Süddeutsche Zeitung

Studie zum Wohnungsmarkt:Wir müssen bauen, bauen, bauen

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In Großstädten fehlen günstige Wohnungen. Darüber sind sich alle einig. Doch die bisherigen Anstrengungen der Politik sind bestenfalls eine Art Erste Hilfe, das Rufen nach der Mietpreisbremse ist keine Lösung. Um die Situation dauerhaft zu entschärfen, müssen Bund und Länder wieder stärker in den Wohnungsmarkt eingreifen.

Ein Kommentar von Claudia Henzler

Bei der Problembeschreibung zumindest sind sich alle einig: Es gibt in größeren Städten zu wenig bezahlbare Wohnungen für Leute mit geringem Einkommen. So stand es vor wenigen Tagen im Stadtentwicklungsbericht der Bundesregierung, so ruft es der Städtetag seit Langem, die Mieterlobby sowieso, sogar der Verband der Wohnungs- und Immobilienunternehmen stellt das fest. Und nun mahnt auch eine Studie der Bertelsmann-Stiftung: In 60 der 100 größten Städte erhöhen die Mietpreise das Armutsrisiko von Familien enorm.

Was die Ursachen angeht, gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Die Immobilienbranche verweist zuerst auf staatliche Auflagen. Wer bei einem Neubau die energetischen Anforderungen einhalte, der könne nicht billig bauen und deshalb keine billigen Mieten anbieten. Und auch der Mieterschutz schrecke Investoren.

Allgemein anerkannt sind folgende Ursachen: In Städten wie Hamburg, Frankfurt oder München wächst das Wohnungsangebot nicht in gleichem Maß wie die Einwohnerzahl. Hinzu kommt deutschlandweit ein Trend zum Alleinwohnen. In 41 Prozent der Haushalte wohnt heutzutage nur ein Mensch. Die Bautätigkeit ist zwar zuletzt gestiegen, aber doch überschaubar: Im Jahr 2012 wurden in ganz Deutschland exakt 71.041 Mehrfamilienhäuser errichtet. Auch die steigenden Baukosten sind Konsens; dabei spielen auch die hohen Grundstückspreise eine Rolle.

Seit Jahren versuchen die Städte, sich gegen die Entwicklung zu stemmen: Sie bauen selbst. Sie bieten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Darlehen an. Sie stellen ihren Einwohnern Grundstücke unterhalb des Marktpreises zur Verfügung. Sie beraten Immobilienbesitzer, aus welchen Fördertöpfen sie schöpfen könnten, wenn sie ihre Mietshäuser ausbauen oder sanieren. Die Städte bemühen sich auch, den Druck vom Grundstücksmarkt zu nehmen: indem sie etwa ein zusätzliches Stockwerk genehmigen, dichtere Bebauung erlauben und frei werdende Flächen schnell neu beplanen.

Sozialer Wohnungsbau ist nachhaltiger als Wohngeld

Von Berlin bis München wird außerdem experimentiert: mit dem Verbot, in beliebten Vierteln Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln oder dem Schutz eines Stadtgebiets vor Luxusmodernisierungen mittels einer sogenannten Erhaltungssatzung: Dort ist es dann zum Beispiel verboten, Schwimmbäder oder riesige Balkone zu planen. Und die Stadtverwaltungen verpflichten Investoren auch mal vertraglich, einen Teil des Geländes mit geförderten Wohnungen zu bebauen. Andernfalls wird das gewünschte Areal eben nicht als Bauland ausgewiesen.

Das alles reicht aber nicht. Kommunen und Immobilienlobby schlagen deshalb vor, das staatliche Wohngeld zu erhöhen: also den Menschen, die sich die ortsüblichen Mieten nicht leisten können, mehr Geld als bisher draufzulegen. Doch das kann nur eine Art Erste Hilfe sein. Um die Situation dauerhaft zu entschärfen, müssen mehr billige Wohnungen gebaut werden.

Dazu braucht es auf Bundesebene größere Anstrengungen, als eine Mietpreisbremse zu fordern. Jahrzehntelang galt der Wohnungsbau als eine wichtige Aufgabe der Politik, der Bund förderte ihn mit hohen Subventionen. Seit 1990 aber hat er sich aus dem Wohnungsmarkt weitgehend zurückgezogen und ihn den Kräften des Marktes überlassen.

In der Folge hat sich das Verhältnis zwischen Eigentums-, Miet- und Sozialwohnungen verschoben. Die Anzahl der Sozialwohnungen ging stark zurück, sodass auch die Nachfrage auf dem freien Markt stieg und damit das Preisniveau. Hier müssen Bund und Länder wieder stärker fördernd eingreifen. Denn Geld, das in den sozialen Wohnungsbau investiert wird, ist nachhaltiger angelegt als in Wohngeld.

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Quelle:
SZ vom 23.07.2013
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