Süddeutsche Zeitung

Subventionen von Elektroautos:Abwrackprämie 2.0

Die Forderung der Autohersteller nach milliardenschweren Subventionen für die Elektroautos ist unsinnig. Die Konzerne und der Staat müssen umdenken - und das Geld an einer sinnvolleren Stelle investieren.

Karl-Heinz Büschemann

Die Autoindustrie will mal wieder Staatsgeld locker machen. Es war wohl zu schön, als 2009 die staatliche Abwrackprämie von fünf Milliarden Euro die Geschäfte der Autohersteller beflügelte. An diesem Dienstag will die Branche in Berlin ein Papier vorlegen, in dem sie um ein paar Milliarden Euro zur Förderung des Elektroautos bittet.

Der Gedanke, den Staat helfen zu lassen, wo die Manager nicht mehr recht weiterwissen, liegt nahe. Viele Regierungen, darunter die von Frankreich oder China, haben ihrer Autoindustrie bereits großzügige Hilfen zugesagt. Da liegt die Forderung nach Gleichbehandlung auf der Hand.

Bei den deutschen Autounternehmen zeigt die Haltung aber auch ein hohes Maß an Verunsicherung. Sie trauen es sich offenbar nicht mehr zu, den Anschluss an die weit enteilten asiatischen Konkurrenten zu finden. Die Deutschen liegen nach der Ansicht von Fachleuten aus der "Deutschen Akademie der Technikwissenschaften" (Acatech) im Wettbewerb mit den Asiaten um "Lichtjahre zurück". Ein ernüchterndes Urteil.

Offenbar kommen die Herren aus der Autoindustrie von ihrem hohen Ross herunter. Es dämmert ihnen wohl, dass das Elektroauto schneller kommt, als sie glaubten, und dass die asiatische Konkurrenz weiter ist, als die Manager in München, Stuttgart oder Wolfsburg bisher einräumen wollten. Es wird Zeit, dass sie ihre Lage realistisch sehen. Fünf Millionen Menschen hängen in diesem Lande wirtschaftlich von der Autobranche ab. Grund genug, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Zukunft dieser Schlüsselindustrie aussieht.

500 Millionen Euro reichen nicht

Auch die Bundesregierung ist gefordert. Allerdings sollte sie sich hüten, den Autoherstellern oder ihren Kunden Bargeld zu geben, um den Absatz von Elektroautos zu fördern. Wo ein Produkt nur durch Zuschüsse marktreif wird, geht die Wirtschaft in die falsche Richtung, wird Volksvermögen verschleudert. Auch Steuervergünstigungen wie sie die Branche verlangt, haben die Wirkung einer schädlichen Subvention.

Trotzdem sollte die Bundesregierung die E-Autos mit mehr Geld fördern als jene 500 Millionen Euro, die Berlin für die Förderung dieser Zukunftstechnologie bis 2020 in Aussicht gestellt hat. Viele Milliarden Euro sind nötig. Aber dieses Geld muss in die Förderung der relevanten Forschung und Entwicklung fließen, die in Deutschland im Argen liegt. Viele wissenschaftliche Disziplinen, die für das Elektroauto bedeutend sind, wurden in Deutschland sträflich vernachlässigt. Das gilt vor allem für die Elektrochemie, ohne die es keine modernen Batterien gibt. Ohne die kann die deutsche Industrie beim Elektroauto keine führende Rolle erreichen. Auch der Ausbau der Infrastruktur wird teuer. Wo für das E-Auto neue computergesteuerte Stromnetze und einheitliche Technikstandards nötig sind, ist der Staat mit ordnender Hand und Geld gefragt.

Grenzen überwinden

Vor allem aber müssen die Autokonzerne ihr eigenes Vorgehen ändern. Bei aller Konkurrenz sollten sie erkennen, dass sie in der Basistechnologie viele identische Interessen haben, die sie gemeinsam verfolgen müssen. Dazu gehört gemeinschaftlich finanzierte Forschung und Entwicklung. Stattdessen agieren sie gegeneinander und wundern sich, dass sie bei den gleichen chinesischen Firmen um technische Kooperation ansuchen. Wo VW und Daimler gleichermaßen die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Unternehmen Build Your Dreams suchen, einem Batterie- und E-Autopionier, sollte den Managern klar werden, dass zu Hause manches schief gelaufen ist.

Am schwersten fällt der Autoindustrie die Erkenntnis, dass das entscheidende Knowhow für das E-Auto von morgen nicht bei ihnen liegt, sondern bei Elektronikkonzernen wie Bosch und Siemens oder bei Softwareanbietern wie SAP. Es ist kein Zufall, dass nicht die Autokonzerne die ersten Anbieter von Elektrofahrzeugen auf dem Markt sind. Vielmehr gehen krasse Außenseiter voran, die nicht betriebsblind sind und ein offenes Auge haben für die Technologie, die für das Auto der Zukunft gebraucht wird.

Neue Formen der Zusammenarbeit über Branchengrenzen hinweg sind notwendig. Doch das geschieht zu wenig. Sogar der Bundesverband der Deutschen Industrie beklagt das inzwischen. Die Bundesregierung ist in der Frage der E-Mobilität gefordert. Aber sie hat keinen Grund, mit Milliarden in Vorleistung zu gehen, solange die Automanager nicht erkennen, was sie selbst tun müssen.

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SZ vom 30.11.2010/aum
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