Stühlerücken:Mihatsch steuert künftig Toll Collect

Die Führung der Firma Toll Collect, die das umstrittene Mautsystem für Lkws entwickelt hat, steht vor gravierenden Veränderungen: Zum einen verliert der Leiter des Maut-Entwicklungsprojektes, Michael Rummel, seinen Job. Zum anderen wird Toll Collect-Aufsichtsratschef Klaus Mangold durch den früheren Mannesmann-Manager Peter Mihatsch ersetzt.

Von Karl-Heinz Büschemann

(SZ vom 14.10.03) - Wie die Süddeutsche Zeitung aus Kreisen des Toll-Collect-Gesellschafters DaimlerChrysler erfuhr, wird Michael Rummel, einer der Geschäftsführer seinen Posten verlieren. Rummel ist Leiter des Maut-Entwicklungsprojektes. Einen Nachfolger soll es für den 47jährigen nicht geben.

Gleichzeitig wird die Aufsichtsratsspitze von Toll Collect neu besetzt. Nachfolger des DaimlerChrysler-Vorstandsmitglieds Klaus Mangold, 60, wird Peter Mihatsch, 62, der ehemalige Chef der Telekommunikationssparte von Mannesmann. Diese Entscheidungen sollten am Montagabend bei einem Treffen der Toll-Collect-Gesellschafter fallen.

Das Unternehmen gehört zu je 45 Prozent DaimlerChrysler und der Deutschen Telekom sowie zu 10 Prozent dem französischen Autobahnbetreiber Cofiroute.

Reaktion auf monatelange Pannenserie

Mit dem Umbau der Führung Toll Collect reagieren die Gesellschafter auf die monatelange Pannenserie. Das Erfassungssystem sollte ursprünglich schon Ende August anlaufen. Doch es gibt so viele technische Pannen, dass der Start inzwischen ins nächste Jahr verschoben wurde. Der Bundesregierung entgehen deshalb pro Monat 156 Millionen Euro.

Das Verkehrsministerium und Toll Collect schieben sich gegenseitig die Schuld an dem Desaster zu. Der Aufsichtsratschef Mangold hatte vor wenigen Tagen öffentlich eingestanden, man habe die technischen Problem offenbar unterschätzt.

Mit der Berufung des Technologie-Managers Mihatsch auf den Stuhl des Aufsichtsratschefs wird der frühere Mannesmann-Manager der entscheidende Mann in der Führung von Toll Collect.

Proporz

Bislang war die Geschäftsführung nach Proporzgesichtspunkten besetzt. Jeder Gesellschafter entsandte einen Vertreter. Rummel wurde von DaimlerChrysler Services zu Toll Collect geschickt. Nach Informationen der SZ behielt er aber auch als Maut-Geschäftsführer seinen früheren Posten im Daimler-Konzern.

Mihatsch ist seit Wochen bei Toll Collect als Berater und Krisenmanager engagiert. Auf seine Analyse geht offenbar auch die Abberufung von Rummel zurück.

Mihatsch sorgte Ende der achtziger Jahre dafür, dass der Stahl- und Röhrenkonzern Mannesmann Zugang zum Markt der Telekommunikation fand. Er wurde neben der Telekom der zweite große Mobilfunkanbieter in Deutschland. Mihatsch, der Ambitionen auf die Mannesmann-Führung hatte, verließ den Konzern überraschend im Mai 1998. Später arbeitete er für den Medienunternehmer Leo Kirch.

Umstrittene Offenlegung

Unterdessen teilte das Bundesverkehrsministerium mit, dass sich das Maut-Betreiberkonsortium Toll Collect am heutigen Dienstag abermals zu der umstrittenen Offenlegung der Maut-Verträge äußern will.

Ein Ministeriumssprecher sagte am Montag in Berlin, während von der Deutschen Telekom bereits Zustimmung komme, wolle DaimlerChrysler an diesem Dienstag noch einmal Auskunft geben.

Regierungssprecher Béla Anda wertete dies als "Fortschritt" gegenüber dem bisherigen Verhalten von Toll Collect, die Frage der Offenlegung in der Schwebe zu halten.

"Keine Auseinandersetzung"

Ein Sprecher von Toll Collect, wies allerdings die Darstellung zurück, dass es in dieser Frage eine Auseinandersetzung zwischen den Konsortialpartnern gebe. "Es gibt keinen Streit im Konsortium", sagte der Sprecher von Toll Collect. Das gelte für personelle ebenso wie für strukturelle Fragen und die Offenlegung der Verträge.

Toll Collect sei bereit, den Parlamentariern Einsicht zu gewähren, wolle aber keine Abschriften, Kopien, Fotografien oder eine generelle Veröffentlichung. Das sei das, was Verkehrsminister Manfred Stolpe gewünscht habe und das, was parlamentarisch üblich ist.

DaimlerChrysler-Services-Vorstand Klaus Mangold habe der Offenlegung vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages bereits am 10. September im Auftrag des gesamten Konsortiums schriftlich zugestimmt, betonte der Toll-Collect-Sprecher.

Allerdings hatte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Manfred Carstens (CDU), die bisherigen Einlassungen von Toll Collect hinsichtlich des Einblicks der Parlamentarier unzureichend genannt. Stolpe hatte dies Mangold schriftlich mitgeteilt.

Union fordert Untersuchungsausschuss

Die Unions-Bundestagsfraktion forderte nach der Pannenserie um die Lkw-Maut abermals einen Untersuchungsausschuss. Verkehrspolitikerin Renate Blank (CSU) stellte am Montag in Erfurt zugleich eine Frist bis Freitag nächster Woche. Bis zu diesem Zeitpunkt müsse dem Bundestag der komplette Vertrag zwischen dem Bund und dem Betreiberkonsortium Toll Collect vorliegen. An diesem Mittwoch befasst sich der Verkehrsausschuss des Bundestages mit dem strittigen Thema.

Laut Klagen der Spediteure arbeiteten nahezu alle Bordgeräte nach dem Einbau fehlerhaft. Die Betriebszulassung für das Maut-System kann immer noch nicht erteilt werden. Dafür gibt es nach zweimaliger Verschiebung seit Ende August nach wie vor keinen Termin.

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