund für die geplante Schließung des Bochumer Werks seien nicht zu hohe Lohnkosten.

Vielmehr seien Überkapazitäten geschaffen und zu wenig attraktive neue Produkte entwickelt worden, wie der Betriebsrat am Mittwoch mitteilte. So wurden nach Darstellung der Betriebsratschefin Gisela Achenbach Konzepte Bochumer Entwickler für Musikhandys nicht konsequent genug auf dem Markt platziert.

Auch den Einstieg in den Musikvertrieb über das Internet hätten Bochumer Ingenieure bereits 2002 vorgeschlagen, doch das Projekt werde erst jetzt angegangen. "Nokia sollte sich auf das konzentrieren, was es kann: Spitzenhandys entwickeln und bauen. Das hat der Standort Bochum seit fast 20 Jahren auch getan", sagte Achenbach.

Stadt Bonn tauscht Nokia-Handys aus

Die Bonner Stadtverwaltung will aus Solidarität mit den Beschäftigten des Bochumer Nokia-Werkes die finnischen Handys gegen Mobiltelefone anderer Marken tauschen.

Das habe der Verwaltungsrat der Stadt beschlossen, sagte eine Sprecherin der Stadt Bonn am Mittwoch. Der Wechsel zu einer anderen Telefonmarke werde natürlich kostenneutral vollzogen. Wenn gerade erst ein neuer Vertrag abgeschlossen worden sei, müsse mit dem Handytausch gewartet werden, bis dieser kostenlos möglich sei.

Gleich 400 Nokia-Mobiltelefone wollen die Bonner Stadtwerke eintauschen. Stadtwerke-Chef Hermann Zemlin sagte zu der Aktion, die Stadtwerke als regional verwurzeltes Unternehmen, das nicht Gewinnmaximierung anstrebe, sondern sich an den Interessen der Bürger orientiere, könnten ein derart unsoziales Verhalten wie das des Nokia-Managements nicht akzeptieren.

Hälfte der Deutschen will kein Nokia-Handy mehr

Die angekündigte Werksschließung in Bochum hat dem Image des finnischen Handy-Herstellers Nokia in Deutschland einer Umfrage zufolge schwer geschadet.

56 Prozent der Bundesbürger wollen wegen der Entscheidung des Konzerns künftig keine Nokia-Handys mehr kaufen, wie aus einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage für das Magazin Stern hervorgeht.

68 Prozent der Bundesbürger gaben zudem an, sie glaubten, dass das Ansehen des Unternehmens unter der umstrittenen Entscheidung gelitten habe. Für 34 Prozent hat die Werksschließung keinen Einfluss auf ihre Entscheidung beim nächsten Handy-Kauf.

Nur 31 Prozent der Deutschen sind demnach der Ansicht, die geplante Schließung des Betriebes mit mehreren tausend Entlassungen werde sich nicht negativ auf die Marke Nokia auswirken. Für die Umfrage wurden in den Tagen nach der Ankündigung der Werksschließung rund 1000 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger befragt.

© Reuters/dpa/AFP/ckn/sma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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