Weltwirtschaftsforum in Davos:Von der Leyen kontert im Subventionswettstreit

Weltwirtschaftsforum in Davos: EU-Chefin Ursula von der Leyen kritisiert China.

EU-Chefin Ursula von der Leyen kritisiert China.

(Foto: Markus Schreiber/AP)

US-Präsident Biden fördert den Umbau hin zu einer grünen Wirtschaft massiv. Die EU-Kommissionspräsidentin sorgt sich, dass nun Firmen abwandern könnten - beschwört aber Zusammenhalt, statt den Konflikt weiter anzuheizen.

Von Vivien Timmler, Davos

Es geht nur gemeinsam: gemeinsam für die Ukraine, gemeinsam gegen die Energiekrise, gemeinsam fürs Klima. Es ist ein starker Appell für Zusammenhalt und gegen geopolitische Abgrenzung, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Eröffnungsrede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos formuliert; jenem Treffen der Wichtigen und Mächtigen, bei dem es in den ersten Stunden vor allem um die multiplen Krisen geht, mit denen die Welt gerade konfrontiert ist. Und um die Frage: Driftet die Welt auseinander?

Von der Leyen hätte allen Grund, diesem Eindruck nachzugeben. Sie befindet sich gerade inmitten einer Handelsdebatte, die durchaus das Potenzial hat, sich zu einem handfesten Handelsstreit auszuwachsen. Der sogenannte Inflation Reduction Act (IRA) von US-Präsident Joe Biden, der mit 369 Milliarden Dollar den Umbau der amerikanischen Wirtschaft hin zu grünen Technologien beschleunigen soll, zwingt sie, ebenfalls schnellere und mehr Subventionen für EU-Firmen anzukündigen. Denn auch wenn Bidens Paket eigentlich ein überfälliger Schritt in der amerikanischen Klimapolitik ist: Es gibt da eine brisante Nebenwirkung. Oder wie von der Leyen es ausdrückt: Es sei "kein Geheimnis, dass bestimmte Elemente des Inflation Reduction Acts Bedenken in Bezug auf einige der gezielten Anreize für Unternehmen aufgeworfen haben".

Was sie damit meint, ist die Benachteiligung europäischer Konzerne, die mit der Unterstützung der in den USA produzierenden US-Konzerne einhergeht. Vor allem jene Unternehmen, die viel Handel mit Amerika betreiben, könnten Investitionen und sogar ganze Werke in die Vereinigten Staaten verlagern.

"Einfachere Berechnungen. Simplere Verfahren. Schnellere Genehmigungen"

Künftig sollen die Regierungen der EU-Staaten daher einfacher Subventionen an Firmen zahlen können, die in grüne Technologien investieren, so von der Leyen. Die strengen Subventionsregeln der EU-Kommission sollen gelockert werden, zumindest für einen begrenzten Zeitraum. "Einfachere Berechnungen. Simplere Verfahren. Schnellere Genehmigungen", sagt von der Leyen. Europa habe einen Plan für die Zukunft. "Und deshalb glaube ich, dass die Geschichte der Wirtschaft der sauberen Technologien in Europa geschrieben wird."

Zusätzlich hat sie in Davos nun ein neues "Netto-Null-Industrie-Gesetz" angekündigt, mit dem sie Europas Wirtschaft zum Weltmarktführer für saubere Technologien und Innovationen machen will. Darin würden klare Ziele festgelegt für saubere Technologien in Europa bis 2030. Der Plan sieht vor, Regeln zu vereinfachen, um günstigere Bedingungen für Anbieter von Produkten wie Windenergie, Wärmepumpen, Solarenergie und sauberem Wasserstoff zu schaffen. Erklärtes Ziel sei es, in strategische Projekte entlang der gesamten Lieferkette zu investieren. "Diejenigen, die die Technologien entwickeln und herstellen, die das Fundament der Wirtschaft von morgen bilden, werden den größten Wettbewerbsvorteil haben", sagt die Präsidentin.

Das zeigt: Sowohl von der Leyen als auch Biden geht es mit ihrem Subventionsprogramm längst nicht nur ums Klima. Es geht auch um Wettbewerb. Beide Politiker wollen die EU beziehungsweise die USA unabhängiger machen von anderen Staaten - vor allem von China - und den Aufbau wichtiger Lieferketten beschleunigen. Etwa für die Elektromobilität. Gleichzeitig hoffen beide darauf, dass neue Investitionen neue Jobs bringen.

Wenn sich der Subventionswettlauf verschärft, hilft das kaum jemandem

Wie groß also ist das Risiko, einen Subventionswettlauf auszulösen? Zwar nehme der Wettbewerb zu, gibt von der Leyen zu. Sie sei aber überzeugt, dass eben dieser Wettbewerb genau wie Handel "der Turbo für saubere Technologien und Klimaneutralität" seien. Sie ruft deshalb dazu auf, dass die jeweiligen Anreizprogramme fair sein und sich gegenseitig stärken müssten.

Und während auf dem Weltwirtschaftsforum schon am ersten Tag allerorts diskutiert wird, ob die Welt gerade auf dem Weg in eine Ära der Deglobalisierung oder doch schon wieder der Reglobalisierung ist, positioniert sich von der Leyen hier klar. "Unsere Volkswirtschaften werden durch den beschleunigten Wandel immer stärker auf den internationalen Handel angewiesen sein", sagt die Präsidentin. Internationaler Handel sei der Schlüssel, um die Kosten für die Industrie zu senken, Arbeitsplätze zu schaffen und Produkte zu entwickeln.

Auch eine Abkoppelung von China lehnt von der Leyen ab. Gerade für den grünen Wandel müsse man "weiterhin mit China zusammenarbeiten und Handel treiben", sagt sie. Gleichzeitig - und das darf durchaus als Warnung verstanden werden - werde man gegen unfairen Handel stärker vorgehen. China etwa habe EU-Unternehmen offen ermutigt, ihre Produktion dorthin zu verlagern, "mit dem Versprechen billiger Energie, niedriger Arbeitskosten und eines laxeren Regelungsumfelds". Die EU werde alle Instrumente nutzen, um gegen unlautere Praktiken vorzugehen, sagt von der Leyen. Und signalisiert damit: Der Kampf um die Vormachtstellung bei grünen Energien ist zwar in vollem Gange - aber ob er mit- oder gegeneinander ausgetragen wird, ist nicht entschieden.

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