Süddeutsche Zeitung

Bahn:Stuttgart 21 wird nochmals teurer

  • Das Bahnprojekt Stuttgart 21 wird nochmals teurer als zuletzt kalkuliert.
  • Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn erhöhte den Kostenrahmen am Freitag von bisher 6,5 Milliarden auf 8,2 Milliarden Euro, wie das Unternehmen in Berlin mitteilte.
  • Mehr denn je steht Stuttgart 21 bei Kritikern im Verdacht, zu einem ähnlichen Fiasko zu werden wie der Berliner Flughafen BER.

Von Markus Balser, Berlin

Wie weit man mit Prognosen daneben liegen kann? Als der damalige Bahn-Chef Heinz Dürr, Verkehrsminister Matthias Wissmann und Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel 1994 erstmals die Vision eines unterirdischen Bahnhofs für Stuttgart entwarfen, war der Zeit- und Kostenplan noch völlig klar: 4,8 Milliarden sollte der Bau kosten - D-Mark wohlgemerkt. Fertigstellung: spätestens 2010. Die Aufsichtsräte der Bahn, die in dieser Woche in der Konzernzentrale über den aktuellen Daten brüteten, können über solche Prognosen bestenfalls noch schmunzeln.

Denn das umstrittene Prestigeprojekt der Bahn wird noch später fertig und auch noch teurer werden als bislang gedacht. Auf bis zu 8,2 Milliarden Euro schätzt die Bahn-Spitze die Kosten inzwischen. Die eigentlichen Projektkosten liegen bei 7,7 Milliarden Euro. Hinzu kommt laut einem Vorschlag für den Aufsichtsrat ein sogenannter Risikopuffer von bis zu 500 Millionen Euro. Spätestens 2025 soll der Bahnhof demnach in Betrieb gehen - noch ein Jahr später, als es sich bereits im Dezember abgezeichnet hatte.

Der Aufsichtsrat hat am Freitag darüber beraten, wie es mit einem der größten Infrastrukturprojekte Europas weitergehen soll. Auf einer Sondersitzung beschlossen die Kontrolleure einen neuen Kosten- und Zeitplan für das Projekt. In Workshops hatten sie sich ein Bild von der schwierigen Lage am Bau gemacht. Von langen Fragenkatalogen an das Management des Staatskonzerns ist die Rede. Die Steigerung der Baupreise sowie immer aufwendigere Bauverfahren in den schwierigen Formationen des Minerals Anhydrit machten den Bau teurer. Zudem dauerten die Genehmigungsverfahren auch wegen Umweltauflagen länger. Mit der Zeit aber stiegen auch die Baupreise. Die bislang taxierten Kosten erhöhen sich damit von 6,5 auf 7,7 Milliarden Euro. Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla soll den Aufsichtsräten zudem den Puffer von bis zu 500 Millionen Euro vorgeschlagen haben, um für weitere Risiken gewappnet zu sein. Die Bahnführung sei bemüht, ein realistisches Bild der Lage zu zeichnen, heißt es.

Bei dem Projekt soll aus dem Stuttgarter Kopfbahnhof ein unterirdischer Durchgangsbahnhof werden. An der Station wird seit Februar 2010 gebaut. Mehr denn je steht Stuttgart 21 bei Kritikern im Verdacht, zu einem ähnlichen Fiasko zu werden wie der Berliner Flughafen BER. Dessen Kosten liegen nach jüngsten Prognosen bei rund sieben Milliarden Euro.

Bahn drohen neue Diskussionen über die Finanzierung

Damit drohen der Bahn auch neue Diskussionen über die Finanzierung. Bahn, Bund, EU, das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart und der Flughafen hatten 2009 vereinbart, die Kosten aufzuteilen. Damals gingen sie von 4,5 Milliarden Euro aus. Inzwischen wollen sich die Projektpartner an den Mehrkosten jedoch nicht mehr beteiligen. So will Baden-Württemberg nur die im Finanzierungsvertrag vereinbarten 930 Millionen Euro zahlen, auch der Bund lehnt die Übernahme weiterer Kosten ab. Die Bahn hat deshalb schon 2016 Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht. Ein Urteil wird in den nächsten Monaten erwartet.

Die Probleme sollen nun auch personelle Konsequenzen haben. Olaf Drescher, bislang Projekt-Chef der Neubautrasse Berlin - München, zieht in die Geschäftsführung der S21-Planungsgesellschaft PSU ein. Drescher hatte dabei den letzten Termin- und Kostenplan für die Neubautrasse eingehalten. Für die Pannen zum Start des Milliardenprojekts sei er nicht verantwortlich, heißt es bei der Bahn. Drescher solle zum Februar als technischer Geschäftsführer seine Arbeit in der Spitze der Projektgesellschaft aufnehmen. Bahn-Vorstand Pofalla traue ihm zu, die Probleme beim Bau in den Griff zu bekommen. Die Bahn bestätigte die Personalie. Das Verhältnis zwischen der Berliner Bahn-Zentrale und den Stuttgarter Chefplanern galt zuletzt als angespannt.

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SZ vom 26.01.2018/lalse
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